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Foto: Rico Prauss

Koalition versenkt im Friendly Fire auf Minister Niebel das ODA-Ziel

Rede von Dietmar Bartsch,

Der Etat des BMZ wird 2013 niedriger sein als 2012 und erneut die 0,4-Prozent-Marke nicht überschreiten. Das ist die regierungsoffizielle Aufkündigung des Versprechens, die ODA-Quote bis 2015 auf 0,7 Prozent anzuheben - ein weiterer Bruch des Koalitionsvertrages.

 

 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 23 hat es in diesem Jahr geschafft – ich bin schon ein paar Tage im Parlament –, dass er bereits bei der Einbringungsdebatte eine sehr umfangreiche Rolle gespielt hat. Das schafft man natürlich nur, wenn etwas ganz besonders toll ist oder etwas ganz besonders im Argen liegt. Hier ist eines ganz klar: Dieser Etat liegt im Argen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alle vorliegenden Anträge, die Entschließungsanträge, die heute zur namentlichen Abstimmung stehen, beweisen, dass hier etwas im Argen liegt.

Jürgen Koppelin hat gesagt, es sei alles so gut. Ich will nur eines konstatieren: Laut Ergebnis der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses ist der Etat des Einzelplans 23 gesunken; der Etat des Einzelplans 23 ist niedriger als im Vorjahr.

(Norbert Barthle [CDU/CSU]: 9 Millionen!)

Die ODA-Quote liegt unter 0,4 Prozent. Das sind Ergebnisse, die überhaupt nicht zu akzeptieren sind, denn, Herr Minister, Sie haben sich drei Jahre lang hier hingestellt und behauptet, der Etat werde im nächsten Jahr höher ausfallen, trotz schwieriger Finanzlage. Das ist ad absurdum geführt. Sie haben noch am Tag der Bereinigungssitzung verkündet, dass der Etat um 37,5 Millionen Euro gegenüber 2012 steigen würde. Das ist nicht der Fall. Die Koalitionäre haben Ihrer ursprünglich stolzen Botschaft – Steigerung des Etats in schwieriger Finanzlage – abrupt ein Ende bereitet. So sieht es bei diesem Etat wirklich aus.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was hat denn Frau Merkel heute Vormittag im Hinblick auf die internationalen Konflikte dargelegt? Sie hat gesagt: Na ja, mit militärischen Maßnahmen alleine geht es nicht, wir müssen viel mehr tun für wirtschaftliche Zusammenarbeit. – Ich dachte, ich höre nicht richtig. Kannte die den Etat nicht? Das ist ein Widerspruch in sich. Entweder wir machen hier mehr zur Verhinderung von militärischen Konflikten, wir tun etwas für die Armutsbekämpfung, oder aber nichts von dem, was vorhin erzählt worden ist, entspricht der Wahrheit.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Linke hat schon in den Etatberatungen im Haushaltsausschuss sehr viele Änderungsanträge eingebracht, und jetzt stellen wir wieder einen Änderungsantrag. Da wird gesagt, das seien ja so viele Änderungsanträge, das sei doch typisch für die Linke. Ich will nur eines sagen: Nur dann, wenn all unsere Anträge realisiert würden, würden wir die Schritte in Richtung einer höheren ODA-Quote gehen, die wirklich notwendig sind. Deswegen stellen wir die Anträge.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist noch viel mehr machbar; da sind wir uns doch sicherlich einig. Wenn wir könnten, dann würden wir in diesem Sektor mehr gegen Armut in der Welt tun. Nur wenn wir hier wirklich etwas drauflegen, ist es realistisch, unser Ziel bei der ODA-Quote zu erreichen.

Die Koalition hat ihren Minister mit einem Friendly Fire schwer beschädigt. Sie hat sich ein weiteres Mal von Wahlversprechen verabschiedet;

