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Matthias W. Birkwald: Doppelbesteuerung von Rentnerinnen und Rentnern jetzt verhindern!

Rede von Matthias W. Birkwald,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den vergangenen 20 Jahren haben Union, SPD und Bündnis 90/Die Grünen das Rentenniveau abgesenkt und das Rentenalter auf 67 heraufgesetzt. Beides lehnen wir Linken ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Doppelbesteuerung der Renten ist ein weiterer Skandal; das wurde vom Bundesfinanzhof nun endlich anerkannt, und das ist gut so.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf der Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für die Doppelbesteuerung der Renten sind die Finanzminister der Union und der SPD namens Hans Eichel, Peer Steinbrück, Wolfgang Schäuble und Olaf Scholz verantwortlich. 17 Jahre lang haben Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, die Expertenmeinungen, Gesetzeskommentare und Medienberichte zur Doppelbesteuerung der Rente ignoriert oder geleugnet.

(Markus Herbrand [FDP]: Genau!)

Das war und ist absolut daneben.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer die Studien der Brüder Werner und Günter Siepe gelesen und die Warnungen von Dr. Axel Reimann von der Deutschen Rentenversicherung in der Anhörung im Finanzausschuss im Jahre 2004 gehört hatte, wusste, dass es hier eines großen Stoppschildes bedurft hätte. Als wir hier im Plenum fast auf den Tag genau heute vor zwei Jahren, am 6. Juni 2019, über unseren Antrag „Rentenbesteuerung vereinfachen und Doppelbesteuerung vermeiden“ debattierten, musste ich mir von Ihnen vieles anhören, was nach dem Urteil des Bundesfinanzhofes einfach nur noch grotesk wirkt.

Der CDU-Kollege Olav Gutting sagte, Die Linke sei unseriös; wenn überhaupt, gäbe es nur Einzelfälle. Heute wissen wir, dass 142 000 Klagen vorliegen.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Urteile?)

Die verehrte SPD-Kollegin Cansel Kiziltepe sagte sehr laut, die Doppelbesteuerung gäbe es nicht. Und sie sagte sehr leise, man müsse über die Berechnungsmethode diskutieren.

(Zuruf des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der ansonsten geschätzte grüne Zwischenruferkollege Markus Kurth outete sich gar als Doppelbesteuerungsleugner

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und behauptete faktenwidrig – Zitat –:

"Generell und im Allgemeinen liegt Doppelbesteuerung überhaupt nicht vor."

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Urteil!)

"Sie reden hier … über ein nicht existentes Problem …"

Union, SPD und Grüne lagen hier rentenpolitisch wieder einmal gemeinsam voll daneben.

(Beifall bei der LINKEN)

Und der FDP-Kollege Markus Herbrand sagte gar nichts zu unseren Vorschlägen, Rentnerinnen und Rentner vor Doppelbesteuerung zu schützen. Er meinte nur, man müsse debattieren; da könne etwas dran sein; man müsse prüfen. Lösungsvorschläge damals: keine. Und dann haben Sie, Kollege Herbrand, ja selbst zwei Jahre später einen FDP-Antrag vorgelegt: viele Prüfaufträge und nur schwache politische Forderungen darin, darunter auch eine, von der insbesondere wohlhabende arbeitende Rentnerinnen und Rentner profitieren würden. Dieser Vorschlag von Ihnen nützt beispielsweise den Bauarbeitern und den Krankenschwestern, die weder bis 67 oder gar 68 arbeiten können, gar nichts, und das ist schlecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Die Linke war und bleibt die erste und einzige Fraktion, die bereits im Mai 2019 klipp und klar gesagt hat: Ja

(Zuruf des Abg. Sebastian Brehm [CDU/CSU])

– und jetzt gut zuhören –, in 40 Jahren wird die nachgelagerte Besteuerung für die Menschen aufs ganze Leben betrachtet eine gute Sache sein. Sie werden dann davon profitieren. Aber für heute und die kommenden Jahrzehnte bis dahin gilt: Das Gesetz von 2005 war wissentlich schlecht gemacht.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Bundesfinanzhof hat ja über einen Fall geurteilt mit einem Rentenfreibetrag aus dem Jahre 2008. Damals waren noch 46 Prozent der Rente steuerfrei. Heute sind es nur noch 19 Prozent. Auf Deutsch: Das Problem der Doppelbesteuerung der Renten war in der Vergangenheit klein, aber es wächst derzeit von Jahr zu Jahr.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Nein!)

Und es wird in der Zukunft zu einem großen Problem werden. Genau dieses Problem haben wir Linken erkannt, und genau dafür haben wir einen guten Lösungsvorschlag auf den Tisch gelegt. Der steuerliche Rentenfreibetrag soll nämlich nicht bis 2040, sondern viel, viel langsamer, nämlich bis zum Jahr 2070 abgeschmolzen werden. Und diesen Vorschlag, liebe Union und FDP, findet sogar das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft gut. Darum sollten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD und auch alle anderen, das Urteil des Bundesfinanzhofes – es ist heute gekommen – mal ganz genau nachlesen. Dort können Sie lesen, was wir Ihnen prophezeit hatten. Dort können Sie lesen, dass für die vorgelegten sehr alten Fälle noch ein recht hoher Freibetrag galt, weshalb bisher für die Vergangenheit keine Doppelbesteuerung festgestellt werden konnte.

Aber der Bundesfinanzhof stellt erstens fest, dass der Grundfreibetrag der Existenzsicherung dient und darum auf keinen Fall für die Berechnung herangezogen werden darf.

(Zuruf des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zweitens wird es genau deshalb für spätere Rentenjahrgänge eindeutig zu einer Doppelbesteuerung ihrer Renten kommen. Und drittens wird der Rentenfreibetrag viel zu schnell abgeschmolzen.

Meine Damen und Herren, dieses Urteil bestätigt eins zu eins, was die Experten seit Langem öffentlich sagen. Dieses Urteil bestätigt voll und ganz, was Die Linke schon vor zwei Jahren hier im Bundestag gefordert hat und darum –

– Frau Präsidentin, mein letzter Satz – fordere ich den Bundesfinanzminister Olaf Scholz auf, jetzt mit den Vorarbeiten für die Umsetzung des Urteils zu beginnen und damit nicht bis nach der Bundestagswahl zu warten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)