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"Kriegsverräter" verdienen unseren größten Respekt

Rede von Jan Korte,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Eine Frage, Herr Gehb, müssen Sie schon beantworten, wie Sie nämlich den Widerstand des 20. Juli 1944 einschätzen. Das müssen Sie uns einmal darlegen.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute treffen wir eine wichtige Entscheidung. Ich freue mich ganz besonders, dass Ludwig Baumann als Vorsitzender der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz heute bei uns im Plenum ist. Herzlich willkommen, Ludwig Baumann.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch wenn ich dazu ein wenig Lust verspüre, will ich nicht darüber sprechen, was hier in den letzten drei Jahren gesagt und wie diskutiert wurde. Ich will auch nicht darüber reden man kann hier eine andere Position haben was aus parteitaktischen Erwägungen in den letzten drei Jahren abgelaufen ist. Ich will auch nicht näher darauf eingehen, dass es schon relativ absurd ist, dass ausgerechnet der Name derjenigen Fraktion, die dieses Thema seit dreieinhalb Jahren vorangebracht hat, nicht auf diesem Antrag steht. Aber geschenkt! Wir stimmen auf jeden Fall zu; das haben wir immer gesagt. Uns geht es um die Sache. Deswegen werden wir heute natürlich allen Anträgen zustimmen, in denen eine pauschale Rehabilitierung vorgesehen ist.
(Beifall bei der LINKEN)

Es geht um zwei Dinge. Zum einen geht es darum, für die Angehörigen das Zeichen zu setzen, dass ihre Väter und Großväter keine Kriminellen gewesen sind, sondern dass sie Opfer einer durch und durch willkürlichen Nazi-Militärjustiz geworden sind, die Teil des gesetzlichen Unrechts war. Die Militärjustiz ist von dem NS-Terrorregime nicht trennbar. Das ist der Kern der politischen Auseinandersetzung.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum anderen haben wir es hier mit Bestimmungen in der Fassung von 1934 zu tun. Spätestens da muss man hellhörig werden und sich diese Bestimmung, über die wir hier diskutieren, anschauen. Die Fassung von 1934 beinhaltet eben kein Recht, wie es das in anderen Ländern gegeben hat, sodass sie heute als gültiger Bezugspunkt gelten könnte. Genau damit haben wir es nicht zu tun, sondern der Kriegsverrat war zentrales Terrorinstrument zur Aufrechterhaltung der Disziplin in der Wehrmacht. Er war Teil des gesetzlichen Unrechts. Eine Abtrennung ist nicht möglich.

Fritz Bauer, der hessische Generalstaatsanwalt, hat damals im Zusammenhang mit den Verunglimpfungen gegen die Widerständler des 20. Juni, die wir jedes Jahr ehren, Folgendes gesagt:
„Ein Unrechtsstaat wie das Dritte Reich ist überhaupt nicht hochverratsfähig.“
Das ist der Kern der Auseinandersetzung. Was, bitte, ist an einem Angriffs- und Vernichtungskrieg verratswürdig? Jeder, der diesen Krieg verraten hat, verdient unseren größten Respekt, um das ganz klar zu sagen. Darum geht es heute.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte sagen, dass wir heute keine Regelung erreicht hätten, wenn es darüber keine gesellschaftliche Debatte gegeben hätte. Sie alle wissen, die Debatten der letzten 60 Jahre über die Rolle der Wehrmacht und über den NS-Justizapparat waren heftige Debatten. Deswegen freue ich mich, dass heute alle Fraktionen diesem Antrag zustimmen werden; denn er bedeutet das finde ich in der Tat auch auf Seiten der Union politisch bemerkenswert; das gebe ich gerne zu das Ende eines Denkens: „Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein.“ Der heutige Antrag bedeutet das Ende dieses Denkens. Es freut mich, dass alle Fraktionen zustimmen werden. Wenn es andere Positionen gibt, die auch deutlich geäußert wurden, ist das in Ordnung. Was ich nicht verstehen konnte, ist, wie hier herumgeeiert und herumtaktiert wurde, anstatt sich mit der Sache auseinanderzusetzen. Das bedauere ich sehr.
(Beifall bei der LINKEN)

Trotzdem glaube ich, dass wir heute eine wichtige Entscheidung treffen. Auch ich bedanke mich bei Christine Lambrecht und Wolfgang Wieland für den gemeinsam eingebrachten Gruppenantrag. Der Antrag, den die Linke eingebracht hat, wurde zwar inhaltlich von allen geteilt, aber es bestand eben das Problem der Einbringer. Deswegen haben wir einen Gruppenantrag gemacht. Danach hat dann auch die CDU/CSU-Fraktion und die gesamte SPD-Fraktion diesem Anliegen stattgegeben. Das ist eine wichtige Entscheidung und würdigt ein Stück weit das Kämpfen und Streiten von Leuten wie Ludwig Baumann in den letzten Jahrzehnten der Bundesrepublik.

Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)