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Kathrin Vogler: Beschäftigte brauchen starke Schutzrechte gegen Ausbeutung und Entrechtung!

Rede von Kathrin Vogler,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ich im Mai, kurz nach der Präsidentschaftswahl, mit einer Delegation des Bundestags in der Ukraine war, haben wir ein Land erlebt, in dem wenige Superreiche einer großen Zahl von armen und sehr armen Menschen gegenüberstehen. Die Oligarchie hat sich das Land zur Beute gemacht, mit korrupten Strukturen durchzogen, die politische Elite war eng verflochten mit der wirtschaftlichen Macht und die Beschäftigten weitgehend entrechtet und oft auch ausgebeutet. Freie Gewerkschaften sind leider unterentwickelt, und das Sozialsystem in der Ukraine ist entsprechend schwach ausgeprägt. Hohe Arbeitslosigkeit und niedrige Löhne bieten keine Perspektive für die oft gut ausgebildeten Jugendlichen. Daher haben wir leider immer wieder gehört, dass viele sich eine Karriere im Ausland, am liebsten in Deutschland wünschen.

Die schwierige Aufgabe für Präsident Selenskyj ist jetzt nicht nur, die korrupten Strukturen in seinem Land zu zerschlagen und den Friedensprozess für die Ostukraine weiter voranzubringen. Mit dem beginnenden Truppenrückzug in der Region Luhansk, dem Bekenntnis zur Steinmeier-Formel und dem Bestreben der ukrainischen Regierung, ein Gipfeltreffen im Normandie-Format durchzuführen, stehen die Chancen für eine allmähliche Lösung dieses schlimmen Konflikts so gut wie nie, und das gibt Hoffnung.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hoffnung brauchen die Menschen aber auch in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung. Gerade die jungen Menschen – das haben wir immer wieder gehört – brauchen gute und attraktive Arbeitsplätze, damit sie sich nicht zur Auswanderung gezwungen sehen. Dabei sollten wir der Ukraine helfen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn sie aber doch in Deutschland arbeiten wollen, dann brauchen sie Klarheit über ihre Rechte. Das Sozialversicherungsabkommen mit der Ukraine, das wir hier heute beschließen wollen, schafft Arbeitskräften Rechtssicherheit in Bezug auf Leistungen der Unfall- und der Rentenversicherung. Es sichert ihnen Ansprüche, die sie – und das muss die AfD erst noch einmal verstehen lernen – durch ihre eigenen Beiträge erworben haben.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist auch für die jüdischen Kontingentflüchtlinge gut, dass es dieses Abkommen gibt; denn ihre Renten können damit rückwirkend ausgeglichen werden. Dafür haben wir Linke uns eingesetzt.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD])

Das alles ist notwendig, und es ist gerecht. Deswegen stimmen wir heute dem Abkommen und der Ratifizierung gerne zu.

Dennoch sehen wir auch einiges kritisch. Zum einen fehlt uns die Einbeziehung der Kranken- und der Pflegeversicherung in das Abkommen. Zum anderen bezweifeln wir, dass die Möglichkeit, dass Arbeitgeber und Beschäftigte einvernehmlich auf die Sozialversicherung verzichten, im Interesse der Beschäftigten sein kann. Die Macht, dieses sogenannte Einvernehmen mit Druck und Drohungen durchzusetzen, sehen wir sehr einseitig auf der Seite der Unternehmen. Insofern ist zu befürchten, dass diese Regelung als Einfallstor für Sozial- und Lohndumping genutzt werden kann; denn Sozialversicherungsabgaben sind Lohnbestandteile, auf die die Beschäftigten in Deutschland ein Recht haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Dennoch ist das Abkommen insgesamt ein wichtiger Beitrag zur sozialen Sicherheit von ukrainischen Arbeiterinnen und Arbeitern in Deutschland und umgekehrt. Das unterstützen wir gerne.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD])