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Justizpolitik neu denken – Resozialisierung, Schutz vor Folter und rechtsextremistischer Gewalt, aber auch Aufklärung und Bildung als Schwerpunkte

Rede von Harald Petzold,

Sehr geehrte Frau Präsidentin!°Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Liebe Besucherinnen und Besucher auf den Besuchertribünen! Vielleicht hatte die eine oder der andere von Ihnen im vergangenen Jahr Gelegenheit, sich den Dokumentarfilm Nach Wriezen anzugucken. Für diejenigen von Ihnen, die bis jetzt noch nicht Gelegenheit dazu hatten, sage ich ganz kurz etwas zum Inhalt: Der von mir hochgeschätzte brandenburgische Nachwuchsdokumentarfilmregisseur Daniel Abma hat in dem Film die Lebensgeschichte von ‑ so würde man umgangssprachlich sagen ‑ drei ganz harten Jungs aufgezeigt, von drei jungen Männern, die ziemlich harte Straftaten begangen haben und dafür lange Haftstrafen absitzen mussten. Aber es ging ihm nicht so sehr um die Straftaten an sich oder um den Alltag in der JVA Wriezen, sondern sehr viel stärker um den Weg dieser drei jungen Männer wieder zurück in die Gesellschaft und damit um die Resozialisierung von Tätern und um die Wichtigkeit eines funktionierenden gesellschaftlichen und sozialen Umfelds.

Wenn ich als neu gewählter Obmann meiner Fraktion für den Ausschuss Justiz und Verbraucherschutz heute zum ersten Mal zu diesem Haushalt spreche, dann möchte ich das nicht gleich mit einer Breitseite von Kritik tun - Herr Claus hat ja Milde der Opposition angekündigt -, sondern auf ein positives Beispiel für gelungene Justizpolitik hinweisen. Denn im Land Brandenburg ist unter gemeinsamer Regierungsverantwortung von SPD und Linken eine gute Justizpolitik betrieben worden.

(Zuruf des Abg. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

- Sie brauchen sich nicht aufzuregen, Herr Kollege von Notz; Sie haben an der Stelle ja mitgemacht. - In Brandenburg hat ein Neudenken von Justizpolitik stattgefunden. Dort wird vor allen Dingen auf Resozialisierung gesetzt, und es wurde ein Justizvollzugsgesetz auf den Weg gebracht, das genau diesen neuen Schwerpunkt setzt.

(Zuruf des Abg. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Justizminister Maas, ich möchte Sie einladen, wenn sich die Rauchwolken der Landtagswahlen verzogen haben, mit mir und mit den Mitgliedern des Rechtsausschusses einmal gemeinsam nach Brandenburg zu fahren und sich dort mit dem erfolgreichen Justizminister Helmuth Markov zu treffen und über genau diese Resozialisierungspolitik im Rahmen der Justizpolitik des Landes Brandenburg zu sprechen;

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn ich denke, dass die Justizpolitik dort einen erfolgreichen Weg darstellt. Wie gesagt, die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen brauchen das Atmen nicht zu vergessen. Sie sind ja möglicherweise ab dem Wochenende mit uns und der SPD in Thüringen mit dabei.

(Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ohne Braunkohle! Sie haben vergessen, von der Braunkohle zu erzählen!)

Dann können wir zusammen auch nach Thüringen fahren und uns dort alles anschauen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt weitere Gemeinsamkeiten zumindest mit linker Justizpolitik, die ich ansprechen möchte. Das ist zum einen die Frage der Zinsbremse. Sie haben dieses Vorhaben angesprochen, Herr Justizminister Maas. Brandenburg hat hier eine Initiative im Bundesrat auf den Weg gebracht.

Auch in der Frage der Rehabilitierung von nach § 175 StGB verurteilten schwulen Männern haben Sie das Land Brandenburg und mich an Ihrer Seite. Es lohnt sich, auch darüber zu sprechen.

