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Kulturpolitik in den ländlichen Räumen braucht ein ressortübergreifendes Handlungskonzept

Rede von Sigrid Hupach,

Der Titel Ihres Antrags, „Zukunftsweisende Kulturpolitik im demografischen Wandel – Stärkung der Kultur im ländlichen Raum“, verspricht viel, hält aber wenig. Wir werden dem Antrag auch nach der Debatte im Ausschuss deshalb nicht zustimmen. Grund dafür ist keineswegs, dass wir nicht für eine bessere Kulturpolitik in den ländlichen Räumen sind. Im Gegenteil: Gerade weil wir überzeugt sind, dass hierfür ein ressortübergreifendes Handlungskonzept nötig ist, greift Ihr Antrag unseres Erachtens viel zu kurz.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine zukunftsweisende Politik, wie Sie es formulieren, muss grundsätzlich anders ansetzen. Ihre ausführliche Beschreibung im Feststellungsteil liefert dafür sogar eine gute Begründung – auch für die Aufhebung des Kooperationsverbotes und die Definition einer Gemeinschaftsaufgabe „Kultur“. Umso mehr ist es zu bedauern, dass Sie dann nicht den Mut haben, eine nachhaltige kulturpolitische Strategie zu entwickeln, und bei Ihren Forderungen unkonkret und kleinteilig bleiben und alles unter Haushaltsvorbehalt stellen.

Auf eine Ihrer Forderungen möchte ich hier eingehen. Sie erwarten im Rahmen der Demografiestrategie konkrete Handlungsempfehlungen. Wirft man dazu aber einen Blick in die grundlegenden Papiere der Bundesregierung, so findet man leider nichts, was unter kulturpolitischen Aspekten Mut macht. Der Innenminister hat im Januar 2015 das Papier „Grundsätze und Schritte zur Weiterentwicklung der Demografiepolitik der Bundesregierung“ vorgelegt. Darin kommt Kultur nur im Zusammenhang mit einer Willkommens- und Anerkennungskultur vor. Das ist wichtig, ja, das Thema erschöpft sich aber nicht in der Benutzung der Menschen als internationale Fachkräfte. Auch die Einteilung der Menschen, die in Not sind und gegenwärtig bei uns Schutz suchen, in solche, die für unseren Arbeitsmarkt qualifiziert sind, und solche, die es nicht sind, ist in keiner Weise zu akzeptieren.

Wir Linke sehen die Kulturpolitik in einer aktiven und wichtigen Rolle bei der Gestaltung des gesellschaftlichen Wandels und der aktuellen Herausforderungen. Wenn Ihr Antrag in diesem Sinne zur Sensibilisierung im Kabinett führt, dann wäre das ja schon ein erster Schritt.

Sie fordern in Ihrem Antrag die Prüfung von vielen Dingen. Warum handeln Sie nicht einfach? Eine Plattform der Förderprogramme und erfolgreichen Projekte einrichten und das Antragswesen vereinfachen – ja, das kann man machen, vielleicht sollte man das auch an manchen Stellen machen. Besser aber wäre es, man würde sich schon vor Auslobung des nächsten Programms und vor Start eines weiteren Pilotprojektes ressortübergreifend abstimmen und vor allem die Programme mit den Akteuren gemeinsam erarbeiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Das gilt erst recht für so komplizierte Angelegenheiten wie die kulturelle Bildung. Genau bei diesem übergreifenden Thema fordern Sie Initiativen innerhalb der einzelnen Ressorts. Sie wissen, wir haben das Programm „Kultur macht stark“ am Anfang mit sehr großer Skepsis begleitet. Mittlerweile ist aber deutlich geworden, dass dieses Programm im Bereich der kulturellen Bildung viel bewegt hat. Das liegt maßgeblich auch an der Professionalisierung der Beteiligten und der Begleitung durch die Programmpartner; denn sie sind diejenigen, die wissen, was gebraucht wird, wo der Schuh drückt und was vielleicht auch nicht funktioniert, gerade weil sie eng mit den Akteuren vor Ort zusammenarbeiten und mit ihnen verbunden sind. Warum wollen Sie diese Expertise nicht nutzen, um ein bestehendes Programm weiterzuentwickeln, statt wieder ein neues zu testen?

Sie wollen die Kultur- und Kreativwirtschaft in den ländlichen Räumen verstärken. Nein, Sie wollen erst einmal prüfen, ob das geht. Zeitgleich schaffen Sie ab dem kommenden Jahr die Regionalbüros des Kompetenzzentrums ab.

Unter Punkt 10 nehmen Sie Bezug auf eine freie, zeitgenössische und darstellende Kunst und Kultur – vor dem Hintergrund interkultureller Herausforderungen. Aber auch hier braucht es eine verlässliche und langfristig gesicherte Förderung struktureller Art. Ich hoffe sehr, dass Ihre Prüfung zu einer Veränderung des aktuellen Haushaltstitels bei den Einzelprojekten im Bereich Tanz und Theater führt. Hier stehen wir nämlich vor einer Kürzung der Mittel um zwei Drittel.

Statt bestimmter Einzelprojekte brauchen die Menschen in den ländlichen Räumen ein übergreifendes, zwischen den politischen Ebenen abgestimmtes, verlässliches und ehrlich gemeintes Konzept. Dieses muss die Stärkung der kulturellen Infrastruktur ins Zentrum stellen. Nur dort kann dann die freie Szene andocken – oder das von Ihnen zu Recht gelobte ehrenamtliche Engagement. Es ist aber ein Trugschluss, zu glauben, dass das Ehrenamt die Lücken der öffentlichen Kulturförderung schließen könnte. Die Hauptverantwortung für die kulturelle Infrastruktur tragen die Kommunen. Sie müssen also entsprechend finanziell ausgestattet werden, dass sie die Kultur auch schützen und fördern können, wie es sich für einen Bereich der Daseinsvorsorge eigentlich gehört. Das Verfassungsziel, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, sollte hierfür der Maßstab sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kommunen brauchen Anreize und Beratung bei der Entwicklung von Kulturkonzepten und Entwicklungsplänen. Dabei hilft – das ist ein wichtiger Punkt in Ihrem Antrag – ganz sicher auch eine verstärkte Kulturpolitikforschung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, im Ziel sind wir uns einig und auch in Ihrer Analyse. Wir stimmen trotzdem Ihrem Antrag heute nicht zu, weil wir ihn für zu oberflächlich und nicht zielführend halten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)