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Karin Binder: Klare Regeln für gute Ernährung

Rede von Karin Binder,

Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Ihr Ernährungsbericht ist keine leichte Kost. Es stecken nach wie vor zu viele Dickmacher und zu viele Schadstoffbelastungen in den Lebensmitteln. Das zeigt uns, dass noch viel zu tun ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach wie vor setzen Sie auf Freiwilligkeit und auf guten Willen und schieben die Verantwortung auf die Länder und die Kommunen ab, statt Verantwortung zu übernehmen und klare und verbindliche Regelungen zu treffen. Das Thema „krebserregende Mineralölrückstände“ beschäftigt uns seit Jahren. Alle Kolleginnen und Kollegen in unserem Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft wissen um die Problematik, aber es wird nichts Effektives dagegen getan. Es gibt nur eins: die Belastungen dadurch zu senken, dass wir diese Rückstände verbieten. Es muss verboten werden, dass in Lebensmittelverpackungen recyceltes Papier verwendet wird, das mit genau diesen Mineralölrückständen belastet ist. Das bedeutet: Letztendlich müssen wir diese mineralölhaltigen Farben verbieten; denn sonst werden wir sie immer wieder in Lebensmitteln finden, und das darf nicht sein. Diese Stoffe sind krebserregend.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Gleiche betrifft auch Kinderspielzeug. Das hat zwar nichts mit Lebensmitteln zu tun, aber auch hier bestehen Belastungen, weil Kinder Spielzeuge in den Mund nehmen. Deshalb ist dieser Bereich auch im gesundheitlichen Verbraucherschutz in Ihrem Ministerium angesiedelt. Zwar gibt es eine deutsch-chinesische Expertenkommission, die beim Wirtschaftsministerium angesiedelt ist und die sich um das Problem von belasteten Spielzeugen kümmern soll, aber seit Jahren passiert nichts. Nach wie vor erfahren wir immer wieder, dass auf europäischer Ebene im Meldesystem RAPEX Spielzeuge an oberster Stelle stehen, wenn es um gefährliche Gegenstände geht. Das kann doch nicht wahr sein. Hier muss etwas passieren, Herr Minister. Schalten Sie sich ein in diese Kommission – im Sinne der Kinder, im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher.

(Beifall bei der LINKEN)

Lebensmittelskandale gibt es nach wie vor. Sie erinnern sich vielleicht an die mit Salmonellen verseuchten Eier der Firma Bayern-Ei im vergangenen Jahr, an Listerien in der Wurst mit tödlichem Ausgang für manche der Betroffenen und viele Erkrankungen. Es sind allein in den vergangenen fünf Jahren 16 000 Menschen in Deutschland aufgrund solcher belasteten Lebensmittel erkrankt. 75 Menschen sind gestorben. Das ist ein Skandal. Das muss doch ein Zeichen sein, dass hier viel mehr getan werden muss. Letztendlich muss man sagen: Das Ganze steht und fällt mit den amtlichen Lebensmittelkontrollen, und wir wissen alle, dass diese Kontrolleure bezüglich der Arbeitsbelastung am Anschlag sind. Sie sind einer großen Belastung ausgesetzt, weil es viel zu wenige Kolleginnen und Kollegen gibt, die mit anpacken. Wir brauchen also eine bessere Ausstattung bei den Lebensmittelkontrolleuren. Wir brauchen auch eine bessere materielle und technische Ausstattung, die heute notwendig ist, um all diesen Schadstoffen, um all diesen Krankheitserregern auf die Spur zu kommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Gesunde Ernährung steht und fällt eben leider nicht nur mit der Kennzeichnung, obwohl ich sage, dass Kennzeichnung ganz wichtig ist; denn sie ermöglicht überhaupt erst die Entscheidung von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Herr Minister, warum wehren Sie sich nach wie vor gegen die Ampelkennzeichnung?

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Weil sie Blödsinn ist!)

Sie sagen, alles sei verständlich, alles sei wunderbar. Aber Informationen in einer Schriftgröße von nur 0,2 Millimetern – ich sage es mal so – können viele Menschen nicht lesen, zumindest nicht in der Eile eines Einkaufs. Deshalb wäre die farbliche Unterlegung mit Grün, Gelb und Rot, um erkennbar zu machen, wo Dickmacher drin sind, die wir alle eigentlich nur in Maßen zu uns nehmen sollten, die einfachste Lösung. Warum wehren Sie sich nach wie vor dagegen?

