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Keine Geschenke an Industrie für Netzmanagement

Rede von Dorothée Menzner,

Rede zu Protokoll214. Sitzung des Deutschen Bundestages am Donnerstag, dem 13. Dezember 2012 - TOP 36 - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) zu der Verordnung der Bundesregierung Verordnung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten (Verordnung zu abschaltbaren Lasten)

Seit mehreren Wochen herrscht bei der Bevölkerung große Aufregung wegen steigender Strompreise. DIE LINKE betont bereits seit dem Frühjahr, dass wir eine eklatante unsoziale Verteilung bei den Strompreisen haben. Die energieintensiven Industrien genießen Ausnahmen und Subventionen bei den Strompreisen in Höhe von 9 Milliarden Euro. Ein Drittel davon tragen die Verbraucherinnen und Verbraucher direkt mit über höhere EEG-Umlagen und höhere Netzentgelte, der Rest fehlt als Steuerausfälle im Staatshaushalt. Als wir im Frühjahr diesen Jahres auf diesen Umstand aufmerksam gemacht haben und forderten, die Ausnahmetatbestände auf ein moderates Maß zurückzufahren um die Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten – ohne die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu gefährden, entbrannte ein Sturm der Entrüstung auf Seiten der Koalition. Mitte Oktober war es dann soweit: im Angesicht der öffentlichen Diskussion über die zu hohen Strompreise und der hunderttausenden Stromsperren bei zahlungsunfähigen Haushalten jedes Jahr, haben außer der FDP Vertreter aller Fraktionen, ja selbst die Bundeskanzlerin Angela Merkel, immerhin angekündigt, die Ausnahmetatbestände der Industrie überprüfen zu wollen.

Nun haben wir eine Verordnung über abschaltbare Lasten vorliegen, die wiederum nichts anderes ist als ein Subventionsgeschenk an die Industrie. Das ist an Ironie kaum zu überbieten. Wenn die Bundesregierung in das Lastmanagement der Stromnetze eingreifen will, dann soll sie es auch sozial vernünftig machen.

Es ist unstrittig, dass das gezielte Eingreifen durch Übertragungsnetzbetreiber nicht nur in die Stromerzeugungsmenge, sondern auch in die Stromverbrauchsmenge im Interesse der Versorgungssicherheit und des Lastmanagements sinnvoll ist. Der Geist dieser Verordnung richtet sich allein auf die Situation, dass zu wenig Stromerzeugungsanlagen am Netz sind.

Abschaltbare Lasten sind nach dieser Verordnung einzig produzierende Betriebe mit einer gewissen Energieintensität, die sich auf Grundlage dieser Verordnung vom Regelenergiemarkt verabschiden dürfen. Kleine Unternehmen des Handwerks und Gewerbes werden aber von vornherein von diesem „Abschaltmarkt“, der somit ein Exklusivmarkt wird, ausgenommen. Es ist auch deswegen ein Exklusivmarkt, weil die Höhe der Entschädigungen nach dem Auktionsprinzip ermittelt wird. Da kann und wird es passieren, dass die Vergütung der Abschaltleistung höher wird als der Preis, den eine vergleichbare Leistung des Unternehmens ihm am Regelenergiemarkt gebracht hätte. Die Konsequenz ist, dass Unternehmen, die sich bislang am Regelenergiemarkt beteiligt haben, sich bequem aus diesem zurückziehen können und zukünftig einfach auf die höhere staatlich verordnete Vergütung zurückgreifen. Was hier also verordnet werden soll, führt zu Mitnahmeeffekten -einzig und allein bei der energieintensiven Industrie. Aber es geht noch weiter. Diejenigen Unternehmen, die am Abschaltmarkt beteiligt werden, sollen pauschal - nur für ihre Bereitschaft zum Abschalten - den Leistungspreis für die Abschaltleistung erhalten, auch wenn gar keine Abschaltung vorgenommen wurde.

Diese ganzen Kosten, zuzüglich entstandener Betriebsausfälle legen die Übertragungsnetzbetreiber dann auf die Netzentgelte, also auf die Verbraucherinnen und Verbraucher um. Zwar soll die Umlage maximal mit rund 0,1 Cent/kWh bei Privathaushalten zu Buche schlagen. In Zeiten explodierender Strompreise und der offenen Debatte über eine Übersubventionierung der Industrie bei den Energiepreisen ist das aber gelinde gesagt eine Frechheit.

Um die Absurdität des ganzen zu verdeutlichen, hilft das Gedankenspiel, diesen Mechanismus mal auf den Kopf zu stellen: denn nach dem gleichen Verordnungs-Prinzip müsste ein Privathaushalt seine kompletten Netzentgelte und gegebenenfalls den eingesparten Stromlieferpreis plus Auktionszulagen samt Mehrwertsteuer von der Industrie zurückbezahlt bekommen, wenn er nur bereit ist, bei Netzengpässen einen Lastabwurf, sprich Stromausfall, zu akzeptieren, damit dafür irgendwo ein Betrieb seine Leistung nicht reduzieren müsste.

Die Verordnung krankt aber noch an anderer Stelle. Die Regelzonen, über die die Netzbertreiber die Auktionen für Abschaltlasten ausschreiben sollen, sind völlig unterschiedlich. Die Regelzone des Netzbetreibers 50Hertz beispielsweise, die vorwiegend in den östlichen Bundesländern liegt, hat von solch einer Regelung kaum Nutzen. Denn hier kommt es durch den richtungsweisend starken Ausbau der Erneuerbaren Energien bei einer Überversorgung mit Braunkohlestrom eher zu Überkapazitäten. Zur Netzstabilisierung müssten also theoretisch eher Stromverbraucher zu- als abgeschaltet werden. Deswegen kommt es in dieser Regelzone ständig zu kostenaufwändigen sogenannten Redispatch-Maßnahmen, um überschüssigen Strom umzuleiten. Außerdem kommt es gerade auch in dieser Regelzone im Osten des Landes vermehrt zu Leitungsausbau für den Anschluss Erneuerbarer Energie-Anlagen, deren Kosten nur regional auf die Verbraucherinnen und Verbraucher innerhalb der Regelzone abgewälzt werden, obwohl der Erneuerbare Strom dem gesamtdeutschen Strommix zugute kommt. Deshalb sind Netzentgelte im Osten Deutschlands bis zu 50 Prozent höher als andernorts, was per se ungerecht ist. Die Kosten der abschaltbaren Lasten, also Netzkosten, die eher im westlichen Bundesgebiet entstehen, sollen aber bundesweit gleichmäßig umgelegt werden. Das bedeutet für die Verbraucherinnen und Verbraucher im Osten: sie zahlen doppelt. Nochmal: Lastmanagement wegen Überkapazität im Osten, die in den Westen umgeleitet wird und zum Erneuerbaren Strommix beiträgt, zahlen nur die Verbraucherinnen und Verbraucher im Osten. Lastmanagement wegen Unterkapazität im Westen zahlen alle. Dieser eklatanten Ungleichbehandlung muss zuerst mit einheitlichen Netzentgelten und der Überwindung der regionalisierten Regelzonen und Übertragungsnetze begegnet werden.

Unser Fazit ist, dass ein Eingriff in den Regelenergiemarkt, den diese Verordnung darstellt, nur in Richtung sozialerer Strompreise und gerechterer Kostenverteilung bei Verbesserung der Versorgungssicherheit gehen kann. Die Verordnung bewirkt genau das Gegenteil und wird daher von uns abgelehnt.