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Mandatsbetrug bei der Operation Active Endeavour

Rede von Paul Schäfer,

Werte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Die deutsche Beteiligung an dieser NATO-Militäroperation ist abzulehnen und schnellstmöglich zu beenden.

Erstens, weil die Erfahrung gezeigt hat, dass man mit militärischen Mitteln dem Terrorismus nicht beikommen kann.

Zweitens, weil dieses Mandat, gestützt auf Art. 5 NATO-Charta, schon längst für andere Zwecke missbraucht wird. Wenn man genauer hinschaut, stellt man fest, dass es mit der Sicherung von Öltransporten – ich komme gleich noch darauf – auch hier inzwischen um die Durchsetzung bestimmter Wirtschaftsinteressen geht. Das gilt auch, weil unter das Mandat auch die Abwehr von Flüchtlingen, die nach Europa wollen, gefasst wird.
Drittens, weil für uns, das entsendende Parlament, überhaupt nicht mehr klar ist, wofür welche Marineeinheit wann eingesetzt wird. Dieses Blindekuhspiel hat mit dem Parlamentsbeteiligungsgesetz wenig zu tun. Das sollten wir nicht mit uns machen lassen. (Beifall bei der LINKEN)

Wir waren ja heilfroh, dass man aus OEF ausgestiegen ist. Da hätte man gar nicht einsteigen dürfen, weil die militärische Bekämpfung des Terrorismus in der Tat nichts gebracht hat. Im Gegenteil: Sie verschärft die Lage in Afghanistan und auch hier. (Beifall bei der LINKEN – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Ach! Absolut falsch!)

Das gilt auch für die Mission Active Endeavour. Der Auftrag lautet, „Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangen zu nehmen“. Sie haben mehr als 100 000 Abfragen gemacht, mehr als 160 Boardings. Welcher Terrorist wurde gefangen genommen und vor Gericht gestellt? Kein einziger! (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist präventiv!)

Das ist doch der Punkt: Sie können nicht nachweisen, dass diese Mission irgendeinen Effekt hatte. Darum geht es inzwischen allerdings auch gar nicht mehr. Sie sollten diesem Parlament jetzt ehrlich sagen, dass es darum geht, in Verbindung mit den Aktionen im Suezkanal und im Indischen Ozean großflächig Räume zu kontrollieren. Das klingt harmlos. Schaut man auf die NATO-Homepage, findet man dort zum Beispiel als Auftrag, dass systematisch Erdöl- und Erdgastransporte beschützt werden sollen. Man kann auch nicht von der Hand weisen, dass die NATO-Mitgliedstaaten durch die Aufklärungsmissionen, die man durchführt, über Herrschaftswissen verfügen. Das ist des Pudels Kern: Es geht nicht um Territorialverteidigung, sondern darum, bestimmte Interessen durchzusetzen. Dafür wollen wir aber keine Soldaten entsenden. (Beifall bei der LINKEN)

Wir sind für die Durchsetzung des Völkerrechts und die Freiheit der Meere. Dabei handelt es sich aber – das ist der Punkt – um zentrale Aufgaben der Vereinten Nationen, nicht von exklusiven Machtblöcken und Militärallianzen. Das ist doch der Punkt. (Beifall bei der LINKEN)

Inzwischen leiten Sie weitschweifende Aktivitäten aus dem Mandat ab, zum Beispiel die Abwehr illegaler Immigration und die Verhinderung von Flucht. Davon steht aber nichts im Bundestagsmandat. Das ist doch Betrug. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Das Problem ist aber nicht nur, dass im Bundestagsmandat nichts davon steht; das Problem ist auch, dass solche Dinge tatsächlich gemacht werden. Der NATO-Kommandeur hat 2006 in Bezug auf die Amtshilfe für Griechenland – hier ging es um Flüchtlinge – geschrieben, es gehe bei der Mission zwar um Kriminelle, aber man sende damit auch die Botschaft an die Terroristen: Wir suchen nach euch und wenn wir euch finden, gibt es keinen Platz zum Verstecken. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, haben Sie gut zugehört? Das ist das, was aus dem Bundestagsmandat gemacht wird. Wir machen bei dieser bedenklichen Praxis nicht mit. (Beifall bei der LINKEN)

Zur bedenklichen Praxis gehört auch, dass die Daten aller Schiffe, die einmal durch das Gebiet durchfahren, einfach zugeordnet und assigniert werden. Damit werden alle Schiffe und U-Boote, die durch das Gebiet fahren, der Operation Active Endeavour oder der Operation Ocean Shield unterstellt. Meiner Meinung nach wird hier die parlamentarische Kontrolle ad absurdum geführt. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz ist an dieser Stelle sehr klar: Es regelt, dass der Auftrag und die Aufgaben präzise benannt werden müssen. Soll es präzise sein, wenn nur von der „militärischen Präsenz auf See“ die Rede ist? Der Auftrag und die Aufgaben müssen klar benannt werden, ebenso die dafür vorgesehenen Kräfte. Davon kann in der Praxis keine Rede sein. Auch deshalb lehnen wir das Mandat ab.

Wir sagen Ihnen deshalb: Wenn Sie es mit dem Parlamentsvorbehalt ernst meinen – wenn das Parlament darüber bestimmen soll –, gibt es Grund genug, jetzt innezuhalten und die Verlängerung des Mandats abzulehnen; sie ist aus friedenspolitischen Gründen ohnehin entschieden abzulehnen. Die Bundeswehrbeteiligung an dem Mandat muss beendet werden.
Danke. (Beifall bei der LINKEN)