Ich möchte aber auch auf Dinge hinweisen, die wir noch als Manko benennen müssen. So hat Justizminister Markov sehr stark betont, dass das Ziel der Resozialisierung durch die bislang nicht erfolgte Einbeziehung von Gefangenen in die Renten- und Sozialversicherung konterkariert wird. Ich erlaube mir, Frau Präsidentin, mit Ihrer Genehmigung, den Minister zu zitieren. Er hat gesagt:

Dass die von Gefangenen geleistete Arbeit derzeit nicht bei der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigt wird, hat verheerende Auswirkungen auf die Zeit nach der Haftentlassung.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Die entstandenen Versicherungslücken führen zu sehr niedrigen Altersrenten, die selbst die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung als Rentner in Frage stellen. Denn Ansprüche auf Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung oder auch auf Erwerbsminderungsrente können nur bei Einhaltung bestimmter Vor- bzw. Mindestversicherungszeiten geltend gemacht werden. Die Bundesregierung, in deren Zuständigkeit das Sozialversicherungsrecht liegt, weigert sich jedoch beharrlich, die überfällige Änderung des Renten- und Sozialversicherungsrechts in Angriff zu nehmen. Das ist inakzeptabel!

Wie gesagt, auch deswegen, Herr Minister Maas, gilt meine Einladung, hier mit Brandenburg ins Gespräch zu kommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweiter Punkt. Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter ist eigentlich etwas, bei dem wir inhaltlich übereinstimmen. Aber wir müssen feststellen: Diese Stelle, die zuständig ist für die Überprüfung von Strafvollzugs- und Untersuchungshaft, von Jugendstrafvollzug, Jugendarrest usw., ist unterfinanziert und kann gegenwärtig ihre Aufgabe, nämlich Misshandlungen durch regelmäßige unangemeldete Besuche in allen Haft- und Gewahrsamseinrichtungen in Deutschland vorzubeugen, nicht annähernd erfüllen. An dieser Stelle verweise ich auf Ihren eigenen, also von der Koalitionsmehrheit beschlossenen Entschließungsantrag, der besagt, dass der Finanzanteil des Bundes auf 180 000 Euro zu erhöhen ist. Dies findet sich bislang nicht im Haushaltsentwurf wieder. Diesen Punkt werden wir nicht akzeptieren. Hier melden wir Änderungsbedarf an.

(Beifall bei der LINKEN)

Dritter Punkt: die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Herr Minister, Sie waren am letzten Donnerstag mit mir gemeinsam auf dem Charity-Dinner dieser Stiftung, auf dem Spendengelder eingeworben wurden. Sie selbst haben in Ihrem Grußwort die zentralen neuen Projekte gewürdigt. Ich möchte Sie an dieser Stelle in Ihren Bemühungen bekräftigen, die beiden großen Projekte „Fußball für Vielfalt - Fußball gegen Homophobie“ und „Archiv der anderen Erinnerungen“ tatsächlich so zu unterstützen, dass die Stiftung diese umfangreiche Arbeit auch leisten kann. Die Erhöhung des Stiftungskapitals, die wir im Frühjahr beschlossen haben, ist inzwischen geflossen. Aber auch damit ist es nach wie vor nicht möglich, die Stiftung so auszustatten, dass Bildung und Forschung und die wissenschaftliche Arbeit in auskömmlicher Art und Weise ausfinanziert werden können. Hier fordern wir ebenfalls entweder eine Aufstockung des Stiftungskapitals oder - aus unserer Sicht wäre das sogar noch viel besser - eine institutionelle Förderung in Höhe von 250 000 Euro. Wir fordern darüber hinaus - Frau Präsidentin, ich sehe, dass es hier vorne blinkt -

(Vereinzelt Heiterkeit)

die Aufstockung des Fonds „Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe“.

Abschließend: Unsere Unterstützung wäre Ihnen auch sicher, wenn Sie tatsächlich einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Mietpreisbremse einbringen würden. Im Moment verdient der vorgelegte Gesetzentwurf den Namen noch nicht. Wir werden an dieser Stelle Nachbesserungen einfordern.

Vielen Dank.                                                                                                         

(Beifall bei der LINKEN)

 

Hier geht's zum Video der Rede: http://www.bundestag.de/mediathek/?contentArea=common&isLinkCallPlenar=1&categorie=Plenarsitzung&action=search&instance=m187&mask=search&ids=3847764