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Mehr Geld für´s Militär statt für Familien

Rede von Jörn Wunderlich,

Während die Bundesregierung trotz immenser Neuverschuldung auf der einen Seite für die Beschaffung des Airbus A400M mal locker 500 Mio Euro zusätzlich zur Verfügung stellt, kürzt das Familienministerium im Haushaltsjahr 2011 auf der anderen Seite munter weiter das Budget insbesondere von Familien und das nicht nur beim Elterngeld.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Einzelplan 17 des Haushaltes ist im Grunde beschämend. Zwar wird nun seitens der Regierung ständig versucht, zu erklären, dass eigentlich alle Maßnahmen toll sind, wir aber sparen müssen. Dabei übersieht die Regierung allerdings, dass diejenigen, die am Monatsende nichts mehr im Portemonnaie haben, nicht in der Lage sind, zu sparen. Genau bei denen langt die Regierung zu.

Nehmen wir als Beispiel die Kürzungen beim Elterngeld. Ursprünglich wurde über einen Zeitraum von zwei Jahren das Erziehungsgeld gezahlt, damals in Höhe von 600 DM monatlich und bei Sozialleistungsbezug anrechnungsfrei. Dies hatte den Grund, dass durch den Nachwuchs verursachte finanzielle Mehrbelastungen der Familien abgefedert werden sollten. Ab einer gewissen Einkommensgrenze gab es nichts mehr; denn man verdiente – damals noch – genug.

Das Erziehungsgeld wurde dann vom Elterngeld abgelöst, welches als Lohnersatzleistung ausgelegt war. Es ging auch darum, dass die Akademikerinnen mehr Kinder bekommen sollten. Dann kamen Bedenken auf: Was ist mit dem sozialen Aspekt? Er fällt ja völlig weg. – Dann kam man auf die Idee, einen Sockelbetrag von 300 Euro einzuführen, den jeder bekommen sollte. Dadurch gab es einen sozialen Ausgleich; der soziale Aspekt war berücksichtigt. Immerhin war es eine Kürzung um nur 50 Prozent: Das Erziehungsgeld gab es für zwei Jahre, das Elterngeld für nur ein Jahr.

Inzwischen hat die Regierung festgestellt – Sie haben das angeführt –, dass die Zahlung des Sockelbetrags an Erwerbslose eigentlich systemwidrig ist und deshalb voll auf die Transferleistung anzurechnen ist. So etwas gab es beim Erziehungsgeld nicht. Im Klartext heißt das: Familien, denen früher aus sozialpolitischen Gründen Mittel bewilligt worden sind, wird jetzt alles weggenommen.

Auch das Argument, es gebe ja Sonderzahlungen für die Erstlingsausstattung und einen eigenen Bedarfssatz, darf doch nicht zählen. Wie ist es denn mit einer Beamtengattin? Sie bringt ein Kind zur Welt, es gibt eine Einmalzahlung wegen der Geburt, einen erhöhten Familienzuschlag und das Kindergeld, das beim Arbeitslosen angerechnet wird. Sind diese Mehrkosten etwa den Steuerzahlern zuzumuten? Da wird nicht gestrichen.

Ihre Scheinargumentation hinkt doch: Sie präsentieren Beispielrechnungen für Familien, in denen die Eltern einer Erwerbstätigkeit nachgehen, und sagen, sie müssten soundso viel verdienen, um auf den entsprechenden Betrag zu kommen. Zahlen Sie anständige Mindestlöhne, dann hat sich dieses Argument erledigt.

(Beifall des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])

Aber das will diese sich selbst christlich-liberal nennende Regierung gerade nicht. Lieber will sie nicht existenzsichernde Löhne und ein Existenzminimum, das noch darunter liegt. Das nenne ich Sozialraub in Raten, und das ist gemeinsam mit der Linken nicht zu machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Eltern, die noch ein Restvertrauen in diese Regierung hatten und die Auszahlung des Elterngeldes auf zwei Jahre gestreckt haben, sollen ab Januar 2011 nichts mehr bekommen. Nach Aussage der Regierung gibt es da keinen Vertrauensschutz. Diese Eltern müssen jetzt die sofortige Auszahlung beantragen, und sie muss auch noch in diesem Jahr erfolgen, weil das Geld sonst weg ist. Das nennen Sie Verantwortung für die Zukunft? Welche Eltern sollen in Zukunft noch Vertrauen in Sie haben?

