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Liberalisierung der Post: Wettbewerb als neuer Heilsglauben

Rede von Herbert Schui,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die vollständige Liberalisierung der Briefpost bis 2008 wird mit mehr Wettbewerb begründet. Die allgemeine Parole lautet: Wettbewerb ist einfach immer gut. Ich glaube, dass wir demnächst gemeinsam den Cantus „Im Markt ist Wahrheit nur allein“ anstimmen werden. Wir werden dann dem Wettbewerb als neuem Heilsglauben huldigen. Markt und Wettbewerb sind ein Heilsplan für die Menschheit. Jedenfalls fehlt allen Plänen eine rationale Begründung. Es handelt sich lediglich um eine Deduktion aus drei Glaubenssätzen; das war’s.
(Beifall bei der LINKEN)
Staatsmonopolisten auflösen, das hört sich immer ganz gut an. Das klingt nach antimonopolistischem Kampf. Dabei könnte es einem als Linken warm ums Herz werden.
(Dr. Rainer Wend [SPD]: Das erinnert an un-sere Jugend!)
- Stimmt, wir beide waren in unserer Jugend entsprechend aktiv.
(Heiterkeit bei der LINKEN und der SPD)
Es geht aber um die Ziele. Es wird erwartet, dass die Bedarfsdeckung durch Wettbewerb und Markt optimal ist und dass dann alles in bester Ordnung ist. Aber welches ist das eigentliche Ergebnis der bisherigen Liberalisierung im Postbereich? Von 1999 bis 2005 hat die alte Post 34 000 Menschen weniger beschäftigt. Die privaten Konkurrenten beschäftigen 12 000 mehr. Das macht einen negativen Saldo von 22 000.
(Zuruf von der FDP)
- Nein, es ist schlechter geworden. - 2006 gab es 10 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in diesem Gesamtbereich, die ihre Einkommen durch ALG II aufstocken mussten. Das ist eine deutliche Verschlechterung der Einkommenslage.
Die gesamten Leistungen dieses so modernisierten, liberalisierten Postbereichs sind erheblich schlechter geworden. Es fehlen Poststellen und Briefkästen. Zudem sind die Leerungszeiten nicht mehr so günstig wie zuvor. Die Preise dagegen haben sich im Rahmen dieses sogenannten Wettbewerbs und dieser Liberalisierung erheblich erhöht. Die Preise für die Paketbeförderung zum Beispiel sind von 2000 bis 2006 um ein Viertel gestiegen. Wo sind denn nun eigentlich die Früchte Ihres Wettbewerbs geblieben?
(Beifall bei der LINKEN)
Sie bleiben bei den Managergehältern sowie den Gewinnen und den ausgezahlten Dividenden, je nachdem, wie das Unternehmen aufgestellt ist. Mehr ist nicht zu erwarten.
Die Befreiung der Post von der Mehrwertsteuer ist eine vernünftige Regelung, soweit aufgrund des 19-Prozent-Vorteils sichergestellt wird, dass wir eine flächendeckende Versorgung mit Postdienst-leistungen haben, und zwar auch dort, wo die Privaten aus Renditeerwägungen nicht tätig werden. Das ist eine gute Idee. Die entscheidende Frage ist aber, wer das kontrolliert. Es könnte sein, dass das Großunternehmen Post aufgrund der Besserstellung bei den Kosten die zusätzlichen Einnahmen dazu verwendet, Postzustellungsunternehmen in anderen Ländern aufzukaufen. Dann hätten wir eine sogenannte Zerschlagung der Monopole, aber auch mehr nationale bzw. internationale Konzentration. Also ist es erforderlich, dass kontrolliert wird, ob die Post tatsächlich den Verpflichtungen nachkommt, die sie aufgrund der Befreiung von der Mehrwertsteuer hat. Wenn das nicht der Fall ist, gibt es für mich nur eine Lösung, nämlich die Post wieder in öffentliches Eigentum zu überführen,
(Dr. Rainer Wend [SPD]: Dafür hat er vier Minuten gebraucht!)
damit sie kontrolliert ihre Aufgaben wahrnehmen kann.
(Zuruf von der CDU/CSU: Volkseigener Betrieb!)
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)