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Klaus Ernst: Bundesregierung hat keinen Plan

Rede von Klaus Ernst,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass Sie wieder unter uns weilen, Herr Altmaier. Jetzt mal ehrlich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Können Sie erkennen, wo die Bundesregierung wirtschafts- und industriepolitisch hinwill?

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ja!)

– Sie glauben auch, dass eine Pfütze der Ozean ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Ich glaube, einem normalen Menschen jedenfalls ist nicht zugänglich geworden, ob es in irgendeiner Form eine bestimmte Richtung gibt, in die unsere Wirtschaftspolitik läuft. Herr Altmaier hat gesagt: Die Wirtschaft läuft und läuft und läuft. – Das haben wir schon einmal gehört, und das freut uns auch. Aber wohin, Herr Altmaier?

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Nach oben! Ganz nach oben!)

Mit welcher Strategie will die Bundesregierung den Herausforderungen einer vollkommen veränderten amerikanischen Außen- und Handelspolitik, etwa den Sanktionen, begegnen? Mit welchen Sanktionen müssen wir bei den Sanktionsdrohungen gegen deutsche und europäische Unternehmen rechnen? Und zwar nicht nur im Zusammenhang mit dem Iran-Abkommen. Es gab vorher schon Probleme mit Nord Stream 2. Da war es ähnlich.

Welche Ideen hat die Bundesregierung hinsichtlich der Investitions- und Hightechoffensive Chinas?

Eckhard Cordes, ehemaliger Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, hat vor einiger Zeit im Wirtschaftsausschuss gesagt: „Ein starkes Europa ist ohne Einbeziehung Russlands nicht möglich.“ Wir brauchen endlich eine nationale und europäische Strategie, und wir müssen endlich überlegen, ob unsere Russland-Politik angesichts der transatlantischen Herausforderungen nicht prinzipiell überdacht werden muss, Herr Altmaier. Ich sage Ihnen – das habe ich gestern auch von der Kanzlerin gehört –: Das Bekenntnis zur transatlantischen Freundschaft ersetzt keine Strategie, Herr Altmaier.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die „Neue Zürcher Zeitung“ beschreibt am 11. Mai unter dem Titel „Der Westen agiert gegenüber China hilflos“ die Bedeutung der Industriepolitik. Beispiele sind das MITI, das Ministerium für Internationalen Handel und Industrie im Japan der 70er- und 80er-Jahre, und die staatlich verordnete Industriepolitik in den USA unter Eisenhower. Alles höchst erfolgreich! China kopiert auch da erfolgreich, wie wir sehen. In der aktuellen Ausgabe von „Le Monde diplomatique“ steht: „Das Beispiel China sollte uns dazu bringen, die Rolle des Staats in der globalisierten Welt zu überdenken.“ Herr Altmaier, bei uns wurde eine eigenständige Entwicklung der Batterietechnik verschlafen. Und selbst auf einem Longtailboot auf der Andamanensee an der Küste von Thailand ist der Internetempfang besser als auf der Strecke zwischen Berlin und Hamburg.

(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das hast du getestet?)

– Ja, das habe ich getestet,

(Beifall bei der LINKEN)

allerdings nur die Strecke von Berlin nach Hamburg. Das andere hat meine Kollegin überprüft.

(Heiterkeit bei der LINKEN und der CDU/CSU – Johann Saathoff [SPD]: Aus der CDU?)

Schreit diese Entwicklung nicht gerade nach einer gesamtstaatlichen Strategie und endlich ausreichenden Investitionen? China ist dabei, eine neue Seidenstraße aufzubauen, und bei uns gibt es seit 2017 einen „Koordinator der Bundesregierung für Auslandsprojekte im strategischen Interesse der Bundesrepublik Deutschland“. Das verlinkte Strategiepapier dazu hat den sagenhaften Umfang von vier Seiten. Peinlich!

Auch in diesem Bundeshaushalt investieren Sie viel zu wenig. Verständlich, denn Sie wissen ja nicht recht, wo, weil die Strategie fehlt. Wir leben seit Jahren von der Substanz. Laut KfW ist allein in den Kommunen ein Investitionsstau mit einem Volumen von 126 Milliarden Euro aufgelaufen. Sie sagen nun, dass Sie 3 Milliarden Euro mehr ausgeben wollen. Das ist weniger als der Tropfen auf den heißen Stein. Jahrelang waren die Abschreibungen höher als die öffentlichen Investitionen. Wir fahren seit Jahren auf der Felge. Statt kräftig zu investieren und damit die Voraussetzungen für unsere Zukunft zu sichern, trägt Herr Scholz die schwarze Null wie eine Monstranz auf einer Fronleichnamsprozession vor sich her, genauso wie sein Vorgänger. Weiter führt uns das nicht.

Eine letzte Bemerkung zur Energie. Das Klimaschutzziel 2020 wurde de facto aufgegeben. Der Ausbau erneuerbarer Energien muss beschleunigt werden. Wir müssen aus der Kohle raus, und zwar rasch und sozialverträglich.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen eine Regierung, die Verantwortung übernimmt und nicht hinter Entwicklungen herläuft. Mit diesem Haushalt werden Sie den Notwendigkeiten leider nicht gerecht.

Ich danke Ihnen sehr für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)