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Keine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Dienst in der Bundeswehr

Rede von Inge Höger,

zu DS 16/8241, 16/10376

Soldat sein macht das Familienleben nicht idyllischer. Das bestätigt auch die Antwort der Bundesregierung auf die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Dienst in der Armee. Immerhin wurde erkannt, dass es auch im Heer eine Geschlechterfrage gibt.

Die Frage wird dann aber mit einem kategorischen Imperativ beantwortet: Die Personalführung hätte „in dem Bewusstsein zu handeln, dass [die SoldatInnen und ihre Familien] Anspruch auf Fürsorge haben“. Genauso unkonkret sind die Hilfsangebote an die Familien. Trotz Gleichstellungsgesetz hat sich an der Situation von Frauen in der Armee nicht viel geändert. So sind unter Stabsoffizieren und Offizieren Frauen mit Kindern zu 1,5 % vertreten, während sie 8,6 % der Gesamtarmee stellen. Prozentual nehmen 100-mal so viele Soldatinnen wie Soldaten Elternteilzeit in Anspruch. Wie in allen anderen Bereichen sind Kinder auch in der Bundeswehr besonders für Frauen einer Karriere hinderlich. Das führt meist bei Frauen zum Rückzug aus dem Beruf. Über alleinerziehende Eltern hat man im BMVg gleich gar keine Informationen. Die potentiell am meisten betroffene Gruppe kommt also nicht vor!

Besonders hoher Druck wird durch die nur dreimonatigen Versetzungsfristen an neue Standorte aufgebaut. Wer kann sein Familienleben schon in drei Monaten verlegen? Zumal PartnerInnen von SoldatInnen vom Verteidigungsministerium keine Hilfe bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zu erwarten haben.
Die wichtigste Frage ist aber hier die nach der Betreuung der Kinder. Konfrontiert mit diesem Problem verlegt man sich im Verteidigungsministerium auf „Hilfe zur Selbsthilfe“ und brüstet sich damit, dass die konzipierten Familienbetreuungszentren um ein Kinderspielzimmer und einen Spielplatz ohne Betreuung erweitert werden sollen. Die Peinlichkeit wird aber noch übertroffen: In Trägerschaft des BMVg befindet sich bundesweit nur eine einzige KiTa! Das bedeutet, dass die Kinderbetreuung am jeweiligen Versetzungsort nicht mal ansatzweise gewährt werden kann

Ein besonderes Problem ist Sexismus in der Armee. Die an diesem Punkt wenig konkret gestellte Anfrage gibt der Bundesregierung die Gelegenheit, stolz auf ihre Programme zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 zur gendersensiblen Konfliktbearbeitung hinzuweisen. Das bundeswehreigene Forschungsinstitut SoWi hat jedoch festgestellt, dass nur 20% der befragten Frauen den Integrationsprozess für gelungen halten, dass 58% mit sexistischen Sprüchen und 19% mit körperlichen sexuellen Übergriffen konfrontiert wurden.

Natürlich kann es uns als LINKEN nicht primär darum gehen, die Kriegsfähigkeit von Familien zu organisieren. Das BMVg scheint aber ebenso wenig willens, sich mit den Problemen zu befassen, die Familien aus den Auslandseinsätzen entstehen. Die Zahl von Soldatinnen und Soldaten, die mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung aus dem Einsatz zurückkommen, hat sich zwischen 2003 und 2006 verdreifacht. Diese Probleme gehen über lange Trennungszeiten, Entfremdung und Angst vor Verlust hinaus. Davon kann man sich anhand der US-Veteranen ein ziemlich genaues Bild machen. Es kann einen nur wundern, dass diese Frage in der Anfrage nicht einmal am Rande auftaucht. Denn mit steigender Verwicklung in Kriegseinsätze steigt natürlich auch die Gefahr, mit traumatisierenden Situationen konfrontiert zu werden. Während in US-Fachzeitschriften davon ausgegangen wird, dass Kriegsveteranen mit Stresssyndrom bis zu drei Mal so häufig zu Gewalt in der Familie neigen und das Syndrom lebenslang anhalten kann, sieht die Bundesregierung wenig Handlungsbedarf: Nach ihren Erfahrungen würden Soldatinnen und Soldaten durch Belastungsstörungen höchstens monatelang dienstunfähig. Ein Anstieg der Fälle wird vom BMVg nicht erwartet.
Bleibt die Regierung bei dieser Haltung, steht den Familien eine neue Belastungsprobe ins Haus: Neben dem durch die langen Dienstzeiten und unregelmäßige Versetzungen entstehenden Druck werden sie in Zukunft mit den menschlichen Folgen der Auslandseinsätze umgehen müssen. Lange Abwesenheit von zu Hause und Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Alltag sind die kleinsten Probleme. Schlimmer wird die Belastung durch die wachsende Wahrscheinlichkeit, mit tiefgreifenden psychischen Störungen der Partnerinnen und Partner konfrontiert zu werden.

Alles in Allem stellen wir fest: Keine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Dienst in Sicht.