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Kultur als Investition in die Zukunft

Rede von Lukrezia Jochimsen,

Kultur sei eine Investition in die Zukunft. Gestern hat der Finanzminister von diesem Pult aus verkündet, alle zurückfließenden Milliarden müssten um unserer Kinder und deren Zukunft willen zum Abbau unserer staatlichen Schuldenlast verwandt werden. Das ist ein richtiger Satz. Trotzdem kann ich ihn nicht mehr hören, wenn ich bedenke, was den Kindern dadurch in zunehmendem Maße in unserem Land vorenthalten wird:

wahrhafte Teilhabe und Teilnahme an der großartigen, vielfältigen Kultur unseres Landes. Die kulturellen Defizite der Kinder und Jugendlichen sind beängstigend; alle Untersuchungen bestätigen dies. Dem muss endlich etwas entgegengesetzt werden.

Deshalb mein Vorschlag: Nehmen Sie 1 Milliarde Euro aus den zurückfließenden Geldern und setzen Sie ein Programm „Kultur für Kinder“ auf, so wie die Vorgängerregierung dies für Ganztagsschulen getan hat.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zunächst herzlichen Dank, Herr Staatsminister, dass Sie die Gelegenheit hier genutzt haben, auf die Vorfälle und Vorgänge anlässlich des Kunstfestes in Weimar einzugehen. Allerdings muss ich sagen: In der Weise, wie Sie das getan haben, ist genauso wenig Klärung herbeigeführt worden wie durch Ihr Bedauern, das Sie nach den Äußerungen und der Entschuldigung von Herrn Professor Schäfer zum Ausdruck gebracht haben. Wieder mussten wir hören, dass vor allen Dingen bedauert wird, dass Überlebende des Holocaust durch Äußerungen, wie sie Herr Professor Schäfer gemacht hat, verletzt wurden. Sie haben kein Wort zum Grundsatzthema „Gedächtnis Buchenwald“ gesagt,

(Widerspruch bei der CDU/CSU - Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Doch, hat er gesagt! Er hat zur Erinnerungskultur Stellung genommen! Ganz deutlich!)

gegen das Herr Professor Schäfer in Weimar angeredet hat. Für das Verfehlen, nicht darauf eingegangen zu sein, hat er sich bisher nicht entschuldigt.

(Beifall bei der LINKEN - Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Lesen Sie die Rede des Staatsministers noch einmal nach! Das ist unzutreffend!)

Ich möchte an dieser Stelle deutlich klarstellen: Auch wenn auf dieser skandalösen Veranstaltung in Weimar kein einziger Überlebender anwesend gewesen wäre, wäre die Rede von Professor Schäfer genauso provozierend und nicht hinnehmbar gewesen, wie sie es war.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In einigen Jahren werden wir die Situation haben, dass leider niemand mehr da ist, der zu den Überlebenden zählt. Deswegen ist es so wichtig, uns mit dem Thema „Gedächtnis Buchenwald“ auseinander zu setzen und uns auch dann zu entschuldigen, wenn wir gegen das Gedenken an Buchenwald verstoßen, und nicht nur dann, wenn wir Menschen, die betroffen sind, verletzen. Darum geht es.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Entschuldigung von Herrn Professor Schäfer, die Worte des Staatsministers bisher und eben zu diesem Thema waren dem nicht angemessen.

(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Sie waren ausgewogen und gut! - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die Worte des Staatsministers waren untadelig!)

Jetzt möchte ich mich mit dem Kulturetat und den Kulturinvestitionen auseinander setzen. Kultur sei eine Investition in die Zukunft. Von diesem Grundsatz der Bundeskanzlerin, die leider nicht mehr da ist

(Zurufe von der CDU/CSU: Doch! - Sie sitzt da hinten!)