Dass wir jetzt mittlerweile Lebensmittel als vegan und vegetarisch kennzeichnen, halte ich für sehr wichtig. Ich halte es im Sinne einer ausgewogenen Ernährung auch durchaus für sinnvoll, dass Regelungen im Zusammenhang mit Gemeinschaftsverpflegungen, mit Kinder- und Schulverpflegung getroffen werden. Es besteht ganz klar das Bedürfnis, zum Beispiel im Sinne des Tierwohls oder im Sinne der eigenen Weltanschauung, entscheiden zu können, dass man keine tierischen Produkte zu sich nimmt oder eben nur in einem Maß, das vertretbar ist. Deshalb haben auch wir in diesem Zusammenhang Forderungen an die Bundesregierung.

Sie haben einen entsprechenden Antrag eingebracht. Er ist durchaus bedenkenswert. Aber ich frage mich, warum Sie zum Schluss fordern, sich dafür einzusetzen, dass Lebensmittelhersteller, die von der in den Leitsätzen der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission beschriebenen Qualität abweichen, diese Abweichungen auf ihren Produkten deutlich machen müssen. Entweder es ist vegetarisch, oder es ist vegan, oder es ist es eben nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Warum machen Sie gleich wieder ein Hintertürchen auf? Das ist doch Unsinn. Um Himmels willen, streichen Sie diesen Punkt aus Ihrem Antrag. Dann könnten wir ihm zustimmen. So leider nicht.

Sie reden über ein Bundeszentrum für Ernährung, über Infoportale und didaktische Materialien – alles wunderbar. Aber ich sage es einmal so: Theorie ist das eine, also Theorie im Nationalen Qualitätszentrum für gesunde Ernährung in Kita und Schule, Theorie bei einem Institut für Kinderernährung. Das alles brauchen wir. Aber wir brauchen auch die Praxis, Herr Minister. Die Praxis bedeutet Kita- und Schulverpflegung für alle Kinder in Deutschland, und zwar kostenfrei, weil die Qualität sonst nicht gewährleistet werden kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen diese Praxis im Sinne von Fürsorge und Vorsorge des Staates. Deshalb sehe ich hier den Bund in der Pflicht und nicht die Länder und die Kommunen. Der Bund hat etwas davon, wenn unsere Kinder mit einem Ernährungsbewusstsein aufwachsen, das ihnen später als Erwachsene eine gesunde Ernährung ermöglicht. Das wäre notwendig. Deshalb, Herr Minister, sollten in Ihrem nächsten Haushalt die notwendigen Mittel hierfür eingestellt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt komme ich zum Schluss zu unserem eigenen Antrag, den wir im Zusammenhang mit dem Thema Lebensmittelkontrollen einbringen. Uns geht es um den sogenannten Hygiene-Smiley. Ich denke, das ist eine ganz einfache Darstellung, die zeigt, ob ein Betrieb sauber ist, ob er in Ordnung ist. Er hilft vielen Menschen bei der Entscheidung, ob man dort hineingeht bzw. dort einkauft. Was haben Sie für ein Problem damit, der Öffentlichkeit mit diesem Signal zu sagen, dass es sich um einen guten Betrieb handelt? Sie wollen doch die guten Betriebe unterstützen. Ein lachender Smiley oder meinetwegen auch eine Kennzeichnung in anderer Form, durch die Menschen entscheiden können, ob sie in einen Laden gehen, wäre eine wunderbare Sache. Das funktioniert hervorragend in Dänemark. Dadurch werden die Verstöße gegen die Hygiene eingedämmt. Dänemark hat damit hervorragende Erfolge; aber Sie weigern sich, eine verbindliche und auch juristisch haltbare Lösung ins Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch hineinzuschreiben. Damit schaffen Sie automatisch Rechtsunsicherheit.

Wir haben gerade erst die letzte Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zur Kenntnis genommen, das tatsächlich sagt: So geht es nicht, wir brauchen hier Rechtssicherheit. – Herr Minister, sorgen Sie dafür. Ändern Sie endlich § 40 im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, sodass die Länderbehörden auch einen gewissen Schutz davor haben, später von den Betrieben verklagt zu werden.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)