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Kathrin Vogler: Bundesregierung muss mehr für den Schutz von Frauen vor Kriegen tun

Rede von Kathrin Vogler,

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Staatsministerin, ich möchte Ihnen auch im Namen meiner Fraktion alles Gute für Ihren weiteren Lebensweg wünschen und auch, dass Sie noch viele Gelegenheiten haben, weitere Fortschritte für die Frauen in diesem Land und weltweit zu beobachten.

Das, worüber wir heute diskutieren, sollte es, wenn es nach der schwarz-gelben Koalition und der letzten Bundesregierung gegangen wäre, eigentlich gar nicht geben. Sie haben uns jahrelang erklärt, ein nationaler Aktionsplan zum Schutz von Frauen und Mädchen in Gewaltkonflikten sei gar nicht nötig. Dann plötzlich, kurz vor Ende der letzten Legislaturperiode, gab es ihn doch: den Aktionsplan zur UN-Resolution 1325. Die Begründung lautete – wenn ich das einmal flapsig und kurz zusammenfassen darf –, man glaube zwar noch immer nicht, dass ein solcher Aktionsplan nötig sei, dass man es aber leid sei, sich ständig der öffentlich vorgebrachten Forderung erwehren zu müssen, und dass es daher einfacher sei, einmal etwas aufzuschreiben. Das war natürlich ein Lob für uns, die Opposition, aber vor allem für die vielen Organisationen der Frauen-, Friedens- und Entwicklungsbewegungen, die der Bundesregierung damals ordentlich Zunder gegeben haben. Dafür möchte ich mich bedanken.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Allerdings wirkte dieser Aktionsplan dann auch eher beliebig, von Unwilligkeit geprägt. Der Umsetzungsbericht krankt daran, dass es sich um ein buntes Sammelsurium vieler einzelner Initiativen der Bundesregierung und der Zivilgesellschaft handelt. Aber auf die Frage, was eigentlich gut funktioniert hat und was nicht, wo die Bundesregierung noch Verbesserungsbedarf sieht, was wirklich gewirkt hat, gibt er leider kaum eine Antwort. Ohne eine solche Bestandsaufnahme fehlt natürlich die Grundlage für die Neuauflage. Es gibt keine Beschreibung des Istzustands, keine klaren Ziele und keine Indikatoren. Eine Hilfsorganisation, die auf der Grundlage eines solchen Umsetzungsberichts einen so nachlässig ausgearbeiteten Projektantrag beim Auswärtigen Amt oder beim Entwicklungshilfeministerium stellen würde, bekäme von der Bundesregierung vermutlich keinen einzigen Cent.

Apropos Geld: Auch der neue Aktionsplan ist weder finanziell noch personell untersetzt. Dabei hat doch die OSZE in ihrer Studie über die nationalen 1325-Aktionspläne betont, dass fehlende Ressourcen einer der Hauptgründe für die geringen Fortschritte bei der Umsetzung sind. Meine Damen und Herren von der Koalition, die Belange von Frauen im Zusammenhang mit Gewaltkonflikten und der Kampf gegen geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalt dürfen keine Orchideenthemen sein, die nur dann bearbeitet werden, wenn gerade nichts anderes anliegt. Sie brauchen Ressourcen – personelle, finanzielle –, und sie müssen auch stetig sein.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Böhmer hat es gesagt: Wir müssen am Ball bleiben.

Etwas, wo ich persönlich am Ball bleiben möchte, weil es mir wichtig ist, ist der unbewaffnete Schutz von Zivilistinnen in Kriegen. Die globale Studie der UN, die Global Study, die auch Sie schon erwähnt haben, betont, dass unbewaffnetes, ziviles Peacekeeping durch speziell ausgebildete Friedensfachkräfte sich als besonders effektiv für den Schutz von Frauen und Kindern in Gewaltkonflikten erwiesen hat. Ich finde, die Bundesregierung sollte das endlich einmal zur Kenntnis nehmen und Konsequenzen ziehen, anstatt ihr Mantra vom angeblichen Nutzen militärischer Interventionen wieder und wieder zu beten.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Schluss muss ich Sie auch noch fragen, wie ernst Sie eigentlich Ihre eigenen Ansprüche nehmen. Der neue Aktionsplan betont – das ist auch richtig –, dass die Umsetzung der Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ eine Querschnittsaufgabe ist. Aber auf den mehr als 140 Seiten des Weißbuchs wird sie nur flüchtig erwähnt. In der Zukunftscharta des Entwicklungsministeriums taucht sie gar nicht auf. Kann es sein, dass Sie Angst haben vor den Verpflichtungen, die sich aus der Verabschiedung dieser Agenda ergeben würden? Wenn Sie wirklich die Ursachen von Gewalt gegen Frauen angehen wollten, dann müssten wir viel stärker über Prävention reden, und dann wird es nämlich unbequem; denn dann müssten wir uns fragen, ob die Politik dieser Bundesregierung in allen Ressorts wirklich auf die Verhütung von Kriegen angelegt ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Am deutlichsten wird dieser Widerspruch bei der aktuellen Rüstungsexportpolitik dieser Bundesregierung. Um ein Beispiel zu nennen: Saudi-Arabien führt im Jemen einen blutigen Krieg, unter dem die Zivilbevölkerung, insbesondere die Kinder und die Frauen, leiden. Die schreckliche Not der über 3 Millionen Flüchtlinge ist für uns kaum vorstellbar. Viele Familien sehen sich inzwischen gezwungen, ihre minderjährigen Kinder zwangszuverheiraten, um mit der Mitgift das Essen für die anderen Familienmitglieder bezahlen zu können. Das ist die brutale Wirklichkeit des Krieges, und dieser Krieg wird auch mit deutschen Waffen geführt, mit Waffen, die mit Genehmigung der Bundesregierung an das saudische Unrechtsregime geliefert wurden. Prävention müsste doch zumindest bedeuten, den Rüstungsexport in solche Staaten wie Saudi-Arabien konsequent und komplett zu beenden, und zwar sofort.

(Beifall bei der LINKEN)

Das, meine Damen und Herren, ist Ihre Verantwortung gegenüber den Töchtern und den Müttern im Jemen und anderswo.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)