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Krankenversicherung für Selbständige bezahlbar gestalten

Rede von Frank Spieth,

Frank Spieth, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, zum eigenen Antrag

Die Rede ging zu Protokoll

Anrede,

„Alle Menschen werden krankenversichert“ ließ die Bundesregierung 2007 republikweit plakatieren. Ein ehrgeiziges Ziel, ein richtiges Ziel! Aber daran muss sich die Bundesregierung auch messen lassen.

Werden alle Menschen krankenversichert? Nein! Es gibt etwa eine Million papierlose Flüchtlinge - manche nennen sie „Illegale“ - die in aller Regel keine Absicherung im Krankheitsfall haben. Das haben wir schon mehrfach in Anfragen thematisiert und die Bundesregierung hat abgewunken.

Aber auch nicht alle „legalen“ Einwohner Deutschlands haben einen Krankenversicherungsschutz. Darum geht es bei unserem Antrag.

Es gibt eine große Gruppe von geringverdienenden Selbständigen, die nicht krankenversichert waren und die immer noch unversichert sind. Ihr Problem vor der Gesetzesänderung 2007 war, dass sie sich die Krankenversicherung schlicht nicht leisten konnten. Seit April 2007 haben nun die zuletzt gesetzlich Versicherten Selbständigen zwar die Pflicht, sich zu versichern. Sie haben jedoch - das ist das Kernproblem - immer noch nicht das Geld dazu.

Im Gegensatz zu geringverdienenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern müssen Selbständige mit gleich niedrigem Einkommen relativ hohe Krankenkassenbeiträge zahlen. Mindestens 300 Euro müssen sie monatlich der Krankenkasse überweisen. Nur unter gewissen Voraussetzungen wird dies auf 200 Euro Mindestbeitrag gesenkt. Das entspricht dem Beitrag bei einem Einkommen von 1890 Euro bzw. 1260 Euro.

Viele Selbständige, der Döner-Verkäufer, der Handwerker, die Friseurin oder die Kiosk-Besitzerin, haben oft nur um die 900 Euro Gewinn. Davon sollen sie dann 200 oder 300 Euro Krankenkassenbeiträge zahlen. Das entspricht einer Beitragsbelastung von bis zu 33 Prozent. Zum Vergleich: Der normale Arbeitnehmer zahlt zusammen mit seinem Arbeitgeber 15,5 Prozent, alleine aus seinem Einkommen 8,2 Prozent. Ein Bundestagsabgeordneter zahlt wegen der Beitragsbemessungsgrenze nur einen Eigenanteil von 3,9 Prozent!

Dies ist eine Riesen-Ungerechtigkeit! Eine Call-Center-Telefonistin auf Selbständigen-Basis zahlt prozentual zehn mal mehr als ein gutverdienender Bundestagsabgeordneter.

Wir wollen eine allgemein verbindliche Untergrenze von 840 Euro. Unterhalb dieser Summe tritt in der Regel Hilfebedürftigkeit ein und die ARGE zahlt die Krankenversicherung. Darüberliegende Einkommen sind in ihrer realen Höhe zur Beitragszahlung heranzuziehen. Die bisherigen fiktiven Mindesteinkommen werden abgeschafft. Im Ergebnis zahlen die Betroffenen Selbständigen mit 840 Euro Monatseinkommen also nicht mehr 300 oder 200 Euro, sondern nur 130 Euro. Das ist völlig ausreichend, finden wir.

Das gilt für alle Selbständigen, die Gesetzlich krankenversichert sind. Bei der Gruppe der privat Versicherten gibt es ein anderes Problem, welches wir lösen wollen.

Ist ein Selbständiger, der arbeitslos wird, Mitglied in einer privaten Krankenversicherung, dann hat er Pech: Seit Anfang 2009 ist er gesetzlich gezwungen in der privaten Krankenversicherung zu bleiben. Die private Krankenversicherung darf im Basistarif von Hilfebedürftigen 284,81 Euro verlangen. Die ARGE zahlt aber nur 129,54 Euro. Es bleibt also eine Differenz von 155,27 Euro. Wer zahlt das?

Die Bundesregierung sagt: Das muss der Hilfebedürftige selbst zahlen. Seit Monaten erinnere ich die Bundesregierung an diesen sozialpolitischen Mangel und erhalte immer die gleiche abweisende Antwort: Man sehe hier durchaus Handlungsbedarf und man habe eine Arbeitsgruppe gegründet, die Lösungen erarbeiten soll. Ich habe die Hoffnung ja noch nicht aufgegeben, dass die Ministerien für Soziales und Gesundheit - beide SPD-geführt - hier nicht nur heiße Luft produzieren, sondern Politik für die Betroffenen machen.

Auf meine Fragen hat die Bundesregierung zudem geantwortet, die privaten Krankenversicherungen müssten bei Hilfebedürftigen alle Leistungen erbringen - auch wenn diese nicht zahlten. Das ist richtig. Jedoch bauen die Hilfebedürftigen damit Schulden bei ihrer Versicherung auf. Nach derzeit geltendem Recht bedeutet das: Wer zum Januar 2009 arbeitslos wurde und immer nur die 129,54 Euro weiterreicht, die die ARGE für eine Krankenversicherung zur Verfügung stellt, bekommt zwar alle Leistungen. Er hat aber Ende 2009 bereits knapp 1900 Euro Schulden. Falls er dann wieder Arbeit findet, wird er erstens sofort zahlungspflichtig und zweitens kann die Versicherung die Leistungen dann auf ein Mindestmaß kürzen, solange bis alles beglichen ist. Das ist absurd.

Betroffene haben sich an mich gewendet. Sie wollen mittlerweile ihre Krankenversicherung kündigen, obwohl sie krank sind und dringend eine Versicherung brauchen. Sie haben genug von der immer bedrückenderen Verschuldung und genug von dem Rechtsstreit mit der Versicherung. Mit jedem Tag, an dem wir hier im Bundestag mit der Entscheidung warten, wird das Problem drängender.

Daher bitte ich Sie, dieses Gesetz noch vor der Bundestagswahl zu ändern. Vielen Dank!