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Jörn Wunderlich: Kriminalität soll sich nicht lohnen

Rede von Jörn Wunderlich,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung geht es – vereinfacht – um die Frage, wie der vermögensrechtliche Schaden aus einer Straftat dem Geschädigten wieder zugeführt werden kann. In Fällen, in denen der Betroffene nicht ermittelt werden kann, soll der Vermögensvorteil aus der Straftat trotzdem nicht beim Täter verbleiben. Denn: Kriminalität soll sich nicht lohnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist ein berechtigter und wirklich begrüßenswerter Ansatz. So sollen die Ansprüche der Geschädigten grundsätzlich im Strafvollstreckungsverfahren befriedigt werden. Das heißt, durch die Tat erlangte Gegenstände oder, soweit sie nicht mehr vorhanden sind, der entsprechende Wert sollen im strafrechtlichen Urteil eingezogen und den Geschädigten zurückübertragen werden. Den Geschädigten wird somit, anders als bisher, der Weg über die Zivilgerichte erspart. Das soll den Opferschutz stärken.

Künftig soll Gewinnabschöpfung für jede Straftat in Betracht kommen. Es soll im Bereich der organisierten Kriminalität und des Terrorismus möglich sein – Sie haben es gesagt, Herr Lange –, auch Vermögen unklarer Herkunft abzuschöpfen. Aber angesichts der Tatsache, dass es an einer belastbaren Datengrundlage im Hinblick auf die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen durch Geschädigte fehlt, frage ich mich: Ist das überhaupt notwendig? Besteht hier ein Regelungsdefizit oder ein Vollstreckungsdefizit? Von daher sollten wir uns wirklich die Zeit nehmen, diesen Gesetzentwurf gründlich zu beraten. In den mir zur Verfügung stehenden fünf Minuten Redezeit kann ich das heute nur knapp und ansatzweise anreißen.

Erstens. So logisch es auf den ersten Blick erscheint, alle Straftaten in die Gewinnabschöpfung einzubeziehen, so sehe ich doch in der Praxis Schwierigkeiten. Ich denke nur an Beförderungserschleichung, Ladendiebstahl, an Kleinstkriminalität. Das ist eine andere Debatte. Aber vielleicht sollten wir wirklich einmal überlegen, das StGB zu entrümpeln und die Kleinstkriminalität als Ordnungswidrigkeiten zu behandeln,

(Beifall bei der LINKEN)

um nicht die Justiz über Gebühr zu belasten; denn das schafft man personell einfach nicht mehr. Die Frage ist, ob es da nicht sinnvoll ist, bei der Vermögensabschöpfung einen Straftatenkatalog für die Taten einzuführen, bei denen richtige Gewinne gemacht werden. Aber wir haben ja noch die Beratung.

Zweitens. Bei der Einziehung des Vermögens unklarer Herkunft ist die Frage: Kann das tatsächlich unabhängig vom Nachweis einer konkreten Straftat eingezogen werden? Herr Lange, Sie sprechen von „Abschöpfungslücken“, von Geldbeträgen, die – ich zitiere jetzt aus dem Gesetzentwurf – „allem Anschein nach aus Straftaten der organisierten Kriminalität herrühren“. So ist es. Sie machen auch eine Einschränkung, indem Sie einen Katalog von Delikten anführen. Aber ich denke, hier müssen wir wirklich noch tiefer in die Materie gehen. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Einziehung von Vermögenswerten nicht als originäre Strafe ansieht, findet diese Einziehung jedoch in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren statt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Zusammenhang mit einer Entscheidung über Sicherungsverwahrung deutlich gemacht, dass es eben nicht entscheidend ist, wie das nationale Recht eine Strafe dogmatisch einordnet. Wenn wir das berücksichtigen, kommen wir hier vielleicht doch in Konflikte, was die Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft angeht. Herr Lange, Sie haben gesagt: Hier sind wir an der Grenze der Verfassungsmäßigkeit. – Vielleicht sind wir auch schon leicht drüber; das müssen wir wirklich genau abchecken und ganz gründlich diskutieren.

Drittens. Bei der Erweiterung der Einziehung auf den Erben habe ich auch so meine Probleme. Wenn der Täter als solcher rechtskräftig festgestellt und im Urteil die Einziehung angeordnet ist, dann stellt sich für mich die Frage: Gehört dann das eingezogene Vermögen noch zur Erbmasse? Ich denke mal, nein. Oder wenn das Erlangte noch vor Schuldfeststellung vererbt wird, dann gibt es keine Täterfeststellung mehr. Dann wird das Verfahren nach § 206a StPO eingestellt, weil der Täter ja gestorben ist; denn nur ein Toter kann etwas vererben. Oder ist damit der Fall gemeint, in dem der Täter vor Verkündigung des Urteils seine Beute an einen Freund verschenkt, der es dann nach der Urteilsverkündung vererbt, sodass der unbeteiligte Erbe des Freundes mangels festgestellten Täters den Vermögenseingriff erdulden muss? Artikel 14 Grundgesetz schützt ja nun auch Erbe und Eigentum. Haben wir da vielleicht Probleme? Wir müssen darüber reden.

Last, but not least stellt sich die Frage, was mit den zivilrechtlichen Ansprüchen geschieht – hier gibt es eine Vermischung –, wenn bei der Streichung des § 73 Absatz 1 Satz 2 StPO die Subsidiarität des staatlichen Zugriffs aufgehoben wird. Muss das Opfer möglicherweise bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Verfahrens, also mitunter Jahre, warten, um dann seine berechtigten Ansprüche bei der Staatsanwaltschaft geltend zu machen?

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Kumulativ!)

– Reden wir in den Beratungen darüber. – Hinzu kommen die prozessualen Regelungen, diese Vermischung von zivilprozessrechtlichen mit strafprozessrechtlichen Sachen.

Das ist kein leichtes Thema. Sie sehen die Vielzahl der Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetzentwurf noch stellen. – Ich warte dauernd darauf, dass das Wort „Präsident“ auf meinem Rednerpult aufleuchtet.

Ja, aber das ist falsch. Sie sind doch eine Präsidentin.

Ich komme zum Gesetzentwurf zurück. Es gilt noch über eine Vielzahl von Fragen zu beraten. Ich freue mich auf die Beratungen. Diese werden sicherlich intensiv werden.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)