Frau Gruß hat in der Novemberausgabe der Zeitschrift des Zukunftsforums Familie e. V. gesagt – ich zitiere –:

„Die Familienpolitik der christlich-liberalen Koalition ist vor allem eines: treffsicher.“

Da hat sie recht. Treffsicher ist sie. Sie trifft die Familien, die Solidarität und Unterstützung brauchen, besonders hart. Zielgerichtete, treffsichere Politik, aber nicht im Sinne der Familien.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Bär hat in der Novemberausgabe dieser Zeitschrift von furioser Familienpolitik gesprochen. Da kann ich ihr auch nur beipflichten. „Furios“ bedeutet unter anderem bärbeißig. Ein anderes Synonym für „furios“ ist „enthemmt“. Die Kürzungspolitik dieser Koalition bei den Ärmsten der Gesellschaft ist wirklich hemmungslos.

Das angeführte Argument der Generationengerechtigkeit hat sich spätestens seit den Beschlüssen über die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken erledigt.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Oh mein Gott!)

Generationengerechtigkeit gibt es nur dann, wenn es dieser Koalition in den Kram passt. Das ist die Politik dieser Regierung.

Es wird in frühkindliche Bildung investiert. Das ist ja ganz schön. Auf der anderen Seite kommt von CDU-regierten Ländern aber der Vorschlag, Flüchtlingsfamilien abzuschieben, wenn die Kinder in der Schule keine Leistung bringen. Wo ist da Frau Schröder? Wie bringt sie sich in solche Debatten ein? Was ist das für eine Kinder- und Familienpolitik, die eine solche Entscheidung auf die Schultern der Kinder legt? Was macht unsere Familienministerin? Dazu ist kaum etwas von ihr zu hören. Man sieht nichts von ihr, man hört nichts von ihr. Wenn sie sich mal zu Wort meldet, denke ich: Wir können froh sein, dass sie so selten aktiv ist. Wenn sie behauptet, die Kürzungsorgie sei nicht Konsolidierung auf Kosten der Kinder, sondern für die Kinder, dann muss sie sich schon die Frage stellen lassen, ob sie überhaupt weiß, für wen sie in der Regierung ist.

Familienpolitische Debatten finden eher trotz als wegen ihr statt. Weiterhin leben in Deutschland Millionen Kinder unterhalb der Armutsgrenze. Danke für diese christlich-liberale, treffsichere Politik, Frau Ministerin!

Zurück zum Elterngeld. Die Linke möchte entsprechend ihrem Antrag das Elterngeld sozial und gerecht ausgestalten. Heute kam schon die Frage, woher das Geld dafür kommen soll. Woher kommt das Geld, damit man die Kürzungen nicht durchführen muss? Diese Frage stellt sich natürlich. Aber warum wurde diese Frage nicht gestellt, als unser guter Kriegsminister Guttenberg vor wenigen Tagen 500 Millionen Euro Zuschuss für den Airbus A400M lockergemacht hat?

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: „Kriegsminister“! Die sind sich für nichts zu blöd, die Linken! Wahnsinn! Mein Gott, das ist ja abartig! – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Erschreckend!)

Kein Mensch fragt danach, woher diese 500 Millionen Euro kommen. Für die Rüstungsindustrie ist Geld da. Solche Zeiten hatten wir schon einmal. Ich hatte gehofft, sie wären vorbei. Diese Haushaltspolitik wird jedenfalls von der Linken nicht mitgetragen.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Sechs, setzen!)

– Frau Bär, es ist mir klar, dass Sie das nicht hören wollen.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Nein! Das ist doch der Wahnsinn!)

Wir möchten lieber in die Zukunft unserer Kinder investieren und nicht in Rüstung und Kriege.

(Beifall bei der LINKEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Zum Glück wollen Sie nur APO machen und kommen nie an die Regierung! Mein Gott!)