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Katja Kipping: Den gläsernen Decken den Kampf ansagen!

Rede von Katja Kipping,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestern war der Internationale Frauenkampftag – ein Tag, an dem wir daran erinnern, was noch alles zu erkämpfen ist. Immer noch bekommen Frauen deutlich niedrigere Löhne. Wir kennen die Zahl: 21 Prozent. Niedrigere Löhne führen zu niedrigeren Renten. Da muss man sich nicht wundern, wenn die Altersarmut vor allem weiblich ist.

Hinter diesen unterschiedlichen Löhnen steht natürlich auch eine Wertung, nämlich die Unterstellung, dass die Arbeit am und mit dem Menschen weniger profitabel ist als die Arbeit an den Maschinen. Wir Linke sind überzeugt: Diese finanzielle Diskriminierung der Arbeit mit den Menschen muss aufhören. Deswegen müssen die Löhne in Pflege, Gesundheit und Bildung steigen, und zwar gründlich.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, wenn man das ernst meint, muss man ran an die schwarze Null; sie muss einfach weg.

Wenn wir über Geschlechtergerechtigkeit reden, Frau Schwesig, so kann ich nur sagen: Sie sind gut darin, Sachen zu thematisieren; aber wenn es konkret wird und umgesetzt werden muss, auch finanziell unterfüttert werden muss, lassen Sie sich immer wieder vom Koalitionspartner ausbremsen. Wer etwas für Frauen erreichen will, wer wirkliche Gleichberechtigung will, der darf sich nicht von der CDU/CSU ausbremsen lassen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Schauen wir uns die Situation im Wissenschaftsbetrieb an: Über die Hälfte aller Studierenden sind Frauen; aber wenn es um die Habilitation, um Professorenstellen geht, dann brechen die Quoten ein. Dort, wo es wirklich um Einfluss geht, da wirken die gläsernen Decken. Die Arbeitssituation an den Universitäten hat natürlich etwas mit dieser Situation zu tun. Unterhalb der Professur gibt es faktisch keine unbefristeten Arbeitsplätze, das heißt, der Flaschenhals ist extrem eng. Soziale Unsicherheit, fehlende Planbarkeit des Lebens, weil man sich immer nur von einer befristeten Stelle zur nächsten hangeln muss – all das erschwert, dass sich Frauen auf eine Karriere im Wissenschaftsbereich einlassen. Deswegen sagen wir: Das Gebot der Stunde für bessere Arbeitsbedingungen im Wissenschaftsbereich, aber auch für mehr Professorinnen lautet ganz klar: Wir brauchen mehr unbefristete Stellen im Wissenschaftsbereich, wir brauchen mehr Planbarkeit, damit Frauen Karriere in der Wissenschaft machen können.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu den Wurzeln der Ungleichheit gehört meiner Meinung nach die ungerechte Verteilung der Tätigkeiten zwischen den Geschlechtern. Immer noch wird ein Großteil der wunderbaren, liebevollen Familien- und Hausarbeit, der Care-Arbeit, von Frauen getragen. Hier ist Umverteilung angesagt. Es muss Schluss damit sein, dass man den Männern diese liebevolle, schöne, sinnstiftende Tätigkeit vorenthält. Das können wir den Jungs nicht weiter antun.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein wichtiges Instrument ist dabei natürlich die Verkürzung der allgemeinen Arbeitszeit. Ja, ich finde, die Arbeitswoche der Zukunft muss die 30-Stunden-Woche sein.

(Beifall bei der LINKEN – Marian Wendt [CDU/CSU]: 20! Wir gehen gar nicht mehr arbeiten!)

Von einer gerechteren Verteilung der Tätigkeiten profitieren Männer wie Frauen und übrigens auch die Partnerschaft.

Weil Sie die wirkliche Wahlfreiheit angesprochen haben: Ich finde, dazu gehört zuallererst, dass wir uns von klassischen Rollenmustern befreien. Vor dem Hintergrund ist es wichtig, dass es Initiativen wie „Eltern in der Politik“ gibt, die darum streiten, dass politisches Engagement und aktive Elternschaft miteinander vereinbar sind. Wir fordern Kinderzeit und politikfreie Sonntage.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wenn wir uns von klassischen Rollenmustern befreien wollen, müssen wir auch hinterfragen, was als wirklich männlich gilt. Früher war es ja so, dass man als besonders verantwortungsvoller Vater galt, wenn man besonders viel Kohle nach Hause gebracht hat. Das ging eigentlich immer damit einher, dass man besonders viel Zeit im Job zugebracht hat. Diese Zeiten sollten vorbei sein.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Am besten gar nicht arbeiten!)

Ich meine, Männer, für die es selbstverständlich ist, dass sie mindestens 50 Prozent der Erziehungs-, Pflege- und Hausarbeit übernehmen, sind die wahren Trendsetter. Das sind die wahren Helden des Alltags.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Danke!)

Ich möchte noch einmal ganz grundsätzlich werden. Wir alle erleben es: Wer immer sich positiv zu Frauenrechten äußert, der muss mit einem Shitstorm rechnen, nicht nur im Netz. Ja, wir erleben aktuell eine aggressive antifeministische Mobilmachung. Allen Frauen, die sich für Frauenrechte einsetzen, sei es im Betrieb, im Netz, in der Redaktion oder auch in so mancher Fraktion, kann ich nur sagen: Lassen wir uns durch diese aggressive Mobilmachung nicht entmutigen! Halten wir es mit Clara Zetkin, die angesichts vieler Widrigkeiten immer wieder sagte: Jetzt erst recht!

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um es zusammenzufassen: Die Frauenbewegung hat wirklich viel erreicht. Früher konnte selbst der dümmste sexistische Spruch noch mit schenkelklopfendem Beifall rechnen. Diese Zeiten sind vorbei. Das ist gut. Immer mehr Eltern wollen gleich viel Zeit mit den Kindern verbringen. Hier hat man wirklich etwas erkämpft. Kompliment! Hut ab vor der Frauenbewegung! Aber es gibt immer noch viel zu tun.

Unsere Kämpfe um Geschlechtergleichgerechtigkeit richten sich eben nicht ausdrücklich gegen Männer. Ganz im Gegenteil: Wir streiten für eine Gesellschaft, in der ein gutes Leben für alle möglich ist. Deswegen legen wir uns mit allen Verhältnissen an, in denen der Mensch ein geknechtetes Wesen ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)