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Kerstin Kassner: ÖPNV braucht Innovationen

Rede von Kerstin Kassner,

Danke schön. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste auf der Tribüne! Wir haben es hier mit einem Thema zu tun, das für uns alle sehr wichtig ist und das, glaube ich, in der Zukunft noch viel bedeutendere Anforderungen an uns alle stellen wird als heute. Diesen Anforderungen gilt es zu genügen; das ist unsere Aufgabe.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe eigentlich immer gerne recht.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Ich hätte mir aber gewünscht, dass das, was meine Kolleginnen und Kollegen in ihrer Erklärung zur Novelle des Personenbeförderungsgesetzes im Jahre 2012 prognostiziert haben, nicht wahr wird, nämlich dass es einen Verdrängungswettbewerb geben wird und dass der Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre dazu führt, dass kommunale Unternehmen verdrängt werden.

(Michael Donth [CDU/CSU]: Andersrum ist es richtig! Gucken Sie sich die Zahlen an!)

Wer das leugnet, Herr Donth, dem sage ich: Schauen Sie sich an, was in der Zwischenzeit passiert ist. Ein 104 Jahre altes Unternehmen mit 250 Beschäftigten musste aufgeben.

(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Weil sie unfähig waren!)

In Hildesheim steht Ähnliches bevor. Dort schätzt man, dass der Tariflohn um 30 Prozent gesenkt werden müsste, damit die kommunalen Unternehmen mit den sogenannten eigenwirtschaftlichen Verkehren konkurrieren können. Das ist in meinen Augen Dumping. Das muss man eindeutig so benennen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das wollen wir nicht. Deshalb gehört dieser Vorrang abgeschafft.

(Beifall der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])

Ich sage Ihnen: Neben diesem ersten Punkt, dass die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, für ihre Arbeit ordentlich entlohnt werden, also den sozialen Standards, die mir besonders wichtig sind, gibt es noch einen zweiten Punkt, der mir auf der Seele brennt. Das ist die Frage: Bedeutet eigenwirtschaftlich wirklich eigenwirtschaftlich? Wir alle wissen, dass es Ausgleichszahlungen für schwerbehinderte Menschen gibt, damit diese ein entsprechendes Ticket für die kostenlose Benutzung des Nahverkehrs bekommen. Das ist gut so; das finde ich auch richtig. Aber wenn dadurch das Geld fehlt, um Busse absenkbar zu machen und so die Möglichkeit zu schaffen, dass man überhaupt in den Bus hineinkommt, und um zu gewährleisten, dass man mit dem Rollstuhl einen Platz hat und auch tatsächlich mitgenommen werden kann, dann muss ich sagen, dass bei den Regelungen tatsächlich etwas fehlt. Hier muss mehr getan werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als ehemalige Landrätin der Insel Rügen ist mir natürlich auch sehr wichtig, dass es einen kommunalen Gestaltungsspielraum gibt. Ich kann Ihnen sagen: Der Kampf um den Nahverkehrsplan ist jedes Mal ein Ringen um den Status quo. Die Insel Rügen ist vielleicht nicht das typischste Beispiel, weil wir sehr viele Gäste haben, die das ÖPNV-System nutzen. Aber ich kenne in meiner Heimatregion ländlich geprägte Räume, wo wirklich nur noch der Schulbus in die einzelnen Orte kommt. An der Stelle, sage ich, muss mehr getan werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht erinnern Sie sich alle noch an die Kreativitätsspiele in der Schule, wo man einmal aufmalen sollte, wie man sich die verkehrliche Anbindung der Kommune der Zukunft vorstellt. Da gibt es bestimmt viele kreative Vorschläge und Ideen, was man dort umsetzen könnte. Es scheitert aber daran, dass die Kommunen diese Ideen kaum aufnehmen können, weil sie keine Möglichkeiten haben, das finanziell zu untersetzen. Da sind meiner Meinung nach ein bargeldloses Zahlungssystem oder eine WLAN-Anbindung für viele wirklich noch lächerliche Nebensächlichkeiten.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja!)

Erst einmal muss ein Bus kommen. Es muss möglich sein, aus dem Dorf in das jeweilige Oberzentrum zu gelangen. Dafür brauchen wir Ansätze, die müssen wir gemeinsam finden.

(Beifall bei der LINKEN)

Da wünschte ich mir, dass es eine Innovationsoffensive gibt, damit den Kommunen Unterstützung gegeben wird, solche Lösungen zu finden. Der Bürgerbus alleine wird es nicht lösen. Also machen wir uns auf den Weg. Gehen wir mit unseren Kommunen in die Zukunft, auch auf diesem Gebiet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)