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Keiner Arbeitnehmerin darf Lohn vorenthalten werden!

Rede von Yvonne Ploetz,

Plenarrede anläßlich der ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchsetzung des Entgeltgleichheitsgebotes für Frauen und Männer (Entgeltgleichheitsgesetz) > Drucksache 17/9781

Herr Präsident,
Meine Damen und Herren,

Warum verdient eine Grafikdesignerin ein Drittel weniger als ein Grafikdesigner? Warum verdient eine Buchhalterin über ein Viertel weniger als ein Buchhalter? Und das sind keine Ausnahmen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Arbeitnehmerinnen wird durchschnittlich ein Viertel ihres Lohnes vorenthalten und das ist völlig inakzeptabel.

Alle haben das Recht auf faire Bezahlung!

Nirgendwo in Europa ist die Lohnschere zwischen Mann und Frau so weit geöffnet wie in Deutschland. Nicht in Griechenland. Nicht in Frankreich. Nicht in Bulgarien oder in der Slowakei. Und sie wird sich auch nicht schließen, wenn nicht endlich Betriebe gesetzlich dazu verpflichten werden, gleiche Löhne für gleiche Arbeit zu zahlen! Und zwar mit einem Entgeltgleichheitsgesetz, ähnlich dem, was die SPD heute vorgelegt hat.

Ich möchte aber noch etwas weitergehen, denn mit einem Entgeltgleichheitsgesetz allein wird die Benachteiligung nur von einer Seite angegangen.

Tatsächlich liegen die Probleme ja tiefer. Die Lohnbenachteiligung von Frauen bei gleicher Arbeit ist nur die Spitze des Eisberges. Unter dem Meeresspiegel sammeln sich im Laufe eines Frauenlebens unzählige Benachteiligungen am Arbeitsmarkt an. Bekäme man einen Lohnzettel nach dem gesamten Leben, vom Schulabschluss bis zur Rente, dann stünde unterm Strich nicht mehr 23 Prozent weniger bei Frauen, sondern ein sattes Minus von 50 Prozent.

Das liegt an der unfairen Bezahlung. Das liegt daran, dass Frauen noch immer oftmals die Erziehung der Kinder und die Pflege der Eltern zu, was fast nicht ohne eine berufliche Pause machbar ist. Das liegt aber auch daran, dass Frauen viel zu oft in Mini-Jobs ohne soziale Absicherung arbeiten. Dass sie oft mit Dumpinglöhnen abgespeist werden, weil sie in Bereichen arbeiten, in denen es keine Tarifverträge gibt.

Und vor zwei Tagen wurde bekannt, dass in Kitas immer mehr Erzieherinnen nun sogar schon als Leiharbeitnehmerinnen für 1000 Euro brutto arbeiten. Diese Frauen bringen einen unglaublich hohe Qualifikation mit, haben die Verantwortung für unsere Kinder und müssen Vertrauen aufbauen. Diese Frauen kann man doch nicht einfach hin und her verleihen und mit solchen Löhnen unterm Existenzminimum abfertigen! Das Mindeste was ich nun von Ihnen als Regierende verlange, ist ein sofortiges Verbot der Leiharbeit in diesem sensiblen Bereich!

Mit all diesen Punkten steigt übrigens auch für eine Frau das Risiko im Alter arm zu werden.

Arbeitet eine Frau 45 Jahre als 400 Euro-Kraft z.B. an der Supermarktkasse – und das sind in Deutschland 5 Millionen Frauen – ergibt sich ein Rentenanspruch von 139,95 Euro im Monat. Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, 5 Millionen Frauen, die heute kaum über die Runden kommen, morgen in die sichere Altersarmut zu schicken!

Wie sieht denn Ihr politisches Konzept aus, mit dem Sie diese Frauen auffangen wollen? Verdenken Sie mir, dass ich keines erkennen kann. Wir haben eins. Die Mindestrente von 1050 Euro und gute Arbeit für jeden und jede!

Streiten Sie endlich mit uns gegen Hungerlöhne! Jede Frau und jeder Mann muss für jede Stunde Erwerbsarbeit mindestens 10 Euro bekommen! Die Verrohung und Entsicherung der Arbeitswelt müssen endlich ein Ende haben!

Und wissen Sie, jetzt kommt die Sommerzeit – eigentlich die Urlaubszeit. Haben Sie sich auf der Straße mal umgehört, wer sich noch einen Urlaub leisten kann? Als Familie mit Kindern? Als eine Frau, die weniger Urlaubsgeld bekommt als ihr männlicher Kollege? Oder als alleinerziehende Mutter mit 2 Kindern? Die, die ein bisschen Abstand am dringendsten brauchen, um aus dem Karussell von Existenzangst und Armut für eine Woche rauszukommen, können davon nicht mal träumen. Es ist eine Schande, werte Kolleginnen und Kollegen!

Stellen Sie sich an die Seite von Alleinerziehenden und ihren Kindern. Wir haben eine unerträgliche Kinder- und Jugendarmut in Deutschland. Und das hängt in vielen Fällen mit der Existenznot ihrer Mütter zusammen. Um Kinder und Jugendliche eine Perspektive für ihr Leben zu geben, müssen Sie auch den Müttern ihre Existenz sichern und ihnen helfen aus Überlebensstrategien endlich wieder Strategien des Lebens werden zu lassen!

Und dabei bleibt immer aktuell das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Nur, wenn die Infrastruktur an Kinderbetreuung steht, müssen sich Frauen nicht mehr auf prekäre Beschäftigung einlassen, um irgendwie Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Aber nur 20 Prozent aller Kinder unter drei Jahren werden in Deutschland ganztags betreut. In Dänemark zum Beispiel sind es 64 Prozent. So geht die Gleichung Familie und Beruf auf!
Trotz dieser ernüchternden Zahlen veranstalten Sie hier ein selbstherrliches Schmierentheater rund um das Betreuungsgeld. Ich verspreche Ihnen: Unser Widerstand ist Ihnen sicher. Wir sehen nicht zu, wie Sie Milliarden verschwenden, statt KITA-Plätze zu schaffen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Schröder, wissen Sie, was ich denke? Die Diätenerhöhung aller Abgeordneten hier im Bundestag sollte an die durchschnittliche Lohnerhöhungen der Frauen gekoppelt werden, und zwar so lange bis das Prinzip des gleichen Lohnes für die gleiche Arbeit erreicht ist! Ich wette mit Ihnen, das ginge plötzlich ganz schnell.

Vielen Dank!