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Kirsten Tackmann: Kein einfaches „Weiter so“ in der Agrarpolitik

Rede von Kirsten Tackmann,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! In der heutigen Debatte geht es um die Schlachtung hochträchtiger Tiere, die Pelztierhaltung und Futtermittelrisiken und damit um drei wirklich wichtige Themen. Dennoch möchte ich meine Redezeit nutzen, um unseren Blick zunächst auf ein anderes, aber auch wichtiges und sehr brisantes Thema zu lenken, weil uns das auf gar keinen Fall aus dem Blick geraten darf.

Viele landwirtschaftliche Betriebe leben von der Substanz oder sind existenzgefährdet und fühlen sich ein wenig im Stich gelassen. Angesichts dieser Situation stellt aus meiner Sicht ein einfaches Weiter-so in der Agrarpolitik mit Korrekturen hier und da eben nur die Linderung von ein paar Symptomen dar. Als Tierärztin sage ich aber: Wer die ortsansässige Landwirtschaft wirklich will, der muss die Krankheit heilen.

(Beifall bei der LINKEN)

Leider geht es eben nicht nur um ein einzelnes krankes Organ. Der Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, Bartmer, drückt das laut Agra-Europe so aus: Das derzeitige System muss auf den Prüfstand. – Er warnt vor falscher Gelassenheit und spricht sich für eine schonungslose Analyse und eine öffentliche Debatte aus. Recht hat er.

Ja, wir müssen Landwirtschaft neu denken, ohne Richtiges über Bord zu werfen, aber natürlich gemeinsam mit den Betrieben, die wir als Verbündete brauchen. Aber sie brauchen uns auch als Gesetzgeber.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn seien wir doch einmal ehrlich: Im Moment sitzen die Gewinner des Systems warm und trocken in den Konzernzentralen, während die Verlierer in den Ställen, auf Äckern und in Gewächshäusern für unsere Lebensgrundlage schuften und trotzdem ums Überleben kämpfen müssen. Ja, das ist ein krankes System, und das muss geheilt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun zu den drei Vorschlägen, die auf dem Tisch liegen:

Immerhin soll nun die Schlachtung hochträchtiger Tiere endlich verboten werden, wobei ich glaube, dass sich viele darüber wundern, dass das überhaupt erlaubt war. Die Ausnahmen, zum Beispiel in Tierseuchensituationen, sind zwar im Grundsatz nachvollziehbar, aber natürlich erwarte ich, dass dann auch gesichert ist, dass Qualen für das ungeborene Leben verhindert werden. Ich sehe hier die Tierärzteschaft tatsächlich in einer besonderen Verantwortung. Dass Schafe und Ziegen zunächst von dem Verbot ausgenommen sind, finde ich nachvollziehbar, aber auch das ist kein Freibrief. Auch hier muss alles dafür getan werden, um die Schlachtung hochträchtiger Tiere tatsächlich zu vermeiden.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, in Zukunft ein Verbot zu ermöglichen.

Zum Zweiten soll die Haltung von Pelztieren nicht verboten, aber unter Erlaubnisvorbehalt gestellt werden. Dahinter steht aus meiner Sicht die trügerische Hoffnung, dass sich die Pelztierhaltung angesichts der hohen Tierhaltungsauflagen nicht mehr rechnet und dann einfach aufgegeben wird.

Im Gesetzentwurf steht, dass aktuell die Mehrheit der Pelztierfarmen nicht einmal die Mindestanforderungen von 2011 umsetzt. Dabei liegen doch die noch deutlich unter dem, was in den Richtlinien des BMELV für die Haltung von Säugetieren vorgesehen ist. Per Verordnung – das hat die Staatssekretärin schon gesagt – ist das offensichtlich nicht durchsetzbar. Deshalb soll es nun mit so einem schwächlichen Erlaubnisvorbehalt gerichtet werden, mit einer viel zu langen Übergangszeit von fünf Jahren und der übrigens völlig offenen Flanke, was die Konsequenzen sein werden, wenn die Weltmarktpreise wieder ansteigen. Hier stiehlt sich die Koalition aus meiner Sicht schlichtweg aus der Verantwortung.

Mode kann aber doch niemals ein vernünftiger Grund sein, Wildtiere zu halten und zu töten.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist doch weder mit dem Tierschutzgesetz noch mit dem Staatsziel Tierschutz vereinbar. Deswegen sagt die Linke ganz klar: Dieser Erlaubnisvorbehalt kann allenfalls ein kleines Schrittchen in die richtige Richtung sein. Ein Ersatz für das von vielen zu Recht geforderte Verbot der Pelztierhaltung im Tierschutzgesetz ist es keinesfalls.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit fährt die Koalition mit einer handbetriebenen Draisine und angezogener Handbremse einem längst abgefahrenen ICE hinterher.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)

Man könnte lachen, wenn es nicht so traurig wäre.

(Zuruf von der LINKEN: Genau!)

Mit der dritten Neuregelung soll das seit der BSE-Krise bestehende Verbot der Verfütterung von tierischen Fetten an Wiederkäuer aufgehoben werden. Wissenschaftlich sei aus Sicht des gesundheitlichen Verbraucherschutzes kein erhöhtes BSE-Risiko für Menschen zu erwarten. Damit müssen diese Fette nicht mehr entsorgt und vernichtet werden, sondern können verfüttert werden. Dennoch bleiben mir zumindest Restzweifel bei der Verfütterung von Wiederkäuern an Wiederkäuer. Denn das sogenannte Kannibalismusverbot kann helfen, unbekannte Risiken zu minimieren. Wir haben doch bei der BSE erlebt, dass Dinge passieren, die die Wissenschaft nicht vorhergesagt hat. Diese Begrenztheit des Wissens muss uns aus meiner Sicht immer bewusst bleiben. Ich erwarte deswegen von den zuständigen Behörden und wissenschaftlichen Einrichtungen, dass sie dieses Restrisiko wirklich im Auge behalten.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)