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Hospiz- und Palliativversorgung ausbauen und Ungleichheiten abbauen

Rede von Pia Zimmermann,

Gute hospizliche Versorgung und palliative Pflege muss allen zugänglich sein, denn gute Pflege ist Menschenrecht.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Würde des Menschen ist unantastbar, und das gilt für alle Menschen in diesem Land.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Alle Menschen, unabhängig von Alter, Lebenslage und Lebensverlauf, müssen ein gesetzlich und praktisch gesichertes Anrecht darauf haben, frei zu wählen, ob sie in der letzten Phase ihres Lebens zu Hause, im Hospiz oder in einer Pflegeeinrichtung ihren Bedürfnissen entsprechend palliativmedizinisch versorgt und palliativ gepflegt werden wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es geht hier um ein Menschenrecht; es geht um die „Dreieinigkeit“, die staatliche Pflicht, die Menschenrechte zu achten, zu schützen und zu gewährleisten.

Aus den Erfahrungen meiner langjährigen Tätigkeit in der Pflege kann ich bestätigen: Der vorliegende Antrag der Grünen bietet Ihnen von der Großen Koalition ein gutes Angebot, Ihre bisherigen Positionen zu überprüfen, zu erweitern und die bestehenden Ungleichheiten aufzuheben.

Ihr Antrag, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ist in einigen Fragen allerdings noch ausbaufähig. Angesprochen haben sie zum Beispiel die Hospiz- und Palliativversorgung in stationären Pflegeeinrichtungen. Wir sind der Auffassung, dass sicherstellt werden muss, dass in allen Einrichtungen eine fachlich hochwertige palliative Pflege- und Hospizarbeit angeboten werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir sagen auch, dass dies nicht zu zusätzlichen Kosten für die Menschen mit Pflegebedarf führen darf. Gute Pflege darf auch hier nicht vom Geldbeutel abhängig sein.

(Beifall bei der LINKEN)

In deutschen Pflegeeinrichtungen - das ist noch ein Knackpunkt - leben 764 000 Menschen; viele von ihnen sind chronisch krank, schwerbehindert oder erkranken in der letzten Phase ihres Lebens schwer. Genau diese Menschen haben aber so gut wie gar keinen Anspruch auf Hospizversorgung. Denn in der Rahmenvereinbarung nach § 39 a Absatz 1 SGB V steht Folgendes - ich zitiere -:

Die Notwendigkeit einer stationären Hospizversorgung liegt grundsätzlich nicht bei Patientinnen und Patienten vor, die in einer stationären Pflegeeinrichtung versorgt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das heißt, wir haben in Deutschland eine gravierende Ungleichbehandlung von Menschen in der letzten Lebensphase. Diese Zweiklassenbetreuung ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine ähnliche strukturelle Ungleichbehandlung gibt es bei der palliativmedizinischen Versorgung von Schmerzpatienten in Pflegeeinrichtungen, und das trotz des bestehenden Rechtsanspruchs auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Das liegt an der fachärztlichen und palliativmedizinischen Unterversorgung in Alten- und Pflegeheimen und daran, dass diese Einrichtungen noch immer nicht ausreichend Schmerzmittel für Akutsituationen vorhalten dürfen. Hier setzt der Antrag von den Grünen wiederum die richtigen Akzente.

Meine Damen und Herren, in den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Ehrenamtlichen in der Hospiz- und Palliativversorgung auf 100 000 verdoppelt. Dieses Engagement ist nicht hoch genug zu bewerten. An dieser Stelle gilt den Ehrenamtlichen mein besonderer Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber das Ehrenamt muss eine Ergänzung bleiben. Bürgerschaftliches Engagement ist kein Ersatz für fehlende Fachkräfte und aufsuchende Pflege. Bürgerschaftliches Engagement darf nicht missbraucht werden, um vorhandene strukturelle Defizite zu verschleiern. Wir benötigen eine verbindliche Personalbemessung in gesetzlicher Form.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich teile daher diese Forderung im Antrag der Grünen ausdrücklich, vermisse aber konkrete Vorschläge. Einig sind wir darin, dass die Hospiz- und Palliativversorgung eine besonders professionalisierte Pflegearbeit ist und dass es mehr Beratung, hospizliche Sterbebegleitung, Palliativteams und Pflegezeit geben muss. Das gilt sowohl für Kliniken als auch für Pflegeeinrichtungen. Dafür braucht es aber eine konkrete Personalbemessung. Wir fordern mindestens zwei Vollzeitstellen pro 100 Bewohnerinnen und Bewohner zusätzlich. Doch das darf nicht zu höheren Kosten für die Bewohnerinnen und Bewohner führen.

Auf den Punkt gebracht heißt das: Wer wirklich allen Menschen in Deutschland die Hospiz- und Palliativversorgung zugängig machen will, muss den Einrichtungen den finanziellen Spielraum dafür bieten, muss das Personal, welches dafür benötigt wird, besser kalkulieren und die Ungleichheiten zwischen stationärer und ambulanter Pflege sowie den Hospizen aufheben.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)