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"Kriegsverräter" endlich rehabilitieren

Rede von Jan Korte,

“Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Grund, aus dem wir heute hier diskutieren, ist der, dass bereits vor drei Jahren ein Gesetzentwurf zur Rehabilitierung sogenannter Kriegsverräter von uns in den Bundestag eingebracht wurde. Dies ist eine Opfergruppe, die bis heute nicht rehabilitiert wurde und die Hunderte, wenn nicht gar Tausende Opfer der Nazijustiz umfasst. Wir wollen sie rehabilitieren. Grund für diese Debatte ist, dass wir seit drei Jahren keine Beschlussempfehlung des federführenden Rechtsausschusses bekommen, und das, obwohl wir eine Anhörung des Rechtsausschusses durchgeführt haben, der Wissenschaftliche Dienst ein Gutachten vorgelegt hat, es diverse Gutachten und Stellungnahmen von Wissenschaftlern gegeben hat und wir zuletzt sogar ein, wie ich finde, sehr aufschlussreiches Gutachten von Hans Hugo Klein, Mitglied der CDU und Bundesverfassungsrichter a. D., das vom BMJ in Auftrag gegeben wurde, bekommen haben.

Wir wollen uns heute damit beschäftigen, warum die Rehabilitierung in diesem Hause nicht zustande kommt. Denn das ist entscheidend es gibt bis in die Reihen der CDU eine übergroße Mehrheit für diese Rehabilitierung. In diesem Jahr jährt sich zum siebzigsten Mal der Beginn des Zweiten Weltkrieges. Wir von der Linken sagen: Die Rehabilitierung muss noch in dieser Legislaturperiode geschehen. Wir sind weiter zu aller Kooperation bereit, die dazu führt, dass wir das erreichen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Klaus Uwe Benneter (SPD))

Hans Hugo Klein hat in seinem Gutachten Folgendes zu den Kriegsverratsbestimmungen geschrieben: Sie verstießen fundamental „gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsprinzip” und waren Grundlage für „in die äußere Form von Gerichtsurteilen gekleideten Tötungsverbrechen”. Sie hatten nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun. Der Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung schreibt dazu: In diesem Fall stehen die bislang vorgebrachten Sachargumente einer entsprechenden Gesetzesänderung nicht entgegen, sodass es von hier aus keine Vorbehalte dagegen gibt. Dies habe ich dem Kollegen Geis mit Schreiben vom 17. März 2009 mitgeteilt.

Ebenso dafür sind das konnte man heute nachlesen Joachim Gauck, Bischof Huber, die EKD, Pax Christi, Richtervereinigungen, vor allem Opfergruppen und nun auch das ist sehr erfreulich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands; denn besonders viele Opfer unter den Kriegsverrätern waren Sozialdemokraten, die unter den Fallbeilen der Nazijustiz zu Tode gekommen sind.
Ich glaube, dass es bis in die CDU hinein Franz Josef Jung ist Mitglied der CDU Unterstützung dafür gibt. Allerdings müssten Sie, Herr Gehb, einmal erklären, wie Sie zu den Aussagen Ihres Kollegen Geis stehen. In der FR wird zitiert:
Darüber hinaus sei ‘eine solche pauschale Aufhebung unerträglich für ihn’,
also Geis
‘weil damit die Arbeit von Juristen in der NS-Zeit pauschal verunglimpft würde.’
Weiter lässt er sich zitieren:
‘Alle Urteile würden damit zu Unrechtsurteilen.’

Wenn irgendetwas Unrecht gewesen ist, dann doch das. Darüber gibt es in der Wissenschaft, der Publizistik und, ich glaube, auch hier im Bundestag nach so vielen Jahren und Jahrzehnten des Kampfes keinen Dissens mehr.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich frage mich, wie lange solche Positionen hier noch vorgetragen werden dürfen und wie lange der Versuch gemacht werden soll, die Nazijustiz vom Nationalsozialismus abzutrennen. Es kann hier keine Trennung geben. Die Nazijustiz und in besonderer Weise die Nazimilitärjustiz waren substanzieller Bestandteil des nationalsozialistischen Terror- und Willkürregimes.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es gibt keine Anhaltspunkte, die dagegensprechen.

In diesem Sinne erinnern wir uns daran, dass auch die Rehabilitierung der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 bitter erkämpft werden musste. Wir erinnern uns an den Sozialdemokraten Fritz Bauer, den hessischen Generalstaatsanwalt, der im Remer-Prozess maßgeblich dafür gesorgt hat. Er endete damals sein Schlussplädoyer, indem er mit Blick auf den 20. Juli sagte: „Unrecht kennt keinen Verrat.” Was, bitte schön, soll daran Unrecht sein, wenn man einen der barbarischsten Vernichtungs- und Angriffskriege in der Geschichte der Menschheit verrät? Das müssen Sie erklären.

Es wäre schön, wenn wir heute, fast 70 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, diese letzte Opfergruppe rehabilitieren würden. Damit würden wir deutlich machen, dass diese Personen in unserem Sinne gehandelt haben. Denn jeder Verrat trug dazu bei, dass Auschwitz, die industrielle Massenvernichtung nicht länger laufen konnten. Jeder Verrat führte dazu, dass die Dauer dieses Krieges, der jeden Tag Tausende oder teilweise sogar Millionen von Opfern gefordert hat, verkürzt wurde.
Ich würde mich sehr freuen, wenn in dieser Legislaturperiode endlich die erforderliche parlamentarische Mehrheit, die es in diesem Hause gibt, zustandekommen würde, damit wir den Angehörigen der Opfer das Zeichen geben könnten, dass ihre Väter und Großväter nicht vorbestraft sind, sondern unseren Respekt haben.

Schönen Dank.”
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)