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Klaus Ernst: Bezahlbaren Wohnraum schaffen! Mieten für viele inzwischen unbezahlbar.

Rede von Klaus Ernst,

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wegner, jetzt muss ich Sie schon mal was fragen. Wo ist er denn? – Da ist er.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja, ich doch nicht!)

– Ja, ich habe ihn schon gesehen. Ich schiele doch nicht. – Sie haben gerade die Privatisierung von Wohnungen durch das Land Berlin unter Regierungsbeteiligung der Linken kritisiert. Frau Lay hat gerade erklärt, dass das ein Fehler war. Jetzt wissen wir, dass von 1990 bis heute über 350 000 Wohnungen des Bundes privatisiert wurden, oft unter Regierungsbeteiligung der CDU und der CSU. Sind Sie bereit, auch das als Fehler bezeichnen,

(Beifall bei der LINKEN)

oder ist es bei Ihnen so: „Wenn die Linke dasselbe macht wie Sie, dann ist es falsch, aber wenn Sie es machen, ist es richtig“?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)

Das wäre natürlich eine sehr bemerkenswerte Einstellung. – Wenn Sie eine Zwischenfrage stellen würden, würde ich die Präsidentin bitten, sie zuzulassen.

(Heiterkeit bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ja, ich würde mich über die Zwischenfrage freuen.

Lieber Herr Ernst, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage gestatten.

(Heiterkeit)

Ich habe folgende Frage an Sie: Teilen Sie die Auffassung, dass Reden und Regierungshandeln in Einklang zu bringen sind

(Caren Lay [DIE LINKE]: Vor allen Dingen bei Ihnen!)

und das insbesondere für die Linke gilt, wenn sie Verantwortung trägt, lieber Herr Ernst?

(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Gute Frage!)

Ja, Herr Wegner, diese Auffassung teile ich.

Ja, ich teile diese Ansicht, Herr Wegner. Das muss übereinstimmen. Genau deshalb ist die Frage an Sie gerichtet gewesen, ob Sie das unterschiedlich bewerten. Wir bewerten es nicht unterschiedlich. Sie sagen also tatsächlich, wenn ich Sie jetzt richtig verstehe: Es war falsch, dass der Bund unter Regierungsbeteiligung der CDU die Wohnungen privatisiert hat. – Wenn Sie das täten, Herr Wegner, dann wären wir zumindest auf der Ebene, dass wir Tatbestände gleich bewerten. Wenn Sie das nicht tun, kann ich Ihre Aussage über das, was wir in Berlin gemacht haben, überhaupt nicht ernst nehmen. Dann ist es reine Polemik. So schaut’s aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich wollte eigentlich zu ganz anderen Themen etwas sagen, nämlich zur Realität. Es ist noch früh am Morgen, deshalb können Sie mir sicherlich folgen, wenn ich Sie mit ein paar wenigen Zahlen belaste.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Vielleicht ist es für Sie früh! Für mich nicht!)

Nach den Regelungen im Hartz-System liegt der durchschnittliche Bedarf alleinstehender Erwachsener bei 1 053 Euro. Man geht dabei von Kosten für die Unterkunft von 349 Euro aus. 349 Euro sind das, was ihm zugestanden wird. Wir wissen, dass ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, der den Mindestlohn erhält, ein Nettogehalt von 1 040 Euro hat; er hat also 13 Euro weniger. Wenn man die entsprechenden Realitäten zugrunde legt, nämlich das, was nach SGB IV als Kosten der Unterkunft für die Mieten in München angesetzt wird, dann stellt man fest: In München sind es 492 Euro, also 156 Euro mehr, in Frankfurt 132 Euro und in Stuttgart 87 Euro. Wenn jemand Mindestlohn bekommt, dann hat er also schlichtweg 156 Euro weniger Geld für Miete zur Verfügung, als im Hartz-System zugrunde gelegt wird. Das heißt aber nicht, dass man im Hartz-System zu viel bekommt. Das Problem ist, dass er zu wenig Mindestlohn erhält. Diese Problematik könnte man einigermaßen in den Griff bekommen, wenn man die Mieten begrenzen würde. Aber Ihre Mietpreisbremse ist nur heiße Luft; da passiert nichts. Es ist eben keine Mietpreisbremse.

Ich möchte meinen Punkt noch etwas deutlicher machen; denn es gibt nicht nur die Menschen im Mindestlohn. Ein Polizeimeister – nennen wir ihn Herrn Müller – verdient in München mit Ballungsraumzulage usw. circa 2 600 Euro brutto. – Ich sehe gerade, meine drei Minuten Redezeit sind schon vorbei. Oje, oje!

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt wird es aber Zeit!)

Danke schön, Frau Präsidentin. – Dann erzähle ich wenigstens das Beispiel vom Polizeimeister zu Ende. Wenn man annimmt, dass dieser Polizeimeister ein Drittel seines Einkommens für Miete ausgibt und wenn man zugrunde legt, welche Mietpreise in München inzwischen gezahlt werden müssen, dann stellt man fest: Er könnte sich gerade noch eine Wohnung mit 33 Quadratmetern leisten. – Das Ergebnis ist übrigens, dass die Polizisten, die München und seine Bürger schützen, nicht mehr in München wohnen können, weil sie es sich nicht mehr leisten können. Wenn Sie meinen, das solle alles so bleiben, dann sagen Sie das dem Polizisten! Ich hoffe, dass er sie trotzdem schützt, wenn bei Ihnen eingebrochen wird.

Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der LINKEN)