Zum Hauptinhalt springen

Karin Binder: Gentechnik-Gesetz als Bürokratie-Monster

Rede von Karin Binder,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worüber reden wir heute? Wir reden über ein gefährliches Bürokratiemonster. Mit einem Eingriff in die DNA der Verwaltung von Bund und Ländern schafft Minister Schmidt dieses Monstrum, das er dann das Vierte Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes nennt. Nach meinem Dafürhalten versucht er, mit allen Mitteln Gentechnik in der deutschen Landwirtschaft durchzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit stellt er sich gegen den ausdrücklichen Wunsch der Bundesländer, die ein Anbauverbot von Gentechnik mit einer einfachen, unbürokratischen Regelung flächendeckend bundesweit haben wollten. Herr Minister Schmidt stellt sich gegen die Verbraucherinnen und Verbraucher. Eine überwiegende Mehrheit der Menschen lehnt, wie Sie es gesagt haben, Gentechnik auf dem Feld, im Stall und auf ihrem Teller ab.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Er sieht sich offensichtlich in einer Zwickmühle. Der Gesetzentwurf soll eine EU-Richtlinie umsetzen und regeln, wie Deutschland als EU-Mitgliedstaat den Anbau von genmanipulierten Pflanzen einschränken oder verbieten kann. Da das Bundeslandwirtschaftsministerium die Umsetzung von EU-Recht nicht verweigern und verhindern kann, hat man sich folgende absurde Regelungen ausgedacht:

Erstens. Sechs Bundesministerien müssen in kürzester Zeit nach dem Antrag eines Saatgutkonzerns im Einvernehmen entscheiden, ob der Anbau einer Genpflanze in Deutschland zugelassen werden soll.

Zweitens. In derselben Zeit soll die Mehrheit der Bundesländer zwingende Gründe benennen, um ein Anbauverbot durchzusetzen.

Drittens. Alle Beteiligten müssen sich innerhalb von knapp sechs Wochen einigen – wie das gehen soll, ist mir absolut unklar –:

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Einvernehmen mit Bildung und Forschung, mit Wirtschaft und Energie, mit Arbeit und Soziales, mit Gesundheit und letztendlich auch mit Umwelt, Naturschutz und Bauen. Ich weiß nicht, wie das gehen soll. Wenn in dieser Zeit keine Einigung erzielt wird – was man mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen kann –, müsste jedes der 16 Bundesländer selbst ein Anbauverbot erlassen. Das alles gilt für jeden einzelnen Antrag und für jede neue Gentech-Pflanze der Konzerne. Das ist ein absurdes Arbeitsbeschaffungsprogramm, nicht nur für die Landwirtschafts- und Umweltministerinnen und -minister der Länder.

Die Folgen sind gravierend: Deutschland wird zu einem Gentech-Flickenteppich. Einzelne Bundesländer erlassen ein Anbauverbot, andere möglicherweise nicht. Das Problem ist: Wind und Bienen interessiert das nicht. Sie tragen die manipulierten Pollen trotzdem über die Ländergrenzen hinweg. Ein gentechnikfreier Anbau wird damit unmöglich. Eine saubere Ernte ist nicht mehr gewährleistet. Der ökologische Landbau, bei dem Gentechnik ausgeschlossen bzw. verboten ist, kann nicht mehr für saubere Erzeugnisse garantieren. Die Kennzeichnung „Ohne Gentechnik“ ist damit für die Katz’. Hier wird Verbraucherinnen und Verbrauchern der Genuss von Gentechnik über bürokratische Winkelzüge aufgezwungen. Das macht die Linke nicht mit, Herr Schmidt.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, wenn Sie die Grüne Gentechnik unbedingt haben wollen, dann sagen Sie es auch. Sagen Sie es vor allem Ihren Bauern in Bayern. Ich kenne kein Bundesland, in dem es schon seit vielen Jahren so viele gentechnikfreie Regionen gibt wie im schönen Bayern.

(Christian Schmidt, Bundesminister: Es gibt nur gentechnikfreie Regionen! Sagen Sie die Wahrheit!)

Aus gutem Grund: Die Menschen wissen um die Gefahren, die mit solchen Eingriffen in die Natur verbunden sind.

Nur zur Erinnerung: Gentechnik in der Landwirtschaft schafft Probleme; sie löst sie nicht. Gentechnik lohnt sich nur auf großen Anbauflächen. Monokulturen werden gefördert. Das führt erfahrungsgemäß zu einem höheren Einsatz von Pestiziden. Das krebsverdächtige Glyphosat gefährdet nicht nur Mensch und Umwelt; auch die Vielfalt von Insekten und Kleinstlebewesen geht zurück. Wenige gentechnisch hochgezüchtete Pflanzen verdrängen viele alte robuste Sorten. Dadurch wird die Vielfalt der Nutzpflanzen reduziert. Das gefährdet auch langfristig die Ernährungs- und Versorgungssicherheit der Bevölkerung.

Nach wie vor sind die Risiken der Grünen Gentechnik nicht abschließend und ausreichend erforscht. Letztendlich geraten Bauern durch diese patentierten Genpflanzen in die Abhängigkeit von Agrarkonzernen, die mit Knebelverträgen die Existenzen kleinbäuerlicher Landwirte gefährden. Dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, so etwas mitmachen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Wir fordern deshalb, dass die einfache Mehrheit der Bundesländer für ein deutschlandweites Anbauverbot gentechnisch manipulierter Pflanzen ausreicht. Ziehen Sie diesen Gesetzentwurf zurück!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)