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Mehr Mitbestimmung - auch bei wirtschaftlichen Angelegenheiten!

Rede von Jutta Krellmann,

 

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der Antrag der SPD trägt den Titel „Moderne Mitbestimmung für das 21. Jahrhundert“. Wenn ich das lese, ergeht es mir ähnlich wie Herrn Weiß: Ich erwarte angesichts eines solchen Titels, dass die aktuellen Probleme der betrieblichen Mitbestimmung aufgegriffen werden. Weitere aktuelle Entwicklungen des 21. Jahrhunderts werden allerdings im Antrag der SPD nicht aufgegriffen, beispielsweise die Notwendigkeit zur Stärkung von Betriebsräten insgesamt. Ein Großteil der Betriebe hat überhaupt keinen Betriebsrat, wie ich leider feststellen muss. Dort, wo es welche gibt, herrscht nicht immer nur Freude und Sonnenschein. Es gibt Betriebe, in denen Betriebsräte regelrecht gemobbt und in ihrer Existenz bedroht werden.

Ich will Ihnen als Beispiel die Modekette H & M nennen, die in ganz Deutschland vertreten ist und landauf, landab bekannt ist. In Trier hat die dortige Geschäftsleitung dem Betriebsratsvorsitzenden bereits vor Weihnachten 2012 zum ersten Mal gekündigt. Mittlerweile liegt die dritte fristlose Kündigung auf dem Tisch. Der Kollege muss sich gegen die erneute Kündigung durch seine Firma wieder vor dem Arbeitsgericht wehren. Warum? Er macht eine engagierte Arbeit. Im Grunde hat er nur die Möglichkeiten genutzt, die das Betriebsverfassungsgesetz ihm bei den Punkten bietet, die er angepackt hat. Aber das war der Firma anscheinend zu viel. Zu engagiert, zu sehr im Interesse der Beschäftigten, zu konsequent ‑ solche Leute will man nicht haben.

Die Begründung für die Kündigung vonseiten des Arbeitgebers lautet jetzt auch: Der Betriebsrat hat als Beisitzer der Einigungsstelle nicht die wirtschaftlichen Interessen der Firma vertreten. ‑ Das ist Realität in Deutschland!

(Beifall bei der LINKEN)

Betriebsräte werden schikaniert. Es wird versucht, ihnen ‑ und ihrer Familie gleich mit ‑ mit einer Kündigung praktisch die Existenzgrundlage zu entziehen. Wir brauchen eine Betriebsverfassung, die so etwas unterbindet

(Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Das tut sie!)

und die es Firmen unmöglich macht, so zu handeln.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN ‑ Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Es gibt Kündigungsschutz für die Betriebsratsmitglieder, Frau Krellmann!)

Wir brauchen ein gesellschaftliches Klima, in dem sich Firmen wie H&M nicht trauen, sich so zu verhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Die SPD schreibt in ihrem Antrag, dass auch die Arbeitgeber ein Interesse an einer funktionierenden Mitbestimmung hätten. Ja, aber nur solange es nicht wehtut und es nichts kostet. Das ist die eine Seite.

Aber es gibt noch eine weitere Seite. Ein systematischer Umbau vieler Unternehmen hat die Mitbestimmung schleichend ausgehöhlt. Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren ihre gesamte Unternehmensstruktur neu organisiert. Sie haben einzelne Betriebsteile ausgegliedert, und dadurch wurde die Mitbestimmung geschwächt.

Das zeigt das Beispiel Edeka. Gut 300 000 Beschäftigte arbeiten in Märkten unter dem Edeka-Logo. Fast die Hälfte davon ist in ausgegliederten Betrieben angestellt; aber diese sind wirtschaftlich weiterhin Teil des Edeka-Verbunds. Die Ausgliederung ist ein Mittel zur Tarifflucht und zur Aushöhlung der Mitbestimmung. Die ausgegliederten Beschäftigten werden nicht mehr vom Konzernbetriebsrat vertreten bzw. müssen zum Teil Betriebsräte neu gründen, und sie bekommen bis zu 30 Prozent weniger Geld als vorher im Edeka-Verbund.

(Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Sauerei!)

Mitbestimmung bei wirtschaftlichen Angelegenheiten ausbauen, auch das ist in dem Antrag der SPD nicht enthalten. Wir brauchen ein VW-Gesetz für alle. Bei VW haben Betriebsräte im Aufsichtsrat ein Vetorecht bei Investitionsentscheidungen und Produktionsverlagerungen. Diese Regelungen sollten ausgebaut und auf alle Bereiche übertragen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die deutsche Wirtschaft befindet sich immer noch in einem unglaublichen Umbauprozess. Betriebsräte und Personalräte müssen in jedem Betrieb aktiven Einfluss auf diese Entscheidungen nehmen können; sonst können sie den Plänen des Managements nichts entgegensetzen.

(Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das steht aber im Antrag!)

Wir brauchen mehr Mitbestimmung und Demokratie. Genau das müssen wir wagen, und das geht nur mit echter wirtschaftlicher Mitbestimmung.

(Beifall bei der LINKEN)