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LINKE BürgerInnenversicherung

Rede von Harald Weinberg,

Mehr soziale Gerechtigkeit durch Entlastung niedriger und mittlerer Einkommen

Harald Weinberg (DIE LINKE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Erst einmal vorab: Wir stehen für einen fairen demokratischen Wettbewerb der Ideen untereinander. Ihre Idee ist – das -wissen wir schon seit längerem – die einkommensunabhängige Kopfpauschale. Unsere Idee ist die Bürgerversicherung. Am Ende werden die Wählerinnen und Wähler entscheiden, welche von beiden Ideen zum Zuge kommen wird. Dazu stehen wir auch, Herr Spahn; das ist so.

Zur Bürgerversicherung allgemein und insbesondere zu unserem Vorschlag wird nicht nur, aber auch hier und heute eine Menge Unsinn erzählt. Meine Redezeit ist sehr kurz.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das hängt mit den Wählern zusammen!)

Deswegen werde ich versuchen, einige dieser Punkte aufzunehmen und richtigzustellen.

So behaupten Union und FDP, teilweise auch SPD und Grüne, dass unsere Vorstellungen eines solidarischen Gesundheitssystems nicht mit der Verfassung zu vereinbaren seien, in wesentlichen Teilen verfassungswidrig seien. Gerade vor dem Hintergrund der letzten Debatte, die wir geführt haben, muss ich sagen: Das sagen uns schon die richtigen Verfassungsexperten. Alle diese Fraktionen haben nämlich Gesetze beschlossen, die sich später als verfassungswidrig herausgestellt haben, und sie haben es in dem Bewusstsein getan, dass sie verfassungswidrig sind.

(Zuruf von der FDP: Unerhört!)

– Natürlich! Klar!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Europa- und Bundeswahlrecht, die Sicherungsverwahrung, die Vorratsdatenspeicherung und das Splitting bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, all das ist durch das Verfassungsgericht wieder kassiert worden; Sie mussten nachbessern. Das ist so. Sie wussten es teilweise schon vorher. Das ist die Faktenlage. Ich an Ihrer Stelle würde mir überlegen, ob Sie wirklich die Berufenen sind, uns an dieser Stelle das Grundgesetz zu erklären.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das überlassen Sie vielleicht besser anderen.

In diesen Tagen ist eine Studie des WSI, des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts des Deutschen Gewerkschaftsbundes, veröffentlicht worden. Das Institut hat sich von Ihrer Rhetorik nicht verunsichern lassen und hat unseren Vorschlag, die Beitragsbemessungsgrenze abzuschaffen, in einem Rechtsgutachten untersuchen lassen. Es hat sich herausgestellt: Es ist verfassungsrechtlich möglich.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Beitragsbemessungsgrenze – das nur noch einmal als allgemeine Information – sorgt dafür, dass Menschen mit hohem Einkommen prozentual weniger Krankenversicherungsbeiträge zahlen müssen als die mit mittlerem oder geringem Einkommen,

(Heinz Lanfermann [FDP]: Wie beim Brot!)

weil die Beiträge gedeckelt sind. Das ist ungerecht, und das wollen wir abschaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sagen: Das ist nicht verfassungsmäßig. Wir haben festgestellt: Das ist durchaus verfassungsmäßig; es entspricht dem Sozialstaatsgedanken.

(Rudolf Henke [CDU/CSU]: Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip! – Heinz Lanfermann [FDP]: Das Brot ist für die Reichen auch billiger als für die Armen!)

Jetzt kommen wir noch einmal zu dem Thema „Abschaffung der privaten Krankenversicherung“. Ich will es verhältnismäßig kurz machen. Jedes Gesetz greift in bestehende Verträge, in das Eigentum und gegebenenfalls auch in die Berufsfreiheit ein. Es steht außer Frage, dass das so geschieht. Ob das verfassungsrechtlich geht oder nicht, hängt davon ab, ob der Eingriff angesichts des gewünschten Ziels gerechtfertigt ist oder nicht, ob der Gesetzgeber Gestaltungsspielräume hat oder nicht. Das Ziel, das wir mit der Bürgerversicherung erreichen wollen, hat einen hohen Verfassungsrang. Es geht darum, die gesetzliche Krankenversicherung in der Zukunft funktionsfähig zu halten, alle Menschen in eine hochwertige Gesundheitsversorgung einzubeziehen und das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes zu erfüllen.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch einmal zu dem Thema der Abschaffung der PKV. Die Vorstellungen der Grünen und der SPD gehen dahin, wahlweise eine Übergangsfrist vorzusehen oder einen Zwang für private Krankenversicherer, Bürgerversicherungskonditionen anzubieten. Das würde beides das Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherung im Prinzip genauso kaputtmachen und letztlich nur einen sanften Tod der privaten Krankenversicherung herbeiführen. Der Unterschied zu uns ist im Wesentlichen der, dass wir klar sagen, was wir an dieser Stelle wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu der Frage von Belastung von allen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Er hat schon zehn Minuten!)

Noch einmal ganz klar: Unser Bürgerversicherungskonzept führt dazu, dass Versicherte mit einem Einkommen von unter 6 000 Euro im Monat entlastet werden, und Versicherte mit einem Einkommen von über 6 000 Euro im Monat werden belastet. Wer anderes behauptet, wie das beispielsweise in der Bertelsmann-Studie geschieht, redet Unsinn.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt noch einmal zum Thema Arbeitsplätze, weil das auch immer wieder angesprochen worden ist; 76 000 Arbeitsplätze. Man muss als Allererstes feststellen, dass Sie ganz offensichtlich die Interessenvertreter des Strukturvertriebs der privaten Krankenassekuranz sind; vulgo: Drückerkolonnen. Die Hälfte dieser Arbeitsplätze liegen im Strukturvertrieb.

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das sind jetzt keine Menschen? – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Was haben Sie eigentlich für ein Menschenbild? Ich bin entsetzt!)

Das sind Menschen, die bis zu neun Monatsbeiträge erst einmal für sich selber kassieren. Sie wissen, dass dieses Geschäftsmodell nicht besonders schön ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Weiteres.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege.

Harald Weinberg (DIE LINKE):
Ja. Vielleicht noch zwei Sätze.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das sagen aber heute alle! – Gegenruf des Abg. Willi Zylajew [CDU/CSU]: Nein, ich war schneller!)

Mit der Absenkung der Beiträge, die unser Konzept beinhaltet, geht logischerweise eine Stärkung der Binnennachfrage einher.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Abstellen!)

Im Ergebnis werden mehr Arbeitsplätze geschaffen, als verloren gehen. Das muss man real sehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege.

Harald Weinberg (DIE LINKE):
Was Sie machen, ist nie gewerkschaftliche Position gewesen. Sie vertreten sozusagen den Heizer auf der E-Lok.

Ein Letztes. Den Menschen in diesem Lande sei gesagt: Lassen Sie sich nicht alles erzählen von denjenigen, die die Bürgerversicherung kaputtreden wollen nach dem Motto:

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Abstellen! Einfach abstellen!)

Wenn man es nur oft genug sagt, dann wird schon etwas hängen bleiben. – Das sind diejenigen, die von dem bisherigen System zu Unrecht profitieren und die Sie verunsichern wollen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege Weinberg.

Harald Weinberg (DIE LINKE):
Wer ein solidarisches Gesundheitswesen möchte, der wählt die Bürgerinnen-und-Bürger-Versicherung, und der wählt die Linke.

Vielen Dank.