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Hospizgesetz: Bessere Versorgung am Lebensende – aber der Rechtsanspruch darauf fehlt!

Rede von Birgit Wöllert,

Hospiz- und Palliativgesetz ist ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen                                                                                                                                                                                                        Rede zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur „Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung“ (BT-Drucksache 18/5170), zum Antrag der LINKEN dazu (BT-Drucksache 18/5202) sowie zum Antrag der GRÜNEN dazu (BT-Drucksache 18/4563).

 

Birgit Wöllert (DIE LINKE):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuhörerinnen und Zuhörer! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, uns eint, dass mit dem Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der letzten Lebensphase gegangen wird. Ich möchte aber etwas klarstellen. Morgen werden wir über die Sterbehilfe diskutieren, und viele bringen den heute zu beratenden Gesetzentwurf und diese Diskussion zusammen. Für meine Fraktion leitet sich der vorliegende Gesetzentwurf eher aus Artikel 1 des Grundgesetzes ab:

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Mit dem Gesetzentwurf wird ein Schritt auf dem Weg zur weiteren Ausgestaltung dieses Grundrechts gegangen.

Professor Christoph Student, der Leiter des Deutschen Instituts für Palliative Care, hat die Kennzeichen der Hospizarbeit beschrieben. Sie können das im Internet nachlesen. Ich finde das sehr interessant, um zu verstehen, was Hospiz- und Palliativarbeit eigentlich ist.

Er benennt fünf Merkmale: Erstens. Der sterbende Mensch und seine Angehörigen stehen im Zentrum. Zweitens. Der Gruppe der Betroffenen steht ein interdisziplinäres Team zur Verfügung, das heißt professionelle Kräfte. Drittens die Einbeziehung Freiwilliger, viertens gute Kenntnisse in der Symptomkontrolle und fünftens Kontinuität der Fürsorge, das heißt Fürsorge rund um die Uhr.

Er definiert Sterben so:

… Sterben ist keine Krankheit, sondern eine kritische Lebensphase, die oftmals mit Krankheit verbunden ist. Hieraus entstehen vielfältige Lebensbedürfnisse, denen nur durch ein Team begegnet werden kann, das hierfür ausgerüstet - das heißt ausgebildet - ist.

Daraus leiten sich auch die Forderungen in unserem Antrag, der Fraktion Die Linke, ab. Eine Hauptforderung darin ist erstens ein Rechtsanspruch auf allgemeine Palliativversorgung für alle unabhängig von der Art der Erkrankung - Voraussetzung für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung sind bestimmte Erkrankungen -, von der Behinderung, vom individuellen Lebensort - gemeint ist, wo man sein Leben verbringt - und der Wohnform sowie der Versicherungsform. Das ist übrigens auch eine Forderung des Bundesrates. In seiner Stellungnahme heißt es: Leistungserbringung und Versorgungsplanung müssen auf Krankenhäuser und Einrichtungen der Behindertenhilfe ausgedehnt werden. Die Einrichtungen der Behindertenhilfe sind aber leider nicht dabei. Tatsächlich sind aber alle Wohnformen gemeint.

Zweitens, flächendeckender, barrierefreier Ausbau von Hospizangeboten. Dazu zählt auch eine vollständige Finanzierung. Rechtsanspruch bedeutet, man ist nicht auf Spendenmittel angewiesen. Die Sachkosten sollten in Höhe von 25 Prozent berücksichtigt werden. Wir haben zwar zugestimmt, dass der Zuschuss je Leistungseinheit von 11 auf 13 Prozent erhöht wird. Aber das ist längst nicht ausreichend. Eine eigenständige Rahmenvereinbarung für Kinderhospize ist als Maßnahme aufgenommen worden; dafür sind wir sehr dankbar. Auch deswegen haben wir dem Änderungskatalog zugestimmt.

Drittens, Palliativversorgung und Sterbebegleitung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen qualitativ verbessern. Dazu gehören Qualitäts- und Personalbemessung. Bei der Koordination aller Leistungsträger gibt es gute Ansätze im Gesetzentwurf. Aber sie reichen nicht aus. Sie müssen verpflichtend kontrollierbar sein.

Viertens, Entwicklung einer nationalen Palliativstrategie mit allen Akteuren. Wenn man die Bertelsmann-Studie gelesen hat, weiß man, wie dringend notwendig das ist und wie viele weiße Flecken es in unserem Land gibt, in denen überhaupt keine Palliativbetreuung vorhanden ist. Ein weiterer Punkt ist die Regelung in einem Berufsgesetz. Es gibt nur neun Lehrstühle für Palliativmedizin an den medizinischen Fakultäten. Für Palliativpflege gibt es überhaupt keinen Lehrstuhl. Auch hier besteht also Handlungsbedarf. Bei der angestrebten regelmäßigen Berichterstattung gibt es Verbesserungen. So sieht der geänderte Gesetzentwurf vor, dass der GKV‑Spitzenverband evaluiert und alle drei Jahre einen Bericht vorlegt. Auch das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Fünftens. Es wird Zeit - davon ist hier leider nicht die Rede -, dass das Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt unterschrieben und dem Bundestag zur Ratifizierung vorgelegt wird, um ein Individualbeschwerdeverfahren zu ermöglichen, damit sich also jeder selbst bei Verletzung sozialer Menschenrechte beschweren und alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen kann.

Weil das alles noch nicht in ausreichendem Umfang enthalten ist und weil wir denken, die Opposition hat die Aufgabe, mit dem Finger darauf hinzuweisen, was noch unbedingt zu leisten ist, nämlich der Ausbau einer flächendeckenden Versorgung, werden wir uns bei diesem Gesetzentwurf enthalten.

(Beifall bei der LINKEN)