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Kostenschere schließen: Bundeseinheitliche Netzentgelte für Strom!

Rede von Ralph Lenkert,

Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Linke bringt ihren Antrag für bundeseinheitliche Netzentgelte von der Ostsee bis zu den Alpen ein. Der Forderungsteil ist kurz - ich zitiere:

"Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine bundeseinheitliche Wälzung der Stromnetzentgelte für Privat- und Gewerbekunden vorsieht."

Wälzung ist die Umlage der Kosten des Netzes über den Strompreis.
Warum fordern wir dies? Die Netze und ihre Betreibung sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Aber gerade in strukturschwachen Regionen sind die Netzentgelte am höchsten. Nach einer Studie der TU Dresden, beauftragt durch die Sächsische Staatsregierung, betrugen im Jahr 2013 die Netzentgelte in Düsseldorf 4,03 Cent je Kilowattstunde, gleichzeitig 9,29 Cent je Kilowattstunde im Havelland.

Bis 2023 würden diese Unterschiede, würden wir so weitermachen wie bisher, von 4,77 Cent bis auf 14,3 Cent je Kilowattstunde ansteigen. Das wären inklusive Mehrwertsteuer Preisunterschiede beim Endkunden zwischen heute 6 Cent und über 11 Cent im Jahr 2023.

Welche sind die Ursachen dafür? Eine Ursache ist das Alter der Stromleitungen. Ältere Leitungen verursachen weniger Abschreibungskosten; sie sind damit tendenziell billiger. Auch die Bevölkerungsdichte ist entscheidend: Wenn in einer Region weniger Stromkundinnen und -kunden leben, ist natürlich auch die Anzahl derer, die die Netzentgelte tragen müssen, geringer. Und: Sondertatbestände werden unterschiedlich gewichtet. Die Kosten von KWK-Anlagen, also von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, werden bundeseinheitlich umgelegt. Die Kosten von Offshore-Anlagen werden bundeseinheitlich umgelegt. Industrierabatte werden bundeseinheitlich umgelegt. Die Aluminiumhütten in Hamburg beispielsweise, die für zusätzliche Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen in Hamburg sorgen, bekommen die Stromrabatte von allen Kundinnen und Kunden bundesweit finanziert.

Hingegen: Die Kosten für Transportverluste beim Strom, die Redispatch-Kosten, das heißt die Kosten zur Sicherung der Netzstabilität, und die Regelenergiekosten werden nur regional umgelegt, und zwar dort, wo sie anfallen, und das, obwohl die damit bezahlten Leistungen für ein funktionierendes gesamtdeutsches Stromnetz zwingend erforderlich sind. Wir fordern ein Ende dieser Ungleichbehandlung.

Ein weiterer Grund ist der Ausbau der erneuerbaren Energien. Gerade in den Regionen, in denen besonders die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, fallen vor allem hohe Netzentgeltkosten an, zum Beispiel aufgrund von Netzverstärkung.

Ich möchte Ihnen ein konkretes Beispiel nennen: Eon erzeugt im Windpark Schönwalde Südost im Landkreis Dahme-Spreewald Strom. Die dortigen Bewohnerinnen und Bewohner zahlen auf den Strompreis Netzentgelte in Höhe von 9,11 Cent je Kilowattstunde. Die Gewinne dieses Windparks fließen zur Eon-Zentrale nach Düsseldorf. Dort beträgt das Netzentgelt 4,03 Cent. Schön für die Düsseldorferinnen und Düsseldorfer! Der Landkreis Dahme-Spreewald hat einen Windpark mit unverstelltem Blick auf Windräder, es findet dort eine Zerschneidung der Landschaft durch die Stromtrassen statt, und wegen dieses Windparks sind die Stromkosten um 6 Cent höher. Das ist ungerecht.

Diese Ungerechtigkeit betrifft Regionen in Oberfranken, in Niedersachsen, in Vorpommern, in Brandenburg, in Thüringen. Diese Regionen haben eine Belastung durch die Erzeugung der erneuerbaren Energien und eine Belastung durch die Stromtrassen, ihre Natur wird zerschnitten, und dafür müssen sie auch noch zusätzliche Netzentgelte zahlen. So wird die Energiewende nicht funktionieren.

Wir fordern natürlich nicht, dass Windräder auf der Düsseldorfer Kö installiert werden.
Aber wir fordern von den strukturstarken, dicht besiedelten Regionen Solidarität ein. Auch sie sollen ihren Beitrag zu den Netzentgelten leisten. Deswegen fordern wir einheitliche Netzentgelte. Dies würde im Übrigen auch dazu führen, dass Investoren keinen Bogen mehr um strukturschwache Regionen machen würden, weil der Strom dort einfach zu teuer ist. Gemeinsam können wir die Akzeptanz der Energiewende erhöhen, wenn es uns gelingt, die Netzentgelte zu vereinheitlichen. Wir haben unseren Antrag vorgelegt. Er ist ein Diskussionsbeitrag.

Es gibt weitere Ungerechtigkeiten, die wir nicht erwähnt haben, zum Beispiel die Ungerechtigkeit der Netzentgeltbefreiung. Durch die Abschaffung der Netzentgeltbefreiung könnten im Übrigen auch die notwendigen Erhöhungen in einigen Gebieten kompensiert werden. Wir haben bewusst darauf verzichtet, dies anzusprechen, damit die bei einigen Fraktionen bekannten Reflexe, wenn man an Subventionen für die Industrie herangeht, nicht auftreten. Wir wollen offen diskutieren.

Es gibt weitere Probleme. Dabei geht es zum Beispiel um die Frage, ob man die Netzentgelte zukünftig vielleicht nicht mehr nach dem Kilowattstundenverbrauch, sondern nach der Anschlussleistung berechnet. Wir können über alles reden; wir sind offen. Das Ziel muss aber sein, bei der Verteilung der Lasten für Gerechtigkeit zu sorgen, damit wir gemeinsam eine erfolgreiche Energiewende hinbekommen. Deswegen bitte ich Sie ausdrücklich: Sorgen wir gemeinsam dafür, dass die Netzentgelte in der Bundesrepublik einheitlich werden!

Vielen Dank.