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Kürzungen für Bedürftige und Opfer verhindern

Rede von Jens Petermann,

191. Sitzung des Deutschen Bundestages, 13. September 2012
Haushaltsdebatte: Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz und Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht
Drucksache 17/10200

Jens Petermann für die Fraktion DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Justiz gilt gemeinhin als ein sehr trockenes Thema. Dass dem nicht immer so ist, zeigt die heute doch lebendige Haushaltsdebatte. In dieser Debatte sollten wir uns mit der Frage befassen, ob die geplanten Gelder ausreichen, ob es Einsparmöglichkeiten gibt oder umverteilt werden muss.
Nach meinem Verständnis muss es dabei um die Stärkung der Justiz und die Garantie der Rechtsschutzmöglichkeiten für die Bevölkerung gehen. Ob das immer auch Ziel des FDP-geführten Justizministeriums ist, bezweifle ich, Frau Ministerin. Lassen Sie mich das an zwei Beispielen erläutern.
Mit dem Referentenentwurf zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts verfolgten Sie offensichtlich das Ziel, Einsparungen bei den Ausgaben für Prozesskosten- und Beratungshilfe zu erzielen. Diese Hilfe nehmen Menschen in Anspruch, die mit ihrem kärglichen Einkommen kaum über die Runden kommen und sich die Kosten eines Gerichtsverfahrens nicht leisten können. Es sind vor allem Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen nach dem SGB II betroffen. Durch die unsägliche, handwerklich schlechte Hartz-IV-Gesetzgebung, aber auch die mangelhafte personelle Ausstattung und Kompetenz der leistungserbringenden Jobcenter der Name ist übrigens eine Farce, weil die Leute dort keine Jobs, sondern nur ein Bürokratiemonster vorfinden werden rechtswidrige Bescheide am Fließband produziert.
Ich kann Ihnen aus meiner langjährigen Erfahrung als Sozialrichter bestätigen, dass über die Hälfte der Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide erfolgreich ist. Wenn die ohnehin zum Leben zu wenigen 374 Euro noch gekürzt werden, benötigen die Betroffenen für eine anwaltliche Vertretung Prozesskostenhilfe.
                                                     (Beifall bei der LINKEN)
Selbst 5 Euro mehr im Portemonnaie sind für sie viel Geld. Allein am Sozialgericht Berlin sind 2011 über 30 000 Klagen eingegangen, und trotz steigender Klagezahlen sind die Erfolgsquoten nicht gesunken.
Um dieses strukturelle Problem zu lösen, brauchen wir nicht weniger Prozesskostenhilfe, sondern bessere Regeln, mehr qualifiziertes Personal in den Jobcentern und hier und da sicherlich auch mehr Richterstellen. Leider werden die Länder vom Bund alleingelassen. Sie verfolgen aber eine andere Zielrichtung: je weniger Prozesskostenhilfe, desto weniger Klagen und Verfahren vor den Sozialgerichten und desto weniger Personalbedarf bei den überlasteten Gerichten. Da spielen wir nicht mit.
Zweites Beispiel auch davon war schon die Rede ist die Einführung einer Querulantengebühr beim Bundesverfassungsgericht. Dazu habe ich aber gerade zur Kenntnis nehmen dürfen darüber sind wir sehr froh , dass Sie dies genauso ablehnen wie wir.
Die Verabschiedung verfassungsrechtlich bedenklicher Gesetze ist ja in der Koalition ein Dauerthema. Davon ist heute schon gesprochen worden. Sie sorgen so für einen übervollen Terminkalender bei den Richterinnen und Richter in Karlsruhe. Lange Verfahrenslaufzeiten sind damit vorprogrammiert. Auch deshalb fordern die Verfassungsrichter eine Querulantengebühr von bis zu 5 000 Euro. Nebenbei bemerkt ist diese Forderung nicht ganz einleuchtend, da bereits nach geltendem Recht eine Missbrauchsgebühr bei sinnlosen Beschwerden verhängt werden kann.
Dennoch bleibt den Bürgerinnen und Bürgern zur Wahrnehmung ihrer elementaren Bürgerrechte oft nur der Gang nach Karlsruhe übrig. Man sollte darum durchaus über die Schaffung eines dritten Senats beim Bundesverfassungsgericht nachdenken.
                                                     (Beifall bei der LINKEN)

Eine personell und materiell gut ausgestattete Justiz muss letztlich im Rechtsstaat genauso selbstverständlich sein wie eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz. Die Einführung der Selbstverwaltung der Justiz ist auch nach Auffassung aller Richterverbände längst überfällig; denn nur die Richterinnen und Richter sowie die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, also die Praktiker vor Ort, wissen, welche Ressourcen für eine ordnungsgemäße Aufgabenerledigung erforderlich sind. Dazu hört man aus Ihrem Haus leider noch nicht einmal leise Töne.
Dass die Gerichtsbarkeit nicht Ihr Steckenpferd ist, zeigen Sie auch bei der längst überfälligen Änderung des § 80 Abs. 2 der Wehrdisziplinarordnung. Mit dieser Norm, die Sie in der letzten Legislaturperiode von den harten Oppositionsbänken aus noch heftig kritisiert haben, Frau Ministerin, erlauben Sie dem Verteidigungsminister, sich in die Besetzung des Wehrdisziplinarsenats beim Bundesverwaltungsgericht einzumischen. Wenn die Bundesregierung auf die Geschäftsverteilung eines oberen Bundesgerichts Einfluss nimmt, so ist dies nicht nur in meinen Augen ein eklatanter Verstoß gegen das Gebot der Gewaltenteilung. Sie haben sich leider nicht einmal dafür eingesetzt, dass der von meiner Fraktion eingebrachte Entwurf eines Gesetzes, das dies ändern soll, im Rechtsausschuss behandelt wird.
An anderer Stelle hingegen sind Sie, Frau Ministerin, und meine Fraktion sich anscheinend näher als Sie Ihrem eigenen Haushaltsentwurf. Immer wieder fordern Sie völlig zu Recht zivilgesellschaftliches Engagement gegen rechts. Wir begrüßen, dass Sie für 2012 unserem Vorschlag gefolgt sind und 50 000 Euro für die Öffentlichkeitsarbeit zur Aufklärung über den Härtefallfonds für Opfer von extremistischen Übergriffen in den Haushalt einstellten. Wie lässt sich das aber damit vereinbaren, dass Sie im nächsten Haushalt eine Kürzung bei den Härteleistungen es handelt sich fast um eine Halbierung planen? Offensichtlich war Ihre Aufklärungsarbeit nicht erfolgreich. Hier müssen Sie ansetzen.
Dass die Regierung das Problem gewaltbereiter und gewaltausübender Rechtsextremisten trotz NSU-Skandal nicht im Griff hat, zeigen die weiterhin sehr hohen aktuellen Opferzahlen. Die Opfer gibt es. Allerdings wissen immer noch zu wenige von ihnen, dass sie Entschädigungsleistungen bekommen können. An dieser Stelle zu sparen, ist unredlich. Deshalb: Stellen Sie weiterhin 1 Million Euro für alle Härteleistungen ein, und verbessern Sie die Informationsarbeit!
Frau Ministerin, nutzen Sie die Zielgerade dieser Legislaturperiode, um vielleicht doch noch den einen oder anderen Beitrag zur Stärkung des Rechtsstaates zu leisten! Sie haben demnächst dazu Gelegenheit, wenn meine Fraktion den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gewaltenteilung und der Selbstverwaltung der Justiz vorlegt.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

                                                   (Beifall bei der LINKEN)