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Liebe SPD, gut gemeint reicht nicht!

Rede von Martina Bunge,

Rede zu Protokoll zum Antrag der SPD Bundestagsdrucksache 17/10645 "Betroffenen Frauen nach dem Anti-D-Hilfegesetz zu mehr Verfahrenssicherheit und Transparenz verhelfen"

Sehr geehrte Damen und Herren,


zunächst einmal möchte ich mich bei der SPD bedanken, dass auch sie an diesem Thema dran bleibt und sich für Verbesserungen bei der Entschädigungspraxis der Frauen mit Hepatitis C aufgrund der Anti-D Prophylaxe einsetzt. Das Bemühen ist erkennbar und lobenswert und vielleicht ist der Antrag nur durch eine Art vorrauseilende Selbstbeschränkung so blutarm, um ihn mehrheitsfähig zu machen. Sie sehen, meine Hoffnung ist, dass dieser Antrag ein vorweggenommener Kompromiss sein soll. Stellt er allerdings die Forderungen der SPD in Reinkultur dar, dann hätte ich deutlich mehr erhofft.


Mir schwebte eigentlich eine fraktionsübergreifende Initiative vor, für deren Vorbereitung ich unter anderem den wissenschaftlichen Dienst um eine Auskunft über die Einflussnahme auf die Versorgungsmedizin-Verordnung gebeten habe. Mir geht es um konkrete Verbesserungen für diese Frauen. Dazu sollten sich alle Fraktionen auf konkrete Schritte einigen, damit endlich etwas auf den Weg kommt. Dafür ist es immer noch nicht zu spät. Und vielleicht können wir gemeinsam mehr erreichen, als das, was uns nun als Antrag vorliegt.


Vielleicht wäre aber auch eine Einigung zwischen den Fraktionen ähnlich ausgefallen, wie dieser Antrag. Ich wäre enttäuscht gewesen, aber ich hätte es als Kompromiss mitgetragen, so wie meine Fraktion das Anliegen dieses Antrages trägt und ihn trotz seiner Schwächen wohlwollend betrachtet. Lassen Sie mich darlegen, warum ich von diesem Antrag enttäuscht bin.


Dieser Antrag bleibt sehr vage. Er bekundet zumindest teilweise, dass die Probleme - wahr- und ernstgenommen werden. Aber im Grunde bleibt er dabei stehen, die Bundesregierung aufzufordern, sich gegenüber dem Beirat zur Versorgungsmedizin-Verordnung einzusetzen, sich gegenüber den Ländern einzusetzen, Berichte vorzulegen etc. – aber der Antrag bleibt jegliche greifbare oder gesetzliche Verbesserung für die betroffenen Frauen schuldig. Dabei erinnern Sie z.B. selbst in Ihrer Feststellung daran, dass es längst einen Entschließungsantrag gab, der die Bundesregierung aufforderte, für die einheitliche Umsetzung des Anti-D Gesetzes in den Ländern zu sorgen. Hätte dies etwas genützt, bräuchten wir diesen hier vorliegenden Antrag nicht. Dies zeigt doch, dass solche Aufforderungen nicht ausreichen.


DIE LINKE fordert deutlich klarere und weitreichendere Verbesserungen für die Betroffenen der Anti-D Prophylaxe:


1. Die Anrechnung der Renten auf Sozialleistungen muss unterbleiben. Hier geht es um Entschädigungsleistungen. Warum sollte jemand mit Anspruch auf Sozialleistungen geringer entschädigt werden, als jemand ohne solche Ansprüche?


2. Die Forderung, die Gutachter zu schulen, nimmt sich für mich etwas weltfremd an. Die Sachverständigen haben deutlich gemacht, dass die Beurteilung der Folgeschäden allein durch entsprechende Spezialisten erfolgen muss. Ich denke eine Schulung macht aus einem Allgemeinarzt noch keinen Hepatologen. DIE LINKE fordert daher, dass die Begutachtung allein durch Fachärzte, wie Hepatologen evtl. Internisten, vorgenommen wird.


3. Es muss dringend eine Anerkennung der Folgen der Therapien stattfinden. Während die Medizin-Versorgungsverordnung lediglich und, wie wir alle wissen, unzureichend auf die Folgen der Hepatitis eingeht, leiden die Frauen auch an den Folgen der Therapien. Die negativen Folgen der Therapien, sind aber ebenso Folge der Anti-D Prophylaxe, wie die Hepatitis selbst.


4. Den Frauen, die 30 Jahre an den Folgen dieser Anti-D Prophylaxe physisch und psychisch gelitten haben, sollte man die Möglichkeit zu Verschlechterungsanträgen geben, aber die Leistungen bei Verbesserungen der Erkrankung nicht niedriger festsetzen, entsprechend § 62 Absatz 3 BVG. Den Frauen würde damit endlich erspart, dauernd erneut ihre Ansprüche nachweisen zu müssen.


5. Die Versorgungsmedizin-Verordnung muss an die neuesten wissenschaftlichen Verhältnisse angepasst werden. Es liegt eine S3 Leitlinie zur Hepatitis C vor. Dies hat Eingang in die Versorgungsmedizin-Verordnung zu finden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann zudem nach § 1 BVG eine Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkennen, wenn die Anerkennung nicht erfolgt, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Meines Erachtens ist das BMAS hier in der Pflicht zu handeln.


6. Und zuletzt muss ich auf die Forderung in unserem Gesetzentwurf zu sprechen kommen. Wir haben diesen Entwurf nicht weiterverfolgt, weil es klar ersichtlich ist, dass er keine Mehrheiten im Parlament finden wird. Trotzdem bleibt das Ziel unseres Gesetzentwurfs berechtigt. Diesen Frauen wurde großes Unrecht angetan, sie wurden mit verseuchtem Blut behandelt. Letztlich sollten sie für alle Symptome, die nicht nur wahrscheinlich, sondern allein geeignet sind, durch eine Hepatitis C entstanden zu sein, eine Entschädigung erhalten. Die Frauen sollten nur ihre Symptome nachweisen müssen und die zuständigen Stellen der Landesregierungen, müssen nachweisen, dass diese Symptome nicht durch eine Hepatitis C entstanden sein können. Solange dies nicht erfolgt, erhalten die Frauen entsprechend ihrer Schädigungen ihre Rente. Wir erleben eine gnadenlose Verzögerungstaktik seitens der zuständigen Ämter und Gerichte. Die Justiz und der Amtsschimmel der Länder brauchen teilweise Jahrzehnte, um Entscheidungen zu treffen. Die Frauen können das nicht beschleunigen – die Landesregierungen sehr wohl. Warum soll die Zeit gegen die geschädigten Frauen laufen? Einige Frauen haben erst nach mehr als 10 Jahren Gerichtsverhandlungen ihre Ansprüche durchsetzen können. Dies muss beendet werden.


Alles in Allem hätte dieser Antrag das eher klägliche Ergebnis eines Kompromisses sein können. Leider bleibt er weit hinter dem zurück, was getan werden müsste. Ich würde mich freuen, wenn durch eine fraktionsübergreifende Initiative, die ich gerne anstoßen möchte, mehr herauskäme.