Zum Hauptinhalt springen

Lohnunterlagen weiter zugänglich halten

Rede von Martina Bunge,

Rede (zu Protokoll) für TOP 22 am 15.12.2011 zum Antrag der Fraktion Die Linke „Aufbewahrungsfrist der Lohnunterlagen von DDR-Betrieben bis 31.12.2016 verlängern“ (17/7486)

Eingangs möchte ich auf unsere Debatte vom 10. November zurückkommen.
Die Rednerinnen und Redner ausnahmslos aller Fraktionen betonten, wie wichtig die Lohnunterlagen für eine exakte Rentenberechnung sind. Doch da hörten die Gemeinsamkeiten schon auf. Meine Fraktion, Die Linke, sowie die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen wollen die Aufbewahrungsfrist von Lohnunterlagen aus DDR-Zeiten verlängern.
Die Fraktionen von Union und FDP wollen das gerade nicht. Selbst die über 645.000 ungeklärten Rentenkonten in Ostdeutschland scheinen Sie nicht zu beindrucken.
Für uns hingegen hat dies eine Dimension, auf die wir als Gesetzgeber reagieren müssen. Sie hingegen reden das Problem klein und sprechen von lediglich 286.000 ungeklärten Rentenkonten in Ostdeutschland. Diese Zahl stammt – im Ergebnis meiner diesbezüglichen Frage an die Bundesregierung – von der Deutschen Rentenversicherung Bund und erfasst deshalb auch nur Versicherte, die dort geführt sind. Die von mir bei den Regionalstellen der DRV im Sommer erfragten Zahlen, die in Summe in unserem Antrag enthalten sind, haben Sie ignoriert.
Ich darf die Zahlen der ungeklärten Rentenkonten hier anführen:
- Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg: Brandenburg – 78.956, Ost-Berlin – 137.896,
- Deutsche Rentenversicherung Nord: 57.900,
- Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland: 110.000 (alle mit Lücken bis 31.12.1991); 23.000 Versicherte davon sind inzwischen in den alten Bundesländern.
Auch mir ist klar, dass nicht alle Lücken in den ungeklärten Rentenkonten mit Beschäftigungszeiten in der DDR zu tun haben. Aber nach Schätzung der Deutschen Rentenversicherung Nord sind es in Mecklenburg-Vorpommern gut zwei Drittel, nämlich 45.000 von 57.000.
Kaum Erkenntnisse gibt es über die Rentenkonten derjenigen, die seit 1990 innerhalb des Landes von Ost nach West gingen oder sich auch außer Landes befinden.
Klar ist auch, dass die Dinge im Fluss sind und sich mittlerweile viele Betroffene um ihre Lohnunterlagen gekümmert haben. Monatlich sollen aber immerhin noch rund 2.600 Anfragen bei den Behörden eingehen. Eine Größenordnung, die wir m. E. als Parlamentarierinnen und Parlamentarier nicht ignorieren sollten.
Doch unabhängig davon gibt es einen weiteren stichhaltigen Grund, die Aufbewahrungsfrist der Lohnunterlagen zu verlängern, nämlich die vielen Klageverfahren, die häufig die Beibringung weiterer Papiere erforderlich machen. Diesen Aspekt schlagen Sie einfach in den Wind.
Und Ihnen ist auch bekannt, dass es – glücklicher Weise für die Betroffenen – immer wieder auch Urteile zum Rentenrecht gibt, die nicht nur auf den Kläger angewandt werden, sondern auf analoge Fälle und damit oft auf größere Gruppen. Für all diese Menschen wird dann – zumindest potenziell – ein Zugang zu den Lohnunterlagen wichtig.
Aber auch die Änderung des Rentenüberleitungsgesetzes, wie meine Fraktion sie seit Jahren verlangt, würde einen Zugriff auf die Dokumente nötig machen. Andere Gesetze können das ebenfalls erfordern. So hat sich dieser Tage die zuständige Landesbehörde für die Stasi-Unterlagen an die Abgeordneten aus meinem Bundesland gewandt und darum gebeten, dass wir uns für die Verlängerung der Aufbewahrungsfrist der DDR-Lohnunterlagen einsetzen. Ohne Zugriff auf die Dokumente, so habe ich dem Brief entnommen, würde die gerade per Gesetz bis zum Jahr 2019 verlängerte Möglichkeit, eine berufliche Rehabilitierung zu beantragen, infrage gestellt. Menschen, die in der DDR in ihrer beruflichen Entwicklung massiv behindert wurden, hätten dann das Nachsehen. Wollen Sie das, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition?
Auch das Problem dieser Gruppe haben Sie übrigens in der ersten Lesung kleingeredet.
Ihr Hinweis auf die Glaubhaftmachung bietet ebenfalls keine Lösung. Diese hätte selbst im günstigsten Fall, wie Sie genau wissen, eine Minderung des Anspruchs um ein Sechstel zur Folge. Im ungünstigsten Fall, nämlich dann, wenn genaue Beschäftigungszeiten und Einkommenshöhen nur noch vage bekannt sind, fiele der Schaden vermutlich noch höher aus.
Ich appelliere hiermit eindringlich an die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen: Stimmen Sie mit für die Verlängerung der Aufbewahrungsfrist für die Lohnunterlagen. Folgen Sie der praktischen Lösung, wie ich sie in der Debatte am 10. November vorgeschlagen habe und wie sie auch in einem Änderungsantrag der SPD zum SGB IV enthalten ist. Ändern Sie den § 28f Abs.5 des SGB IV. Ersetzen Sie das darin enthaltene Datum „31. Dezember 2011“ mindestens durch den „31. Dezember 2016“.