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Im Klimaschutz nicht mit dem Süden pokern!

Rede von Eva Bulling-Schröter,

Aussprache zur Regierungserklärung - TOP Umweltpolitik

Herr Minister! Herr Parlamentspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Kioto-Protokoll läuft 2012 aus. In vier Wochen sollte die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen eigentlich das Nachfolgeabkommen beschließen sollte.
Vor kurzem hat eine Gruppe von Nobelpreisträgern diesen Gipfel als wichtigste Konferenz der Menschheit bezeichnet, und ich sage: Die Männer und Frauen haben recht.
Wir haben Angst, dass dieser Gipfel scheitert, und nicht nur wir, sondern viele Menschen auf dieser Welt; denn auch die letzte UN-Vorbereitungskonferenz letzte Woche in Barcelona ging aus wie das Hornberger Schießen.
Weder zu Minderungszielen wurden Einigungen erzielt noch zur Frage der Finanzierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen im globalen Süden. Dem Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, wird die Aussage zugeschrieben, er wundere sich bei solchen Ergebnissen, dass die Zivilgesellschaft nicht die Scheiben des Verhandlungsortes einwirft. Ich denke, das spricht Bände bei diesem Herrn.
(Beifall bei der LINKEN)

In Kopenhagen wird nun ein Verhandlungstext auf den Tisch gelegt, der mit seinen vielen Klammern und Optionen so gut wie nicht verhandlungsfähig ist, und das, obwohl uns allen die Zeit davonläuft. Das wissen wir. Schließlich ist der weltweite Ausstoß von Klimakillern trotz des Kioto-Abkommens seit der Jahrtausendwende dreimal so schnell angestiegen wie in den 90er-Jahren.
Frau Merkel hat sich hier gestern einmal mehr als Vorkämpferin für den Klimaschutz präsentiert. Das ist irgendwie merkwürdig; denn schließlich war sie hauptverantwortlich dafür, dass beim Europäischen Rat vorvorletzte Woche keine Beschlüsse zu konkreten Klimaschutzfinanzhilfen für die Entwicklungsländer gefasst wurden.
(Zuruf von der LINKEN: Sauerei!)

Damit hat die Bundeskanzlerin die Blockade verfestigt, die ohnehin zwischen den Industriestaaten auf der einen Seite und den Schwellen- und Entwicklungsländern auf der anderen Seite besteht.
(Volker Kauder (CDU/CSU): Unsinn!)

Frau Merkel hat sich also in Brüssel an die Spitze derjenigen in der EU gesetzt, die meinen, mit den Entwicklungs- und Schwellenländern pokern zu können.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

So sollen die Preise gedrückt werden, die der Norden an den globalen Süden, den großen Verlierer des Klimawandels, für Technologietransfer und Anpassungsmaßnahmen zu zahlen hat. Diese arrogante Haltung droht nun den Kopenhagen-Prozess zum Scheitern zu bringen. Ich meine, die Bundeskanzlerin wird dies wesentlich mitzuverantworten haben.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aber auch zu Hause in Deutschland liegt einiges im Argen. Ich behaupte, mit den längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke wird der Ausbau der erneuerbaren Energien blockiert und nicht die Verstromung von klimaschädlicher Kohle. Atomkraft und Kohle eint nämlich, dass sie einen steigenden Anteil erneuerbarer Energien im Netz überhaupt nicht gebrauchen können.

Dazu gibt es Aussagen, auch wenn Sie immer wieder Nein dazu sagen.
Bei Atomkraftwerken ist es sicherheitstechnisch kaum möglich das wissen Sie , die Anlagen bei schwankenden Windkrafteinspeisungen herauf- und herunterzuregeln.
Das ist einfach so. Kohlekraftwerke rechnen sich eben nicht, wenn sie nicht permanent in der Nähe der Volllast gefahren werden. Dies ist der Grund dafür, warum weder Kohle noch Atomkraft Brückentechnologien ins solare Zeitalter sind. Im Gegenteil: Ihr Schutz ist ein Schritt ins Gestern.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wissen Sie eigentlich, dass die CO2-Emissionen in der Energiewirtschaft von 1990 bis 2007 nur um lächerliche 7 Prozent zurückgegangen sind? Und diese 7 Prozent hat uns auch noch größtenteils der Osten geschenkt. Wir haben zwar mittlerweile 14 Prozent erneuerbare Energien im Netz, dafür wurde aber offensichtlich Kohlestrom exportiert.
Ich frage Sie: Ist das nun Klimaschutz?
Laut Koalitionsvertrag möchte Schwarz-Gelb für RWE und Co die Hintertüren im Klimaschutz noch weiter öffnen, beispielsweise indem die Anrechnung von vermeintlichen Klimaschutzinvestitionen im Ausland, Stichwort CDM, ausgeweitet werden soll, obwohl wir heute schon wissen, dass hier in großem Maßstab betrogen wird, um an preiswerte Zertifikate zu kommen.
Was den Emissionshandel betrifft, haben Sie bereits in der Vergangenheit in Brüssel ganze Arbeit geleistet: Nicht nur, dass wir bis 2012 damit leben müssen, dass die wertvollen Zertifikate vom Staat verschenkt werden, was den Versorgern Extraprofite in Milliardenhöhe einbringt und dem Klimaschutz schadet, nein, auch nach 2012 erhält ausgerechnet die energieintensive Industrie kostenlose Emissionsrechte.
Zusammenfassend möchte ich der neuen Koalition ins Stammbuch schreiben: Die Klima- und Energiepolitik, die Sie anstreben, ist nicht nur widersprüchlich; sie nutzt vor allem den großen Konzernen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, nichts anderes als Klientelpolitik auf Kosten der Umwelt und der Menschen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Marco Bülow (SPD)