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Klimaschutz und Energiewende global gerecht gestalten!

Rede von Heike Hänsel,

In der klima- und energiepolitischen Debatte forderte Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, dass Regelungen zum Klimaschutz dem Grundsatz folgen müssen, dass jedem Menschen dasselbe Recht auf Nutzung der Atmosphäre zusteht:

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

jeder Mensch hat dasselbe Recht auf Nutzung der Atmosphäre. Dieser Gedanke muss für die Debatte um Klimaschutz und Energiewende grundlegend sein. Er wirkt zunächst ganz selbstverständlich - aber er hat weitreichende Konsequenzen. Wir brauchen eine gerechte Klimapolitik, in der die Entwicklungsrechte des Südens anerkannt werden. Das heißt: Regelungen zum Klimaschutz dürfen nicht die bestehende Ungerechtigkeit in der Nutzung der Atmosphäre fortschreiben oder Entwicklungspotenziale der Länder des Südens beschneiden. Wir brauchen stattdessen einen Ansatz, der Emissionsrechte global in einem gerechten und transparenten Verfahren zuweist. Das heißt aber auch, dass wir - die Gesellschaften des Nordens - zuallererst unsere Emissionen drastisch absenken müssen.

DIE LINKE. hat in ihrem Antrag „Nationales Sofortprogramm und verbindliche Ziele für den Klimaschutz festlegen“ (BT-Drs. 16/5129) weit gehende Klimaziele für die Bundesrepublik aufgestellt und ein sehr konkretes Klimaschutzprogramm formuliert. Ein solches Maß an Konkretisierung lassen die Koalitionsfraktionen vermissen, wenn es um die Energiewende in Deutschland und Europa geht. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich in Bali für eine verbindliche Minderungspflicht für Industrieländer in der Größenordnung von minus 30 Prozent bis 2020 einzusetzen.

Die ersten Opfer des Klimawandels sind die Menschen in den Ländern des Südens - das beschreiben Sie ja in Ihren Anträgen. Die Hauptverantwortlichen für den Klimawandel jedoch sind wir - die Industriegesellschaften des Nordens. Daraus erwächst die Verpflichtung, Kompensationsmechanismen zur Unterstützung der Menschen bei der Bewältigung der Klimawandelfolgen besser und zuverlässiger als bislang auszustatten. Ich begrüße sehr, dass Frau Wieczorek-Zeul vorgestern im Ausschuss angekündigt hat, die deutschen Beiträge zu den entsprechenden Fonds aufzustocken. Entscheidend wäre aber, dass langfristige Finanzierungsabkommen geschlossen werden, damit die Unterstützung verbindlich gesichert werden kann.

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globaler Umweltschutz (WBGU) empfiehlt der Bundesregierung außerdem, den Zentralen Nothilfefonds der VN „durch angemessene Zahlungen zu unterstützen und sich für ein verbindliches Finanzierungsschema des Fonds einzusetzen“. Auf die Peinlichkeit, dass die Bundesregierung diesen Fonds - im Gegensatz zu etlichen Entwicklungsländern! - so gut wie gar nicht finanziell unterstützt, hat DIE LINKE. schon mehrmals hingewiesen. Die Koalition bezieht sich ständig positiv auf den Bericht des WBGU, scheut aber vor dessen Empfehlungen an entscheidenden Punkten zurück!

Der WBGU fordert auch, neue Finanzierungsmechanismen zu erschließen, und nennt ganz konkret „die Einführung emissionsabhängiger Nutzungsentgelte für den Luft- und Seeverkehr“. Im Antrag der Koalition wurde daraus ein sehr unverbindlicher Prüfauftrag. Genau hier muss aber angesetzt werden: Die gesellschaftlichen Kosten, die der steigende Verkehr zu Luft, zu Wasser und auf der Straße mit sich gebracht hat, müssen wieder auf ihre Verursacher zurückgeführt werden.

An diesem Punkt ist auch die internationale Handelspolitik angesprochen. Der liberalisierte Handel verursacht ein zunehmendes Güterverkehrsaufkommen und entsprechend steigende CO2-Emissionen. Zugleich unterlaufen international tätige Konzerne soziale und ökologische Standards, in dem sie Standorte und Länder gegeneinander ausspielen. Eine Neuausrichtung der Handelspolitik ist daher zentrale Voraussetzung für den Erfolg der Energiewende auf globaler Ebene. Die Bundesregierung tut leider genau das Gegenteil davon.

In Bali wird es auch um den Clean Development Mechanism (CDM) gehen. Die Koalitionsfraktionen fordern den Ausbau dieses Instruments. Eine Expertenanhörung unserer Fraktion Anfang September hat jedoch ergeben, dass 30 bis 50 Prozent der gegenwärtigen CDM-Projekte nicht wirklich zusätzliche Emissionsminderungen in Entwicklungsländern bringen, dass sie im Gegenteil zu einem Netto-Mehrausstoß führen. Dazu kommt, dass die eigentlich geforderte Nachhaltigkeit der CDM-Projekte in vielen Fällen nicht gegeben ist, z.B. bei Staudammprojekten oder Aufforstungsprojekten in Monokulturen. Wir fordern daher ein Moratorium für die Genehmigung neuer CDM-Projekte durch die UN und für die Ausstellung der CDM-Emissionsrechte/-zertifikate für bereits laufende Projekte, bis Verfahren etabliert sind, die diesen Missbrauch unterbinden.

Abschließend möchte ich noch einen entscheidenden Punkt ansprechen, den ich an dieser Stelle schon oft beklagt habe: Ich begreife nicht, warum die Vergabepolitik der multilateralen Banken, in denen die Bundesregierung Sitz und Stimme hat, von Ihnen gar nicht angesprochen wird. Genau an dieser Stelle wird doch die von Ihnen ständig angeführte Verzahnung von Energie-, Klima- und Entwicklungspolitik ganz konkret. Die Weltbank finanziert immer noch und sogar im steigenden Maße groß dimensionierte Erdöl-, Erdgas-, Staudamm- und Industrieprojekte und subventioniert damit die großen Öl- und Energiekonzerne, während die Förderung Erneuerbarer Energien stagniert. Gerade mal vier Prozent ihres gesamten Portfolios für Energie hat die Weltbank 2006 in die Förderung Erneuerbarer Energien gesteckt. Zugleich verdoppelten sich die Zusagen der Weltbankgruppe für fossile Energieträger 2006 auf fast 900 Millionen US-Dollar, die Weltbank engagiert sich in etlichen höchst zweifelhaften Energieprojekten, Stichwort: Tschad-Pipeline.

Die Bundesrepublik gehört zu ganz wenigen Staaten, die einen eigenen Vertreter im Exekutivdirektorium der Weltbank sitzen haben. Frau Wieczorek-Zeul, nutzen Sie diesen Einfluss endlich für die längstens überfällige Wende in der Energiefinanzierung!

(Rede zu Protokoll gegeben)