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Jahressteuergesetz 2008

Rede von Barbara Höll,

Heimliche Steuererhöhungen verhindern - Inflation im Steuerrecht berücksichtigen

Rede am 20.09.2007 Jahressteuergesetz 2008

Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008)

Entfernungspauschale vollständig anerkennen - Verfassungsmäßigkeit und Steuergerechtigkeit herstellen (Drucksache 16/6374)
Heimliche Steuererhöhungen vermeiden - Inflation im Steuerrecht berücksichtigen (Drucksache 16/6037)

Barbara Höll (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Gutting, Frau Frechen, Sie haben leider nicht bemerkt, dass Ihr Omnibus inzwischen eine rote Eskorte bekommen hat.
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Trittbrettfahrer?)
Gemeinsam mit dem Jahressteuergesetz 2008 beraten wir zwei Anträge der Linken,
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
die Ihnen die Möglichkeit geben, Fehler, die gemacht wurden, zu heilen. Wir fungieren gerne mal als Erste Hilfe.
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Oder sind das Trittbrettfahrer?)
Vielleicht haben Sie dann tatsächlich einmal so viel Einsicht, diese Eskorte in den Bus zu bitten und entsprechende Änderungen vorzunehmen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir schlagen Ihnen in dem ersten Antrag vor, die Entfernungspauschale vollständig anzuerkennen sowie die Verfassungsmäßigkeit und Steuergerechtigkeit wiederherzustellen. Es bietet sich geradezu an, diese Änderungen im Jahressteuergesetz 2008 aufzugreifen. Es geht um nicht mehr, aber auch um nicht weniger als darum, die steuerliche Absetzbarkeit der Fahrten zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte als Werbungskosten oder als Betriebsausgaben für Selbstständige sofort und in voller Höhe wieder einzuführen.
Es ist allen hier im Hause bekannt, dass die Nichtbeachtung der ersten 20 Kilometer bei der Entfernungspauschale zu einer Mehrbelastung sehr vieler Haushalte geführt hat. Jährlich entsteht dadurch eine Mehrbelastung zwischen 300 und 500 Euro. Außerdem stellt das de facto auch wieder eine Reduzierung auf ein Verkehrsmittel dar, nämlich im Wesentlichen auf den privaten Pkw; denn vorher war die Anerkennung immerhin verkehrsmittelunabhängig. Es galt also auch der Fuß- oder der Radweg.
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Jetzt ist es der Omnibus!)
Bei dem, was Sie gemacht haben und wo eine Änderung nottut, ist eines allerdings wirklich fatal, dass Sie nämlich das Werktorprinzip einführen wollen, was der Finanzminister in der vorigen Woche begründet hat. Im Jahre 2002 hat Ihnen das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit der doppelten Haushaltsführung noch einmal eindeutig bestätigt, dass alle Ausgaben, die ein Individuum tätigt, um Einkommen zu erzielen, steuerlich geltend gemacht werden können. Dieses Prinzip gilt.
(Beifall bei der LINKEN)
Damals haben Sie versucht, dieses Prinzip bei der doppelten Haushaltsführung einzugrenzen. Jetzt versuchen Sie es bei der Entfernungspauschale und hoffen, das noch fortführen zu können. Wenn Sie das Prinzip einmal durchbrochen haben, dann können wir uns alle hier im Hause ausrechnen, dass weitere soziale Belastungen anstehen. Als Nächstes wollen Sie vielleicht die Absetzbarkeit der Ausgaben für Fachbücher und die Absetzbarkeit der Telefonkosten sowie der Anschaffungskosten von Fahrzeugen, die zum Teil geltend gemacht werden können, streichen. Selbstständige betrifft dies alles in einem noch viel höheren Maße. Das lehnen wir ab. Kehren Sie deshalb um! Nutzen Sie jetzt die Möglichkeit, das zu tun!
(Beifall bei der LINKEN)
Als Zweites haben wir Ihnen vorgeschlagen, auf die heimlichen Steuererhöhungen zu verzichten und die Inflation im Steuerrecht zu berücksichtigen. Viele Bürgerinnen und Bürger dieses Landes haben im Sommer erschreckt feststellen müssen, dass Butter, Milch und sehr vieles andere teurer geworden ist. Fleisch und einiges andere mehr wird jetzt ebenfalls noch teurer. Die Lebenshaltungskosten steigen massiv. Die zum Glück endlich wieder erzielten Tarifanpassungen werden davon de facto schon wieder aufgezehrt.
Wir schlagen Ihnen in unserem Antrag vor, die verschiedenen Möglichkeiten, die es gibt, zu begutachten und dann zu entscheiden, was man tun könnte. Wir sind offen für die Diskussion. Wir können das über die Freibeträge oder über Pauschansätze regeln, und wir können auch die Eckdaten des Tarifs ändern. Das können wir gerne besprechen, aber wir müssen etwas tun, damit die Inflation bei der Einkommensteuer tatsächlich berücksichtigt wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Dies müssen wir vor allem auch deshalb tun, weil Sie sich auf diesem Gebiet wiederum in die Gefahr begeben, verfassungsfeindlich zu handeln;
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Höchstens verfassungswidrig! Der Begriff lautet „verfassungswidrig“ und nicht „verfassungsfeindlich“!)
denn der erwerbsbedingte Mehrbedarf wird bei der Sozialhilfe mitberechnet. Wenn die Vorschriften zur Entfernungspauschale nicht geändert werden und wenn die Inflation nicht berücksichtigt wird, dann geraten die Menschen, die ein niedriges Einkommen haben, in die Situation, dass das Existenzminimum, das steuerfrei gestellt werden soll, nicht mehr steuerfrei ist.
Noch ein Wort zum Anteilsverfahren und zu den Einwendungen, die bereits erhoben wurden. Da das datenschutzrechtlich sehr kompliziert ist und da schon sehr viel Kritik zu hören ist, frage ich mich, wohin die Koalition will.
Am gestrigen Tage hat die Familienministerin eine Umwandlung des Ehegattensplittings in ein Familiensplitting angekündigt. Im nächsten Jahr gehen wir also den Schritt in Richtung Anteilsverfahren, danach führen wir das Familiensplitting durch und dann immer weiter. Seien Sie doch konsequent und wandeln Sie das Ehegattensplitting um, damit nur noch das steuerfreie Existenzminimum gegenseitig berücksichtigt wird!
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Kollegin.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Die Mehreinnahmen nutzen wir, um das Kindergeld auf 250 Euro zu erhöhen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)