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Karin Binder: Verbraucherrechte endlich stärken

Rede von Karin Binder,

Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Kolleginnen und Kollegen! Verbraucherpolitik wurde in der 18. Legislaturperiode aufgeteilt: Wirtschaftlicher Verbraucherschutz ging an das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, gesundheitlicher Verbraucherschutz blieb beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Wozu führt das? Verbraucherpolitik wird aufgeteilt und damit geschwächt. Sie wird in zwei Ministerien als Anhängsel betrachtet und verliert damit ihre Durchschlagskraft. Dafür gibt es leider zahlreiche Beispiele.

Ich beginne mit dem VW-Skandal. Der Abgasskandal, der wahrscheinlich auch Ihnen, den Besucherinnen und Besuchern hier im Bundestag, nicht unbekannt ist, hat deutlich gemacht, dass Verbraucherschutz ganz dringend gestärkt werden muss. Statt jedoch die Verbraucher zu stärken, wird die Automobilbranche vor den berechtigten Ansprüchen von Autokäufern und der geschädigten Gesamtgesellschaft geschützt. Die VW-Fahrer bleiben auf den Kosten und die Gesellschaft auf Umwelt- und Klimaschäden sitzen. Mehrfach wurde im Ausschuss die Beratung dieses Themas angesetzt – und von den Koalitionsfraktionen wieder abgesetzt. Es war also nicht möglich, auch für uns als Opposition nicht, hier tatsächlich die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber der Wirtschaft und Finanzwelt zu stärken.

Es gibt heute weder Gruppen- noch Sammelklagen. Herr Minister, warum gibt es noch keine Möglichkeit zur Musterfeststellungsklage? Das wäre wünschenswert. Genau in diesem Fall hätten wir sie gebraucht – nicht in vier Jahren, sondern jetzt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In vier Jahren sind nämlich die ganzen Fristen für die Geschädigten abgelaufen. Und wer klagt dann das Recht ein? Nein, die Unternehmen behalten dann ihre unrechtmäßig erhaltenen Gewinne. So kann man Verbraucherpolitik auch verstehen.

Auch in anderen Fällen haben wir leider viel zu wenig Einsatz von Ihnen gesehen, Herr Minister, obwohl von der EU zahlreiche Vorgaben gemacht wurden. Sie haben ja einiges genannt. Gut, das kann man so stehen lassen. Aber statt mit den EU-Richtlinien für einen besseren Verbraucherschutz zu sorgen, haben Sie die Standards zum Teil sogar abgesenkt.

Gerade im Zusammenhang mit den Wohnimmobilien wurde das Widerrufsrecht der Bankkunden, der Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer, beschnitten. Nach wie vor betragen die Dispozinsen zum Teil über 10 Prozent. Mit welcher Begründung, mit welcher Berechtigung verlangen die Banken so viel Geld und stehlen sich aus ihrer Verantwortung?

Den Mieterschutz merke ich positiv an; ich freue mich darüber. Die Linke begrüßt es, dass das Mietrecht inzwischen tatsächlich als Verbraucherschutzrecht anerkannt wird. Leider – Sie haben es auch angesprochen – ist die Mietpreisbremse aber nicht wirksam. Zum Teil erleben die Menschen das Gegenteil: Sie wirkt teilweise sogar mietsteigernd. Warum gibt es denn noch nicht die Verpflichtung der Vermieter, die Vormiete anzugeben? Das wäre doch eine Leichtigkeit. – Tun Sie es doch einfach, Herr Minister!

(Beifall bei der LINKEN)

Es wurde ein Sachverständigenrat für Verbraucherfragen eingerichtet. Auch das begrüßen wir als Linke. Es geht um die Digitale Agenda, die die Bundesregierung inzwischen erlassen hat. Aber eine umfassende Strategie zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem großen neuen Gebiet gibt es leider noch nicht.

Zwölf Empfehlungen hat dieser Sachverständigenrat bereits Anfang 2016 zum besseren Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher in der digitalen Welt an das Ministerium übermittelt. Die Bundesregierung hat aber noch nicht einmal die Hälfte dieser bisherigen Empfehlungen aufgegriffen. Auch hier frage ich mich: Warum nicht?

Wir haben inzwischen zwei Marktwächter, und zwar zum Thema „Finanzen“ und zum Thema „Digitale Welt“. Wir freuen uns darüber, dass sie eingerichtet wurden. Das forderten wir als Linke schon lange. Leider haben aber auch diese Marktwächter bei festgestellten Problemen keinerlei Durchsetzungskraft gegenüber Unternehmen, und sie haben auch keine Befugnisse gegenüber Behörden, um diese zum Handeln zu bewegen.

