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In Sachen Osten ist der Haushalt Fehlanzeige

Rede von Roland Claus,

Rede von Haushaltsausschussmitglied und Ost-Koordinator der Fraktion DIe LINKE Roland Claus zum Ende der Haushaltsdebatte am 30.11.2007

Roland Claus (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr gern schließe ich mich namens meiner Fraktion dem Dank des Kollegen Otto Fricke an das Sekretariat des Haushaltsauschusses an. Ich gestatte mir - ich glaube, das tue ich im Namen aller Mitglieder des Haushaltsausschusses -, auch dem Vorsitzenden unseres Ausschusses, Otto Fricke, herzlich für seine Amtsführung zu danken.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und der FDP sowie des Abg. Steffen Kampeter (CDU/CSU))

Den verspäteten Beifall des Kollegen Kampeter wollte ich gern abwarten.

Bevor ich etwas zum Haushalt sage, komme ich nicht umhin, mit einigen alten Hüten aufzuräumen, die Sie, Herr Bundesfinanzminister, herausholten, indem Sie behaupteten, wir würden Mehrausgaben in Höhe von 150 Milliarden Euro fordern. Wenn Sie einen Blick in unsere Anträge werfen, werden Sie feststellen: Was diesen Haushalt betrifft, geht es um 28 Milliarden Euro. Herr Bundesfinanzminister, ich stelle fest: Sie operieren im Deutschen Bundestag mit dem Übertreibungsfaktor fünf. Das können wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Da ich weiß, dass Sie unser Steuerkonzept und unsere übrigen Vorschläge im BMF berechnen lassen, muss ich Ihnen sagen: Wenn Sie alle Eckpunkte des Bremer Programms, das die SPD beschlossen hat, berücksichtigen, werden Sie in ähnlichen Dimensionen landen.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Wer ist eigentlich stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD?)

Deshalb ist es unredlich und unter Ihrem Niveau, uns so etwas zu unterstellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich darf doch wohl fragen: War es ein anderer Peer Steinbrück, der als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen die Einführung der Vermögensteuer gefordert hat? War das ein anderer Peer Steinbrück als der, mit dem wir es jetzt zu tun haben? Herr Minister, lassen Sie sich das gesagt sein!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will auf den Zusammenhang zwischen dem Haushalt und der Lage in den neuen Bundesländern zu sprechen kommen. Denn was den Osten angeht, ist das, was die Bundesregierung abgeliefert hat, eine komplette Fehlanzeige. Ich finde, Sie machen einen gigantischen Doppelfehler, wenn Sie den Osten für erledigt erklären. Erstens nutzen Sie nicht die riesigen Chancen und die Transformationserfahrungen, die im Osten in über 15 Jahren gesammelt wurden, und zweitens ignorieren Sie die Gefahren, die durch die Abkehr von der Demokratie in ganzen ostdeutschen Landstrichen anzutreffen sind.
Natürlich findet man in diesem Haushalt auch eine Menge vernünftiger Vorschläge zur Entwicklung der Lage in den neuen Bundesländern. Wir finden aber: Das Gute und Vernünftige, das Sie planen, planen Sie nur zögerlich und halbherzig - Stichwort: CO2-Sanierungsprogramm -, während Sie unsinnige und schlechte Vorhaben mit vollen Händen planen. Man kann also ganz schlicht und einfach sagen: Vom Guten zu wenig, vom Schlechten zu viel.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein paar Stichworte, um das zu belegen: Sie alle haben uns hier erklärt, dass es notwendig sei, eine neue Symbiose bzw. eine neue Verbindung von lebenslangem Lernen und Erwerbstätigkeit - wir fügen hinzu: und von sozialer Grundsicherung - herzustellen. Ich stelle dazu fest: Das föderale Bildungssystem der Bundesrepublik ist final gescheitert. Es wäre an der Zeit, endlich ein einheitliches Bildungssystem zu schaffen, das den Erfordernissen der Zukunft gerecht wird. Hier könnte man von der DDR manches lernen.

(Beifall bei der LINKEN - Ernst Bahr (Neuruppin) (SPD): Das glauben aber auch nur Sie!)

Ich habe mich darüber gefreut, dass es gestern beim Thema Postmindestlohn zu einem Kompromiss gekommen ist. Über eines ärgere ich mich aber: Warum verdammt noch mal musste es wieder einen Abschlag für den Osten geben?

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn man in zwei Jahren ohnehin für eine Angleichung sorgen will, warum jetzt erneut diese Erniedrigung? Ich weiß, dass auch die Tarifpartner diese Vereinbarung akzeptiert haben. Daher klammere ich Verdi an dieser Stelle nicht von meiner Kritik aus. Auch die Kollegen von Verdi haben, was den Osten betrifft, die Schere im Kopf.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist nicht hinnehmbar, wiederum eine solche Diskriminierung zu beschließen.
Wir fordern seit Langem die Ost-West-Angleichung der Renten und haben Ihnen zahlreiche Vorschläge unterbreitet, wie die Benachteiligung ganzer Berufsgruppen überwunden werden kann. Wir freuen uns darüber, dass es gestern erste Signale gab, dass die von Ihnen beabsichtigte frühe Zwangsverrentung etwas später erfolgen soll. Wir stellen dazu fest: Die Politik der Linken wirkt. Erst vorgestern haben wir Ihnen angekündigt, dazu die namentliche Abstimmung zu fordern. Dass manche Medien nun gleich einen Linksruck bei den Agenda-Parteien sehen wollen, kann ich nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der LINKEN - Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Ein Ruck, Herr Claus, ist immer gut!)

Aber ich merke, dass die linke Politik wirkt, und wir werden das Instrument der namentlichen Abstimmung weiter nutzen.
Ich komme zur Unternehmensförderung. Wenn man sich den Haushalt diesbezüglich genau anschaut - dazu hatte ich viele Gelegenheiten -, wird man feststellen, dass die allermeisten Mittel nicht dorthin gehen, wo sie am nötigsten gebraucht werden, sondern an staatsnahe Monopolisten. Sie bauen darauf, dass diese dann Wunderdinge vollbringen. Viel zu wenig Geld ist für kleine und mittelständische Unternehmen sowie für Existenzgründer - insbesondere im Osten - eingeplant.

(Joachim Poß (SPD): Quatsch!)

Das ist überhaupt kein Quatsch. Das können Sie an vielen Stellen nachlesen.

(Beifall bei der LINKEN - Ulrike Flach (FDP): Aber jetzt ist Schluss!)

Dieser Haushalt verpasst die Chance, die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West voranzubringen, er verpasst die Chance, etwas für die Einheit zu tun. Frau Bundeskanzlerin, ich weiß, dass viele Ostdeutsche Ihre Amtsführung mit besonderer Sensibilität verfolgen.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Claus, auch Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Roland Claus (DIE LINKE):
Mit diesem Haushalt haben Sie die meisten Ostdeutschen enttäuscht. Deshalb können wir ihm nicht zustimmen.
(Beifall bei der LINKEN)