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Jugendschutz: Wer das ändern will, muss bei den Ursachen ansetzen!

Rede von Diana Golze,

Sehr geehrter Herr/Frau Präsident/in, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Jugendschutz ist immer dann ein Thema der öffentlichen Debatte, wenn es um Meldungen über das sogenannte Komatrinken, gewaltverherrlichende Computerspiele oder überhöhten Medien- bzw. Fernsehkonsum geht. Immer dann also, wenn die Grenzen für das Wohl von Kindern und Jugendlichen bereits überschritten sind. Dementsprechend gestalteten sich auch die bisherigen Reaktionen der Bundesregierung in den vergangenen Jahren: Schärfere Kontrollmaßnahmen, höher angesetzte Verbote und am Ende sogar der Vorstoß der damaligen Familienministerin, Kinder und Jugendliche zu Kontrolleuren der eigens für ihren Schutz geschaffenen Gesetze zu machen, die den Zugriff von Minderjährigen auf jugendgeschützte Produkte wie Alkohol oder Tabak regeln. Aber genau diese Vorgehensweise war und ist leider bezeichnend für diese Bundesregierung.

Ausgeblendet bleiben die Ursachen dafür, warum Jugendliche mittels Komasaufen der Realität entkommen wollen oder mit Gewaltvideos die immer brutaler werdende Ellenbogengesellschaft nachspielen. Die Bundesregierung merkt nicht einmal, dass sie mit Hartz IV, Ausbildungsplatzmangel und Jugendarbeitslosigkeit die Grundlagen dafür geschaffen hat. Viele Jugendliche sehen deshalb keine Zukunftsperspektiven.

Wer das ändern will, muss bei den Ursachen ansetzen. Doch wer Jugendhilfe und Jugendklubs zusammenstreicht, Bildung privatisiert und Zukunftschancen einschränkt, darf sich über die Folgen nicht wundern. Die Antworten, die das Familienministerium auf die Fragen der Fraktion Bündnis90/Die Grünen gegeben hat, zeichnen ein trauriges aber leider realistisches Bild. Den selbst gesteckten Zielen aus dem Koalitionsvertrag im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik folgte nichts als die Fortsetzung einer Projektpolitik, die mehr nach dem Zufallsprinzip zu handeln scheint, als dass irgendein strategisch angelegtes Konzept dahinter steht.

So fehlt es zum Beispiel weiterhin an einem umfassenden Konzept zur Förderung von Medienkompetenz. Bund und Länder befördern fröhlich Einzel- und Pilotprojekte. Nach wie vor fehlt es an einer systematischen Vermittlung von Medienkompetenz in Kindergärten, Horten und Schulen.

Von der von der EU-Kommission empfohlenen Aufnahme der Medienerziehung in die schulischen Pflichtlehrpläne ist Deutschland nach wie vor weit entfernt. Wirksame Gegenmaßnahmen wären die Stärkung der Medienkompetenz und die Förderung solidarischer Bildung und sozialen Lernens in inner- und außerschulischen Räumen. Festzuhalten bleibt am Ende: Das Thema Jugendmedienschutz steht symbolisch für nahezu alle anderen Bereiche dessen, was man unter einem effektiven Jugendschutz verstehen könnte oder sollte. Ob bei der Frage nach einem eigenständigen Rechtsanspruch auf Beratung und Unterstützung im SGB VIII für Kinder und Jugendliche, bei der finanziellen Sicherstellung einer flächendeckenden, in jeder Hinsicht gut ausgestatteten Jugendhilfelandschaft, bei der Wahrung des besonderen Schutzes von jungen Menschen in Ausbildung und Beruf durch ein gutes Jugendarbeitsschutzgesetz oder einfach nur bei der Überlegung, dass auch die Bedürfnisse Jugendlicher mitgedacht werden müssen, wenn es um die Akzeptanz von Kinderlärm geht – Jugendliche brauchen für ihre bestmögliche Entwicklung endlich die notwendige Aufmerksamkeit.

Eine Haushaltspolitik, die bei der Jugendhilfe den Rotstift zuerst ansetzt, Jugendschutzgesetze, die eher auf Verbote, Ausschluss und Zensur, statt auf Partizipation, Prävention und Kommunikation setzen, werden nicht gebraucht - mehr Mittel für Jugendarbeit schon.


Vielen Dank!