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Keine Weltbankkredite für Atomtechnologie! Good Governance für Weltbank und IWF

Rede von Heike Hänsel,

Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag, geht in ihrer Rede zum Antrag ihrer Fraktion: „Keine Weltbankkredite für Atomtechnologie“ (16/1961) auch auf die undemokratischen Vorgänge rund um die letzte Tagung von IWF und Weltbank ein:

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir befassen uns heute mit konkreten Forderungen an die Energiepolitik der Weltbank. Wir tun dies vor dem Hintergrund der Weltbank-/IWF-Tagung, die vor einer Woche in Singapur stattfand.
Ich möchte zunächst aber etwas anderes ansprechen, nämlich die inakzeptable Einschränkung von demokratischen Grundrechten während der Herbsttagung in Singapur. Die Regierung der Republik Singapur erstellte im Vorfeld Schwarze Listen mit den Namen von NGO-Vertreterinnen und Vertretern, die von einer Einreise und möglichen Teilnahme an Demonstrationen abgehalten werden sollten. Das Demonstrationsrecht wurde darüber hinaus deutlich eingeschränkt. Insgesamt standen 28 Vertreterinnen und Vertreter von NGOs, denen von Weltbank und IWF eine Akkreditierung erteilt worden war, auf der Schwarzen Liste. 22 von ihnen wurde am zweiten Tag die Einreise doch noch erlaubt, allerdings war dann für viele, die zuvor abgewiesen worden waren, eine Einreise nicht mehr möglich - sie hatten sich bereits wieder auf die Heimreise gemacht bzw. ihre Flüge umgebucht etc. Viele NGOs boykottierten daraufhin die Dialogveranstaltungen in Singapur oder nutzten sie, um ihren Protest kundzutun. Wir haben gegen diese Maßnahmen ebenfalls protestiert und dies in einem offenen Brief an den Botschafter der Republik Singapur in Deutschland deutlich gemacht.
Wir finden es gut, dass Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul im Vorfeld ihrer Singapur-Reise in diesem Sinne deutlich zu den Vorgängen Stellung bezogen hat, und hoffen, dass sie dies auch vor Ort gegenüber den Verantwortlichen getan hat. Leider muss ich aber feststellen, dass zumindest in der öffentlichen Widerspiegelung das Thema im Laufe der Konferenz keine größere Rolle mehr spielte - business as usual?
Für die Zukunft müssen solche Vorfälle ausgeschlossen werden. Weltbank, IWF und auch die Bundesregierung fordern von anderen gerne Good Governance („Gute Regierungsführung“) ein. Good Governance muss aber auch für die Weltbank und den IWF bzw. ihre Gastgeber gelten. Ich würde mir hier noch einmal ein klares Wort der Ministerin wünschen, welche Vorstellungen sie davon hat, wie die Weltbank in Zukunft mit diesem Thema umgehen sollte und welche diesbezüglichen Verabredungen sie mit dem deutschen Vertreter im Exekutivdirektorium der Weltbank getroffen hat.

Zum Thema unseres Antrags: Das neue Investment Framework on Clean Energy and Development der Weltbank gibt wenig Hoffnung auf eine energiepolitische Wende der Weltbank hin zu mehr Förderung von regenerativen Energien, im Gegenteil: Es wird weiterhin auf Kohlekraftwerke, große Wasserkraftwerke und Atomenergie gesetzt. Der Entwicklungsausschuss von Weltbank und IWF lässt in seiner Erklärung leider keine kritische Auseinandersetzung mit dieser Haltung erkennen. Die Handschrift von Frau Wieczorek-Zeul, die sich im Vorfeld sehr gut, nämlich eindeutlich ablehnend gegenüber einer möglichen Förderung von Atomtechnologie durch die Weltbank, geäußert hatte, ist nicht zu erkennen.

In der Energiepolitik setzt die Weltbank leider weiter auf Projekte, von denen vor allem Großkonzerne des Nordens profitieren und die für die lokale Bevölkerung überwiegend negative Konsequenzen haben, wie zum Beispiel die Staudämme Pak Mun in Thailand und Kedung in Indonesien zeigen.
Auch sonst wird immer deutlicher, dass die beiden Institutionen Weltbank und IWF den Entwicklungsländern mehr schaden als nutzen. Zur Jahrestagung in Singapur wies ein Bericht von Social Watch darauf hin, dass bereits seit 15 Jahren die Entwicklungs- und Schwellenländer mehr Geld in Form von Zinsen und Tilgungen an die Weltbank überweisen, als sie von ihr bekommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist erschreckend, dass wir uns 20 Jahre nach Tschernobyl und angesichts der Tatsache, dass auch diese Bundesregierung zugesagt hat, am Atomausstieg festzuhalten, überhaupt noch über Sinn und Unsinn von Atomkraft unterhalten müssen. Ich fordere die Bundesregierung auf, sich auch auf internationaler Ebene für einen Atomausstieg stark zu machen. Ich beobachte allerdings, dass eher die Gefahr besteht, dass auf internationaler Ebene die Weichen anders gestellt werden: Mittelfristig wäre dadurch ein Unterlaufen des Atomausstiegs in Deutschland möglich - das Grünbuch Energie der EU-Kommission ist hierfür ein Warnzeichen.
Die Vorstellung, Atomenergie könnte ausgerechnet in Schwellen- und Entwicklungsländern ein Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung sein, ist irrwitzig. Milliardenschwere Investitionsruinen von Argentinien bis zu den Philippinen, Entsorgungsprobleme überall und gewaltiger Raubbau an Uranvorkommen in Afrika beweisen das Gegenteil. Dazu kommen unvertretbare Sicherheitsrisiken. Deshalb, Frau Wieczorek-Zeul, lassen Sie Ihren Reden Taten folgen und nutzen Sie die konkreten Einwirkungsmöglichkeiten, die Sie haben, in diesem Fall die Weisungsbefugnis über ein Mitglied des Exekutivdirektoriums der Weltbank, um falsche Weichenstellungen zu verhindern.

- zu Protokoll -