Die Datenschutzbehörden sind finanziell viel zu schlecht ausgestattet, um Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern durchzusetzen. Die Befunde der Marktwächter finden bei der Bundesregierung leider kein Gehör. Produktergänzende Versicherungen gegen Diebstahl, Schäden oder den Ausfall von Handys oder Reisen sind zum Beispiel nicht reguliert worden, obwohl die Marktwächter hier dringenden Handlungsbedarf sehen.

Die Verbraucherorganisationen – vzbv und Stiftung Warentest – wurden finanziell gestärkt. Das alles ist prima, und das unterstützen wir auch. Dennoch reichen die Mittel nicht aus. Gelder aus Kartellstrafen fließen weiterhin in den Bundeshaushalt, anstatt den Verbraucherverbänden zur Verfügung gestellt zu werden, die für ihre wichtige Arbeit wirklich unser aller Dank verdienen. An dieser Stelle möchte ich mich wirklich auch einmal dafür bedanken.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ohne diese engagierte Arbeit wäre Verbraucherschutz in Deutschland wahrscheinlich nicht halb so viel wert.

Um all das zu unterstützen, brauchen wir eine Verbraucherbehörde. Die Linke fordert eine finanziell gut ausgestattete und unabhängige Verbraucherbehörde, die tatsächlich auch Befugnisse erhalten muss. Diese Befugnisse sollen dieser Behörde die Möglichkeit geben, Sanktionen gegenüber Unternehmen auszusprechen und die Unternehmen letztendlich auch zur Rückzahlung unrechtmäßiger Einnahmen und Gewinne zu verpflichten.

Wir brauchen auch den Schutz von besonderen Verbrauchergruppen. Herr Minister, Sie haben drei Gruppen angesprochen: Bankkunden, Mieterinnen und Mieter und Internetnutzer. Ich finde aber, Sie haben dabei eine besondere Gruppe sehr vernachlässigt, nämlich die vielen Menschen in Deutschland mit geringem oder keinem Einkommen, die von den Banken nach wie vor abgezockt werden. Es gibt bei Banken und Sparkassen ein Basiskonto, wofür die Menschen mit wenig Einkommen zum Teil höhere Gebühren zahlen müssen als andere Kunden, die genügend Geld zur Verfügung haben. Worin liegt da der Sinn? Dass man ausgerechnet den Menschen, die wenig Geld haben, aber ein Konto für den bargeldlosen Zahlungsverkehr brauchen, höhere Gebühren abverlangt, hat doch keinen Sinn. Das Gegenteil wäre notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Thema „Nachhaltigkeit und Verbraucherpolitik“ spielt in dem Bericht leider auch keine große Rolle. Wir mussten die CSR-Richtlinie in dieser Legislaturperiode umsetzen, aber das Thema „Informationsrechte der Verbraucherinnen und Verbraucher“, zum Beispiel zu Sozialstandards und Ökostandards, nach denen Unternehmen produzieren, spielt in dieser Richtlinie keine Rolle. Gerade das Thema „Informationsrecht“ bleibt in dem Bericht und blieb in dieser Legislaturperiode leider auf der Strecke. Das Wort „Verbraucherinformationsgesetz“ kommt nicht vor, auch Whistleblowing ist für Sie kein Thema.

Klar, das Thema „Sicherheit von Lebensmitteln und verbrauchernahen Produkten“ ist beim Landwirtschaftsminister angesiedelt. Aber ich denke, als Justizminister hätten Sie die Möglichkeit, insbesondere § 40 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches anzugehen. Gerade die Regelungen in diesem Paragrafen behindern Länderbehörden dabei, Verstöße öffentlich zu machen, an denen sich Verbraucherinnen und Verbraucher orientieren könnten – aber eben nur dann, wenn diese Kontrollergebnisse öffentlich gemacht würden. Die Länderbehörden haben schon mehrfach darum gebeten, hier Abhilfe zu schaffen. Das wäre durchaus ein Thema fürs Justizministerium.

(Beifall bei der LINKEN)

Mein Fazit: Die Aufteilung des Verbraucherschutzes auf zwei Ministerien schwächt den Verbraucherschutz. Die Linke fordert die Zusammenführung und Stärkung in einem eigenen Verbraucherministerium, um der Verbraucherpolitik mehr Durchsetzungskraft gegenüber Wirtschaft und Finanzwelt zu verschaffen. Es betrifft über 80 Millionen Menschen in Deutschland. Es betrifft jeden Einzelnen von uns. Deshalb brauchen wir hier eine starke Verbraucherpolitik. Lassen Sie uns deshalb um ein eigenes Ministerium kämpfen. Ich hoffe, ich habe hierfür auch Ihre Unterstützung.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)