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Kathrin Vogler: Südsudan: Menschen mit zivilen Mitteln helfen, mehr Geld gegen Hungersnot

Rede von Kathrin Vogler,

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich finde auch, da dies ein ernstes Thema ist, sollten wir versuchen, uns darauf zu konzentrieren.

Ich kann mich noch gut erinnern an die Menschen, die ich, als ich Ende 2010 im Südsudan war, dort kennengelernt habe. Ich wollte mir selber ein Bild machen von der Lage vor dem Referendum. Ich weiß noch, wie sehr das ganze Land vor lauter Anspannung und Aufregung gebebt hat. Viele haben sich damals dafür starkgemacht, dass die Abstimmung über die Abspaltung vom Norden friedlich und ohne Gewalt vonstattengeht.

Die Hoffnungen, die die Menschen mit einem eigenen Staat verbunden haben, waren damals wirklich riesengroß. Sie haben gehofft, dass es endlich Frieden, Wohlstand und Sicherheit für alle Menschen im Land geben würde. Aber schon damals haben wir gespürt, dass das nicht so einfach werden würde; denn die inneren Konflikte in der südsudanesischen Gesellschaft – Konflikte um knappe Ressourcen, Konflikte zwischen Ackerbauern und Viehzüchtern und Konflikte zwischen den verschiedenen Stämmen – standen schon damals auf der Tagesordnung. Sie wurden nur überlagert vom großen Konflikt mit dem Norden.

Die neue Regierung unter Salva Kiir hat die Bürgerkriegsmilizen damals nicht einfach aufgelöst, sondern sie zum größten Teil bewaffnet in einen gigantischen Militär- und Polizeistaatsapparat integriert. Es kam so, wie wir es schon damals befürchtet haben: Seit 2013 herrscht wieder Bürgerkrieg im Südsudan, und die Zivilbevölkerung leidet massiv, vor allem die Jugendlichen und die Frauen. Ja, die Berichte sind erschreckend: Mord, Folter, Vergewaltigung als Kriegswaffe und Hunderttausende auf der Flucht. Allein im Nachbarland Uganda erwartet man bis Ende Mai 800 000 Geflüchtete.

Hier dürfen wir nicht untätig zusehen. Deshalb ist es gut, dass die Grünen das Thema heute auf die Tagesordnung gesetzt haben. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD])

Die Bundesregierung schlägt uns immer wieder dasselbe oder mehr vom Selben vor: die Verlängerung, den Ausbau des Bundeswehreinsatzes im Südsudan. Nun fordern leider auch die Grünen eine Ausschöpfung oder Aufstockung des Bundeswehrmandats für die UN-Mission UNMISS. Ich finde es ein bisschen widersprüchlich, wenn man auf der einen Seite die Bemühungen der Bundesregierung um eine massive Erhöhung des Rüstungsetats beklagt und auf der anderen Seite die Aufstockung von Militärmissionen fordert.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 20 Leute! Um 5 auf 20 Leute!)

Aber damit müssen Sie klarkommen. Die Lösung, die Sie uns hier vorschlagen, ist keine Lösung.

(Beifall bei der LINKEN)

Schon bisher hat UNMISS die Bevölkerung nicht wirksam schützen können.

(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Sondern?)

UNMISS selbst verursacht immer wieder Negativschlagzeilen, weil die Soldaten zu spät reagieren oder sogar untätig dabeistehen, wenn Frauen vergewaltigt werden, wenn sexuelle Gewalt verübt wird. Das belegen interne Berichte der UNO. In diesen Untersuchungen wird auch das Problem beschrieben, dass die Soldaten auf ihren Patrouillen häufig nur durch die Sehschlitze ihrer Panzerfahrzeuge schauen können und gar nicht mitkriegen, wo sich Gewalt anbahnt, wo Frauen bedrängt und Jugendliche bedroht werden.

(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Was heißt das?)

– Das heißt, dass man sich auch über andere Dinge Gedanken machen muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke hat bereits vor drei Jahren einen Antrag eingebracht, der genau diese Lücke füllen sollte. Zumindest die nicht abgerufenen Mittel aus der Bundeswehrmission wollten wir dafür verwenden, den unbewaffneten Schutz der Zivilbevölkerung, wie er von zivilgesellschaftlichen Organisationen im Südsudan musterhaft praktiziert wird, zu unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass diese Maßnahmen wirksam sind – dies wird da und dort immer wieder bestritten –, hat inzwischen auch der UN-Sicherheitsrat festgestellt. Ich wundere mich ein bisschen, dass dieses Instrument des unbewaffneten zivilen Peacekeeping, zu dem wir eine wunderbare Anhörung im Bundestag hatten, von den Grünen gar nicht zur Kenntnis genommen wird und nicht in dem Antrag auftaucht.

Viele andere Vorschläge können wir mittragen, etwa die sehr wichtigen Forderungen nach einem Waffenembargo sowie nach verstärkten Bemühungen um Verhandlungslösungen und die Forderung, dass zivilgesellschaftliche Akteure besser geschützt werden. Das finden wir richtig. Ich will darauf hinweisen: Das Allerwichtigste, das nun sofort getan werden muss, ist der massive Ausbau der humanitären Hilfe.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben es mit zwei Krisen zu tun. Das sind der Bürgerkrieg und die Hungerkrise. Beide hängen miteinander zusammen und verschlimmern sich gegenseitig. Die UN befürchten, dass in kürzester Zeit bis zu 250 000 Kinder verhungern werden, wenn nicht schnell Hilfe kommt. Hier könnte die Bundesregierung ganz konkret Menschenleben retten. Die bisherigen Zusagen der Bundesregierung an die Vereinten Nationen sind völlig unzureichend. Allein für den Südsudan fehlen akut noch 1,4 Milliarden US-Dollar für die Nothilfe. Die Bundesregierung hat jetzt 43 Millionen Dollar bereitgestellt; das ist ein Zweiunddreißigstel. Würden wir nur nach unserem Bruttoinlandsprodukt gehen, dann müsste dieser Anteil mindestens 100 Millionen US-Dollar betragen.

Gut. – Auch weil die Regenzeit bevorsteht und die Hilfe die Menschen dann nicht mehr erreichen wird, fordere ich Sie auf: Handeln Sie jetzt. Handeln Sie schnell. Zeigen Sie Menschlichkeit. In vier Wochen kann es zu spät sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Frank Schwabe [SPD])