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Martina Renner: Staatliche Mitverantwortung für den Terroranschlag am Breitscheidplatz?

Rede von Martina Renner,

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir alle spüren es bei diesem Tagesordnungspunkt: Der Deutsche Bundestag und die Mitglieder des Untersuchungsausschusses zum Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz übernehmen eine große Verantwortung.

Auf dem Ausschuss ruhen die Erwartungen der Angehörigen der zwölf Getöteten und die der zahlreichen Verletzten. Sie und wir alle, die Öffentlichkeit, haben ein Recht, zu erfahren: Hätte dieser schwerste dschihadistische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik verhindert werden können? Was wurde aus den Warnungen von Informanten zu Anschlagsplänen des späteren Attentäters, die den Behörden schon ein halbes Jahr vor der Tat bekannt waren? Haben die Strafverfolgungsbehörden und die Geheimdienste angesichts dessen im Vorfeld die richtigen Maßnahmen ergriffen oder eben die falschen? Warum wurde den Hinweisen von Geflüchteten zum späteren Attentäter an die Polizei nicht nachgegangen?

Und auch diese Frage müssen wir stellen: Handelt es sich bei Amri tatsächlich um einen Einzeltäter? Bislang deutet sehr vieles auf das Gegenteil hin. Deshalb haben wir, und zwar erfolgreich, dafür gesorgt, dass der Untersuchungsauftrag nun auch das mutmaßliche Unterstützer­umfeld in den Blick nimmt.

Wir müssen in diesem Untersuchungsausschuss auch die Frage nach dem V-Leute-System in der dschihadistischen Szene stellen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Haben hier die Strafverfolgungsbehörden und die Geheimdienste ein System aufgebaut, das unkontrollierbar ist? Führt dieses System möglicherweise dazu, dass es auch eine staatliche Mitverantwortung für den Anschlag gibt?

Ebenso müssen wir der Frage nachgehen, welche Maßnahmen deutsche Behörden nach dem Anschlag gegen das mutmaßliche Unterstützerumfeld des Attentäters ergriffen haben. Dies gilt auch für die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern. Und wir fragen die Bundesregierung: Haben Sie nach dem Anschlag wirklich alles getan, um den Verletzten und Hinterbliebenen angemessene Hilfe zu gewähren? Der Ausschuss wird, auch auf Anregung der Linken, dazu die Angehörigen und Verletzten zu einem Gespräch treffen. Ich finde, das ist ein wichtiger und würdiger Auftakt unserer Arbeit.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eines muss hier noch gesagt werden: Wir bedauern es sehr, dass die Unionsfraktion erst einen unter allen fünf demokratischen Fraktionen ausgehandelten Einsetzungsantrag mitträgt und dann für die konkrete Ausschussarbeit den Konsens der Demokraten aufkündigt. Noch nie wurde in einem Untersuchungsausschuss ein Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU/CSU in Richtung meiner Fraktion bei der Abfassung von Beweisanträgen ausgesprochen. Ein Untersuchungsausschuss als Folie für Feindbilder aus den Zeiten des Kalten Krieges wird der Verantwortung nicht gerecht, von der ich zu Beginn meiner Rede sprach. Überdenken Sie Ihre Haltung!

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Denn hier geht es um den Schutz der Demokratie und der offenen Gesellschaft. Aus diesem Grund werden wir es auch nicht zulassen, dass dieser Ausschuss für Stimmungsmache gegen eine humanitäre Flüchtlingspolitik benutzt wird, egal von wem.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die effektive Bekämpfung des dschihadistischen Terrors – das wissen wir aus zahlreichen Gesprächen – liegt sehr vielen Menschen am Herzen, auch und gerade denjenigen, die hier Schutz vor dem Terror suchen, der ihr Leben in ihren Herkunftsländern zur Hölle gemacht hat.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Den Schutz aller in Deutschland lebenden Menschen zu verbessern, ist ein Anliegen, das hoffentlich alle Demokratinnen und Demokraten in dieser Ausschussarbeit teilen. Wir als Linke werden uns dafür einsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Benjamin Strasser [FDP])