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Kommunale Betreuung bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende stärken

Rede von Katrin Kunert,

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schon merkwürdig, dass die FDP in der vorletzten ordentlichen Sitzung des Bundestages in dieser Wahlperiode den Antrag noch auf die Tagesordnung setzen lässt, und das in dem Wissen, dass über den Antrag im Ausschuss nicht mehr diskutiert und entschieden werden kann. Hinzu kommt, dass sich einige Punkte des Antrags durch Zeitablauf bereits erledigt haben. Da kann man nur sagen, hier geht es um Wahlkampf pur und nicht um die Sache. Und das bei der Brisanz dieses Themas. Immerhin geht es um die Zukunft von 60.000 Beschäftigten und ca. 6 Millionen Leistungsbeziehenden im SGB II sowie um ein Finanzvolumen von ca. 40 Mrd. Euro. Die Fraktion DIE LINKE hatte ihre Position zur Zukunft der ARGEN und Optionskommunen bereits im Zusammenhang mit der Debatte über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geäußert. Die Debatte ist fast ein Jahr her. An unserer Position zur Zukunft der ARGEN hat sich zwar nichts geändert. Geändert hat sich allerdings die Situation. Am 17. März 2009 hatte die CDU/CSU-Fraktion beschlossen, diese Frage in dieser Wahlperiode nicht mehr zu entscheiden. Der Grund: CDU und CSU wollen die Bundestagswahl im September abwarten. Eine neue Koalition mit der FDP könnte Hartz IV dann in die Hände der Kommunen legen. Der Bund würde seine Verantwortung für das gesamtgesellschaftliche Problem Erwerbslosigkeit zunächst organisatorisch und später auch finanziell ablegen. Diese Entwicklung muss verhindert werden. DIE LINKE ist der Auffassung, dass Erwerbslosigkeit ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, das man nicht einfach auf die Kommunen abwälzen kann. Diesbezüglich steht der Bund in der Pflicht. Der Antrag der FDP zielt darauf ab, den Bund diesbezüglich aus der Verantwortung zu nehmen. Daher können wir dem Antrag nicht zustimmen. Wir meinen, dass sich die künftige Organisation des SGB II an folgenden Prämissen messen lassen muss: Aus der Sicht der Erwerbslosen und Hilfebedürftigen: Alle Erwerbslosen, nicht Arbeitslose, werden gefördert. Ihnen zustehende Leistungen sind schnell, unbürokratisch, aus einer Hand und ohne Widerspruch einlegen zu müssen, zu gewähren. Sie müssen jeweils einen ständigen, kompetenten, direkt erreichbaren und freundlichen Ansprechpartner haben. Die Arbeitsvermittlung muss nach individuellen Merkmalen erfolgen. Dazu sind auf die Person zugeschnittene Integrations- bzw. Beschäftigungsangebote auf dem örtlichen, mindestens aber dem regionalen Arbeitsmarkt zu unterbreiten. Bei allen Maßnahmen gilt das Prinzip der Freiwilligkeit. Aus der Sicht der Kommunen: Die Kommunen müssen Handlungs- und Entscheidungsspielräume erhalten, die eine Verzahnung einer kommunalen Sozial- mit einer aktiven Beschäftigungs- und Strukturpolitik ermöglichen. Dabei sind die positiven Erfahrungen lokaler Arbeitsmarktpolitik vor der Einführung der Hartz-Gesetze einzubeziehen. BA und Kommunen sind als gleichwertige Partner zu betrachten, um eine Leistungsgewährung, Arbeitsförderung und soziale Betreuung aus einem Guss in den Kommunen steuern und miteinander vernetzen zu können. Dabei soll die kommunale Ausrichtung und Verantwortung für den Gesamtprozess Priorität haben. Aus der Sicht der Beschäftigten: Die Beschäftigten müssen unbefristete Arbeitsverträge erhalten. Es sind Möglichkeiten der Qualifizierung zu schaffen. Sie brauchen Ermessensspielräume, um im Interesse der Betroffenen Entscheidungen treffen zu können: Die Zahl der zu betreuenden Erwerbslosen je Beschäftigten muss verringert werden und es muss für alle Beschäftigten eine einheitliche tarifliche Bezahlung geben. Aus der Sicht des Bundes: Es sind Wege zu finden, die unter Beachtung der kommunalen Organisationshoheit die Leistungserbringung absichern und zentrale arbeitsmarktpolitische Ziele realisierbar machen; die eine Beschäftigungs- und Strukturpolitik und einen Ausgleich zwischen den Regionen ermöglichen. Die gegenwärtigen Widersprüche und Auseinandersetzungen zeigen, dass mittelfristig die Bundesagentur in ihrer Gesamtheit reformiert werden muss, v. a. hinsichtlich ihrer Demokratisierung. Es geht um die Wiederbelebung und Neubestimmung der Selbstverwaltung. Entscheidungen über die konkrete Ausgestaltung der Politik der BA müssen das Ergebnis eines öffentlichen Dialogs sein, in den alle Betroffenengruppen einbezogen werden. Kurzfristig gilt es, die Verwaltung so lange aufrecht zu erhalten und die Beschäftigten zu schützen, bis eine politische Einigung gefunden wurde.