(Beifall bei der LINKEN)

das für 2015 gesetzte Ziel ist damit erledigt. Die Schützen werden zufrieden sein; aber die Leidtragenden sind vor allem die Ärmsten in der Dritten Welt, meine Damen und Herren. Das ist die Situation.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie mich eine Bemerkung zur Organisationsreform bei der GIZ machen; mein Kollege Movassat wird darauf noch eingehen. Ja, wir von der Opposition haben da Druck gemacht und konnten das eine oder andere erreichen, zum Beispiel, dass mehr Frauen an der Spitze der GIZ vertreten sind. Ich will in diesem Zusammenhang auf einen Punkt eingehen. Sie haben sinnvollerweise ein Evaluierungsinstitut gegründet. Das ist vernünftig. Nur sind hier zwei Dinge wichtig: Erstens muss das Institut wirklich Freiheiten haben und darf kein Instrument des Ministers oder des Ministeriums werden. Zweitens muss das Parlament eingebunden werden. Ein Beirat ist gut; aber wir hier im Parlament müssen Rechenschaft abgelegt bekommen und selber etwas tun können, damit das Institut wirklich evaluiert und nicht zu einem Instrument des Ministeriums wird.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will eine weitere Bemerkung machen. Es gibt in der Entwicklungspolitik weiterhin ein Gerangel zwischen den Ministerien um einzelne Posten und einzelne Etats. Das hat zur Folge, dass Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit auf die Etats der unterschiedlichsten Ministerien verteilt sind: auf das Auswärtige Amt, das Wirtschaftsministerium, das Justizministerium, das Umweltministerium usw. Das alles geht querbeet; jeder macht ein bisschen seine eigene Entwicklungspolitik. Ich finde, das geht so nicht.

Die Entwicklungszusammenarbeit darf sich nicht als zweites Standbein der Wirtschaftspolitik sehen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie darf auch nicht als Außenwirtschaftspolitik verstanden werden. Hier geht es wirklich um etwas anderes. Es ist doch völlig klar, dass mit den Mitteln verantwortungsbewusst umgegangen werden muss. Wenngleich es unterstellt wird: Niemand aus der Opposition will etwas anderes. Mit jedem Euro muss ein möglichst hoher Nutzen für die Menschen erzielt werden. Auch das ist völlig unbestritten. Da dürfen Sie niemandem etwas anderes unterstellen. Es darf aber nicht zuerst ins Auge genommen werden, welche positive Rückwirkung die Entwicklungshilfe auf die deutsche Wirtschaft hat. Das wäre nämlich die falsche Richtung. Es geht eben wirklich um die Menschen in den anderen Ländern; es geht um die Entwicklungshilfe, die in diesen Ländern anzustreben ist. Das müssen wir in den Blick nehmen.

Mein Appell, mein Aufruf ist: Sorgen Sie dafür, dass hier wirklich Politik aus einer Hand gemacht wird! Setzen Sie sich in der Regierung durch, auch im Hinblick auf eine Steigerung des Etats! Es gibt heute bei der namentlichen Abstimmung die Möglichkeit, zumindest einen Teil zu korrigieren. Das würde niemandem wehtun. Im Übrigen würde es Ihnen niemand vorwerfen, wenn das ein Stück weit zu einer höheren Neuverschuldung führen würde; das würde niemand hier im Saal kritisieren.

(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ja, ja, ja! Im Gegenteil!)

Im Übrigen haben wir genügend andere Ideen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, damals, als Sie in der Opposition waren, haben Sie verkündet, dass Sie das Entwicklungsministerium abschaffen wollen.

(Heinz-Peter Haustein [FDP]: Das ist lange her!)

– Ja, das ist lange her. Es gibt einen Erkenntniszuwachs beim Minister. Das ist völlig in Ordnung. Man lernt dazu. So geht es allen, auch mir und Ihnen. Das ist wunderbar. – Jetzt ist angesichts des Friendly Fire, das Sie von der Koalition organisiert haben, aber zu konstatieren, dass letztlich wohl doch in diese Richtung gearbeitet wird. Denn Sie, Herr Niebel, können sich nicht wehren. Das Entscheidende ist: Sie können sich in der Regierung nicht durchsetzen, wenn es darum geht, das wirklich Notwendige zu realisieren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

In der Koalition hat man offensichtlich übersehen, dass es sich hier inzwischen um einen FDP-Minister handelt. All das, meine Damen und Herren, wäre eigentlich nicht weiter tragisch; aber das Schlimme ist, dass es zulasten der Ärmsten dieser Welt geht und letztlich dem Ansehen Deutschlands in der Welt schadet. Also, ändern Sie das!

Zum Schluss möchte ich mich ausdrücklich bei den vielen Engagierten bedanken, die auf diesem Feld arbeiten.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)