- ach, da ist sie -, ausgehend, den der Staatsminister gerade wiederholt hat, möchte ich die Haushaltsdebatte nutzen, um Regierung und Parlament

(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Zu danken!)

einen Kulturinvestitionsvorschlag zu machen, der bitter notwendig ist.
Gestern hat der Finanzminister von diesem Pult aus verkündet, alle zurückfließenden Milliarden müssten um unserer Kinder und deren Zukunft willen zum Abbau unserer staatlichen Schuldenlast verwandt werden. Das ist ein richtiger Satz. Trotzdem kann ich ihn nicht mehr hören, wenn ich bedenke, was den Kindern dadurch in zunehmendem Maße in unserem Land vorenthalten wird:

(Beifall bei der LINKEN)

wahrhafte Teilhabe und Teilnahme an der großartigen, vielfältigen Kultur unseres Landes. Die kulturellen Defizite der Kinder und Jugendlichen sind beängstigend; alle Untersuchungen bestätigen dies. Dem muss endlich etwas entgegengesetzt werden.
Deshalb mein Vorschlag: Nehmen Sie 1 Milliarde Euro aus den zurückfließenden Geldern

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Was sind zurückfließende Gelder?)

und setzen Sie ein Programm „Kultur für Kinder“ auf,

(Beifall bei der LINKEN)

so wie die Vorgängerregierung dies für Ganztagsschulen getan hat.

Geben Sie den Kindern, die zu Hause keine Bücher, keine Möglichkeiten zum Musizieren und Gestalten haben, die Chance, in ihrem unmittelbaren Umfeld Musik- und Malschulen, Theater- und Tanzgruppen zu finden, ebenso wie Bibliotheken mit Lesezirkeln und -wettbewerben, Film-, Video- und Computerclubs unter kreativer Anleitung, Museen als ständige Erfahrungsorte und Kunsthandwerksstätten.

(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: In Berlin haben wir das bereits!)

- „In Berlin haben wir das“; der Einwurf kommt sehr zu Recht.
Kultur für Kinder überall und überall in gleichen Maßen - auf dem Land, in den Städten und in den Problemvierteln: Darum geht es.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist allerdings nicht Aufgabe des Bundeshaushalts, Frau Kollegin!)

Dort, wo es das gibt - wie in Berlin, Frau Kollegin -, muss es erhalten bleiben; wo es immer weniger wird - wie in Thüringen zum Beispiel -, muss es wiederhergestellt werden; wo es fehlt - das ist vielerorts in unserem Land der Fall -, muss es endlich eingerichtet werden.

(Beifall bei der LINKEN - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was hat das mit dem Bundeshaushalt zu tun?)

Das wäre eine Investition in die Zukunft.
Verweisen Sie jetzt bitte nicht auf die Kulturhoheit der Länder.

(Zuruf von der SPD: Doch! - Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das gehört dazu!)

Die Landesregierung möchte ich nämlich sehen, die da Geld vom Bund ablehnt.

(Widerspruch bei der CDU/CSU - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Nur ein kleiner Verfassungsbruch, Frau Jochimsen!)

Die Eltern und die Kinder werden das nicht mitmachen;

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ein süßer kleiner Verfassungsbruch! - Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Populistische Märchenstunde!)

die Wählerinnen und Wähler werden das nicht mitmachen. Sie werden es einfordern.

(Beifall bei der LINKEN - Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das geht an der Wirklichkeit vorbei!)

Denken Sie auch daran, dass Sie damit Arbeit schaffen würden, kostbare, kreative Arbeit. So viele junge qualifizierte Fachleute für Musik, Theater, bildende Kunst, Film, Kunsthandwerk warten auf Aufgaben und die Chance, mit ihrem Können auch ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Frau Kollegin Jochimsen, die Debatte darüber müssen wir in die Ausschüsse verweisen. Sie müssen zum Schluss kommen.

Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE):
Ein Programm für Kinder, Jugendliche und junge kreative Frauen und Männer wäre ein nationales Signal, das unser Land als wahre moderne Kulturnation auszeichnen würde.
Zum Schluss folgender Satz:
Man kann mit Politik keine Kultur machen, aber vielleicht mit Kultur Politik.
Erinnert sich noch jemand, wer das gesagt hat? - Es war Theodor Heuss, der erste Bundespräsident. Das wäre auch eine Verpflichtung für uns heute.
Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Otto Fricke [FDP]: Das war das einzig Liberale an der Rede!)