Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schmidt, Kollege Hempelmann, nach den Worten von Herrn Beyer, aber insbesondere von Herrn Lindner sollten Sie wirklich noch einmal darüber nachdenken, woher Sie die Hoffnung auf Chancen durch dieses Abkommen nehmen, wenn es von dieser Regierung mit verhandelt wird oder Vertreter dieser Regierung einen Einfluss darauf haben.
(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wahr! Da haben Sie recht! Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Die hat aber mit Einfluss auf das Verhandlungsmandat; das werden Sie ja nicht bestreiten.
(Dr. Rainer Stinner [FDP]: Natürlich haben wir Einfluss!)
Auch beim G-8-Gipfel wird das eine Rolle spielen.
Herr Lindner, wenn Sie von „Hasenfüßen“ und dergleichen reden: Zur Beseitigung von Schutzschranken für Umwelt, Mensch und Natur gehört wahrlich kein Mut. Dazu, in internationalen Verhandlungen solche Standards aufzustellen, Sozialstandards zu schützen, Umweltstandards zu schützen, würde Mut gehören. Alles andere ist längst Fakt. Das ist wirklich keine Kunst mehr, für die man jemand Besonderes braucht.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Margot Honecker spricht!)
Herr Schmidt hat schon viele Punkte zu den Lebensmitteln aufgeführt. Die Sozialstandards hat Kollege Hempelmann angesprochen. Wenn Sie von Chancen auf Beschäftigung reden, dann sage ich: Wer Sozialstandards einreißt und nicht schützt, der erzeugt Wettbewerbsdruck zulasten der Beschäftigten und der Arbeitsbedingungen;der schafft keine Chancen auf Beschäftigung.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es geht um Zulassungsvorschriften für Arzneimittel. Es geht um die erweiterten Rechte großer Konzerne, gegen Regierungen zu klagen. Wo bleibt da der Mut, eine demokratische Regulierung durchzusetzen? Der fehlt Ihnen völlig.
Natürlich geht es – Sie haben es auch gesagt – um völlige Liberalisierung. Es geht um Privatisierung, Deregulierung. Es geht darum, die Daseinsvorsorge endlich für Privatisierung und Liberalisierung zu öffnen, und das betrifft nicht nur die audiovisuellen Dienstleistungen.
Die französische Regierung hat in dieser Woche angekündigt, sie wolle Fernsehen, Filme und kulturelle Dienstleistungen im Interesse der kulturellen Vielfalt ausnehmen. Die Reaktion war deutlich. Die US-Regierung hat sofort verkünden lassen: Dann gibt es keine Verhandlungen. Wer Einschränkungen formuliert, würde die Verhandlungen aufs Spiel setzen. In diesem Fall ist es die Frage, ob auch nur eine Ihrer Forderungen, Kolleginnen und Kollegen der Grünen und der SPD, die wir weitgehend teilen, nach fairen Verhandlungen und fairen Handelsabkommen erfüllt wird. Bei dieser EU-Kommission, bei dieser US-Regierung – Obama hin oder her – und bei dieser Bundesregierung hat keine Ihrer Forderungen auch nur den Hauch einer Chance auf Realisierung. Deshalb sagen wir in diesem Fall tatsächlich: Man muss ein klares Nein des Parlaments zu einem solchen Verhandlungsmandat sehr deutlich machen.
(Beifall bei der LINKEN)
Es gibt noch einen weiteren Grund für die Ablehnung. Sie haben auch gesagt, dass es eine Besonderheit gegenüber anderen Abkommen mit Lateinamerika oder einzelnen Schwellenländern gibt. Sie haben davon gesprochen, Herr Beyer, dass sich hier die größten Wirtschaftsregionen mit den größten Industrieländern vereinigen.
(Peter Beyer [CDU/CSU]: Gute Sache!)
Sie schotten sich damit auch gegen den Rest der Welt ab, wenn dieses Abkommen verhandelt ist.
(Peter Beyer [CDU/CSU]: Das ist Unsinn! Dann haben Sie das Prinzip noch gar nicht verstanden! Beschäftigen Sie sich mal damit, Frau Kollegin! Sie haben keine Ahnung!)
Das ist auch eine Form von Protektionismus: Protektionismus gegenüber dem Rest der Welt.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich bin einmal gespannt, was China und die anderen Schwellenländer zu diesem Abkommen sagen. Ich denke, sie werden es als Affront betrachten, gerade weil Sie sich ihnen gegenüber abschotten. Ich denke, dass das auch Folgen für den weltweiten Handel haben wird. Der weltweite Handel mit den Schwellenländern ist inzwischen äußerst bedeutsam: auch für Deutschland, auch für die Wirtschaft, auch für die Beschäftigung. Er wird dadurch gefährdet. Diesen Aspekt darf man in der Konsequenz nicht vergessen.
Deshalb sagen wir: Dieses Abkommen schafft keine Leitplanken im Sinne von Schutz von Mensch und Natur. Es reißt Leitplanken ein und gefährdet internationale Handelsabkommen, die auf fairer Grundlage entstehen. Deswegen sagen wir diesmal einfach nur Nein zu diesem Verhandlungsmandat.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: „Diesmal“ war der Witz des Tages!)