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Jörn Wunderlich: Einmal hü und einmal hott

Rede von Jörn Wunderlich,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Teufelchen!

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die links oder die rechts? – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also ich kann nicht gemeint sein!)

In erster Linie handelt es sich hier um ein begrüßenswertes Vorhaben. Die seit langem geforderten an vielen Stellen sinnvollen Änderungen und die sprachliche Straffung sind ja ganz gut, aber dann hört es auch schon fast auf.

Aufgrund meiner knappen Redezeit möchte ich mich hier auf zwei Punkte beschränken, die Herr Flisek schon angesprochen hat. Es geht um die Konkretisierung der anwaltlichen Fortbildung. Dieses Thema ist bislang geregelt in § 43a der Bundesrechtsanwaltsordnung. Dort heißt es: „Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, sich fortzubilden.“ Die Fortbildungspflicht besteht also schon.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! – Christian Hirte [CDU/CSU]: Eben!)

Jetzt will man den Kammern die Möglichkeit eröffnen, das auszugestalten, Sanktionen zu verhängen und die Briefwahl zu ermöglichen. So war es im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehen. Zu den geplanten Änderungen gehörte auch die Einführung der Pflicht, im Zusammenhang mit der Zulassung Kenntnisse im Anwaltsrecht zu erlangen; auch das war erfreulich. Dies sollte den Verbraucher und letztlich auch den Anwalt schützen und absichern. Man muss sich doch nur einmal den Vergleich mit anderen Berufsgruppen anschauen, mit Ärzten oder Lehrern beispielsweise, für die die Fortbildung auch bindend ist. Und um den Start in die Anwaltstätigkeit nicht zu sehr zu erschweren – das ist schon angesprochen worden –, sollte die Teilnahme an diesen Lehrveranstaltungen auch noch im ersten Jahr nach der Zulassung möglich sein.

Jetzt komme ich zum Kernstück der Fortbildungspflicht: Auch die Regelung, dass seitens der Kammer Sanktionen bei Nichtbeachtung der Pflicht verhängt werden können, wäre sinnvoll gewesen. Das Tolle ist, dass der Kollege Flisek von der SPD in der ersten Lesung diese Regelung noch als sinnvoll erachtet hat.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Er hat in der ersten Lesung vor sechs Monaten hier gesagt – ich zitiere aus dem Protokoll –:

"... eine Fortbildungspflicht ohne entsprechenden Druck zur tatsächlichen Durchsetzung der Verpflichtung ist inkonsequent."

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das glaube ich jetzt nicht!)

Ich weiß gar nicht, was die Kolleginnen und Kollegen von der Koalition gegen Sanktionen haben. Bei Hartz IV sind Sie doch auch nicht so zimperlich.

(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

Die Koalition fand die von der Bundesregierung vorgeschlagene Regelung gut, die Opposition findet sie gut, die betroffenen Berufsverbände finden sie gut. Alle wollen das, und trotzdem wird diese Regelung wieder gestrichen. Das soll man mal einem erklären. Ich kann das keinem erklären.

(Christian Flisek [SPD]: Ich kann das schon erklären!)

– Ja, das meinen Sie, dass Sie das erklären können.

(Christian Flisek [SPD]: Das habe ich doch gerade gemacht!)

– Das war aber ein untauglicher Versuch – um im Juristendeutsch zu bleiben.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nachdem bekannt wurde, dass die Koalition die Weiterbildungspflicht aus dem Gesetzentwurf streichen will – sie wurde letztlich auch gestrichen – meldeten sich sowohl die Bundesrechtsanwaltskammer als auch der Deutsche Anwaltsverein und baten darum, diese verpflichtende Fortbildung der Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer zu ermöglichen. Wenn jetzt wieder das Argument kommt, der Vorstand der Bundesrechtsanwaltskammer, die Vorstände aller Kammern seien mangels Teilnahme der Mitglieder an den Vorstandswahlen gar nicht hinreichend legitimiert – solche Argumente habe ich gehört –,

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei uns waren es wieder ganz viele!)

möchte ich Sie fragen, auf welche Legitimität Sie sich berufen, wenn hier im Parlament Gesetzentwürfe mit 30 Jastimmen verabschiedet werden.

(Christian Flisek [SPD]: Au, au, au! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sollen wir auch Briefwahl machen?)

Darüber hinaus sollte die Briefwahl durch jeweiligen Kammerbeschluss und nicht generell eröffnet werden. Gerade durch die unterschiedliche Größe der einzelnen Kammerbezirke – das ist angesprochen worden – sollte diese Entscheidung den einzelnen Kammern im Rahmen ihrer funktionalen Selbstverwaltung vorbehalten bleiben.

(Christian Flisek [SPD]: Ein Flickenteppich in Deutschland, oder was?)

Nun aber soll die verbindlich vorgesehene Briefwahl in der Form erfolgen können, dass die Briefwahlzettel auch in der Kammerversammlung abgegeben werden können. Tolle Regelung!

Gut ist, dass die Koalition mit ihrem Änderungsantrag – so wie auch die Linke – dafür gesorgt hat, dass die Änderung im Rechtsdienstleistungsgesetz dergestalt vorgenommen wird, dass unqualifizierte Rechtsdienstleistungsangebote aus dem Ausland heraus nicht mehr möglich sein sollen. Aber dies allein kann die bestehenden Mängel nicht ausgleichen.

Alles in allem wird meine Fraktion daher dieses Gesetz ablehnen, es sei denn, der Änderungsantrag der Grünen findet hier in diesem Hohen Hause Zustimmung. Dann können wir dem Gesetz zustimmen, weil er den alten Rechtsstand wiederherstellte, so wie vom Justizministerium und der Regierung gewollt, von den Beteiligten gewünscht und ursprünglich von allen Parlamentariern hier im Haus auch gewollt.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)