Zum Hauptinhalt springen

Keine Soldaten und keine Raketen in die Türkei!

Rede von Jan van Aken,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Sie wollen einen völlig neuen Auslandseinsatz der Bundeswehr beschließen. 400 deutsche Soldaten samt Patriot-Raketen sollen in der Türkei stationiert werden, und zwar direkt an der syrischen Grenze. 25 Millionen Euro soll uns das kosten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das fängt ja schon falsch an!)

Ich frage mich ‑ ich glaube, das geht ganz vielen Menschen draußen genauso ‑: Warum eigentlich? Sie nennen genau zwei Gründe für diesen neuen Bundeswehreinsatz: Die Türkei sei bedroht, und man müsse einem NATO-Partner zur Seite stehen. Sie wissen doch ganz genau, dass der erste Grund komplett falsch und der zweite auch nicht ganz richtig ist.

Kommen wir zum ersten Grund. Sie behaupten, es gebe eine Bedrohung der Türkei durch Syrien. Sie alle wissen doch ganz genau, dass das kompletter Unsinn ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Assad-Regime in Syrien hat die Türkei nicht bedroht und bedroht sie auch jetzt nicht. Assad weiß doch ganz genau, dass nur eine einzige Rakete aus Syrien Richtung Türkei fliegen muss, und schon ist die gesamte Militärmacht der NATO da und würde einmarschieren. Innerhalb weniger Tage wäre das Assad-Regime hinweggefegt. Das wäre politischer Selbstmord, und Assad weiß das natürlich.

(Michael Brand (CDU/CSU): Auf welcher Seite stehen Sie denn?)

Herr de Maizière, Sie haben die Chemiewaffen angesprochen. Sie können jetzt aber nicht die gleiche Panik mit Hinweis auf die Chemiewaffen schüren wie vor zehn Jahren im Zusammenhang mit den Biowaffen im Irak.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie wissen ganz genau, dass die syrischen Chemiewaffen überhaupt nichts mit dem Einsatz der Patriot-Systeme zu tun haben. Ich finde, Herr de Maizière, wenn Sie noch einmal diese Chemiewaffen anführen, dann sollen Sie wirklich viele Jahre ‑ eingeklemmt zwischen Colin Powell und George W. Bush ‑ im Fegefeuer schmoren.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

Natürlich gab es in den letzten Wochen Granateneinschläge auf türkischem Gebiet; dabei sind Menschen gestorben. Das ist schlimm. Aber selbst die türkische Regierung hat gesagt: Das waren Fehlschläge; das war nicht gegen die Türkei gerichtet. ‑ Die Türkei fühlt sich also gar nicht bedroht. Aber Sie begründen nun einen Auslandseinsatz der Bundeswehr mit einer angeblichen Bedrohung der Türkei. Sie wissen, dass das nicht stimmt. Damit ist der erste Grund schon einmal hinfällig.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum zweiten Grund, den Sie nennen. Das ist die Bündnistreue: Ein NATO-Partner ist bedroht. Da muss man doch helfen. ‑ Dazu will ich eines klarstellen; denn darüber gibt es in der Bevölkerung eine große Verwirrung und Missverständnisse: Deutschland muss überhaupt nichts. Deutschland muss auch in Afghanistan nichts, Deutschland musste auch im Irak nichts, in Libyen nichts, und auch jetzt, im Fall der Türkei, gibt es keinen einzigen Vertrag, der die Bundesregierung zwingt, deutsche Soldaten in den Nahen Osten zu schicken. Das ist schon einmal die erste Bemerkung dazu.

Dann muss man sich genau anschauen, wofür die Türkei jetzt Beistand haben möchte. Sie blenden völlig aus, dass die Türkei doch ganz eigene Interessen in der Region verfolgt,

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

dass sie seit vielen Jahren ‑ im Moment ganz besonders ‑ daran arbeitet, zur Regionalmacht zu werden. Das ist der Grund, warum die türkische Regierung syrische bewaffnete Rebellen unterstützt, womit sie schon jetzt Teil des syrischen Bürgerkriegs geworden ist.

(Michael Brand (CDU/CSU): Auf welcher Seite stehen Sie denn eigentlich?)

Sie können doch keine, Sie dürfen keine Bündnistreue zeigen, weil die Türkei ganz eigene Interessen verfolgt.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit diesem Einsatz kann Deutschland direkt Konfliktpartei im Nahen Osten werden. Das ist doch ein Pulverfass. Es genügt ein Funke in Syrien oder im Iran, und ‑ paff! ‑ schon ist die Bundeswehr mitten in einem neuen Kriegsgebiet. Deshalb wird die Linke diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Anstatt militärisch aufzurüsten, könnten Sie auf ziviler Ebene helfen. Das ist schon angesprochen worden. Warum helfen Sie nicht einmal ganz anders? Warum helfen Sie nicht den Menschen in Syrien auch dadurch, dass Sie syrische Flüchtlinge nach Deutschland lassen?

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Machen Sie doch die Grenzen auf für die Menschen, die im Moment unter diesem Bürgerkrieg leiden! Sie machen die Grenzen zu und versuchen, mit deutschen Soldaten an der syrischen Grenze zu helfen. Ich glaube, das können Sie nicht wirklich ernst meinen.

Am besten wäre den Menschen in Syrien natürlich mit einer schnellen Beendigung des Bürgerkriegs geholfen. Dafür bedarf es Länder und Institutionen, die eine politische Lösung wollen, das Ziel einer Lösung verfolgen und die vermitteln können. Aber diese Rolle haben Sie völlig aufgegeben. Jetzt, da Sie deutsche Soldaten an die syrische Grenze entsenden, können Sie nicht mehr Vermittler sein, auf gar keinen Fall.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Rainer Stinner (FDP): Das ist doch Unsinn! ‑ Weiterer Zuruf von der FDP: Das ist Quatsch!)

Dieser Militäreinsatz ist das Gegenteil von Hilfe. Er wird die Situation weiter eskalieren lassen. Deswegen lehnen wir ihn ab.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren sollte.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)