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Honeymoon-Stimmung bei der Ampel, während die Hütte lichterloh brennt, Susanne Ferschl

Rede von Susanne Ferschl,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nicht nur die Pandemie hat einen neuen Höhepunkt – nein! –, sondern auch die Planlosigkeit der Verantwortlichen im Umgang mit dieser Pandemie. Die alte Bundesregierung hat bezüglich vorausschauenden Handelns komplett versagt. Sie hat rein gar nichts aus den vergangenen Wellen gelernt. Und die Ampel? Die Hütte brannte bereits lichterloh, da haben SPD, Grüne und FDP in Honeymoon-Stimmung noch in aller Ruhe an ihrem Koalitionsvertrag gestrickt und ihre Pöstchen verteilt. Freedom-Day-Euphorie, besonders stark ausgeprägt bei der FDP, traf auf Coronarealität.

Erst in der letzten Sitzungswoche wurden Änderungen am Infektionsschutzgesetz mit reduzierten Länderkompetenzen beschlossen. Jetzt, nur zwei Wochen später, werden die Kompetenzen der Länder wieder erweitert. Sorry, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber Strategie schaut wirklich anders aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Heute dann die Sondersitzung hier im Parlament. Gestern wurde der Gesetzentwurf kurz vor knapp verschickt. Ja, wir haben immer gesagt: In Notsituationen muss und kann dieses Parlament schnell handeln und schnell entscheiden. – Aber es ist doch keine Notsituation, wenn Sie die Situation verpennen und die Aspekte nicht ausreichend berücksichtigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei der Frage der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ist dieses Vorgehen wirklich inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht in dieser Debatte um Grundwerte und Grundrechte. Kollegin Aschenberg-Dugnus, hier hat insbesondere die FDP zwei Prinzipien einfach so über Bord geworfen, nämlich zum einen die Stärkung der parlamentarischen Debatte

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das haben wir doch gerade gemacht!)

und zum anderen die Absage an die Impfpflicht.

(Zuruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])

– Das hier ist kein geordnetes Verfahren; das ist ein Schnellverfahren.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Sie reden doch gerade!)

Sie machen einen Grundrechtseingriff innerhalb von vier Tagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Alle sollten sich bewusst sein, dass Versprechungen, die man nicht hält, extrem unglaubwürdig machen.

Über eine einrichtungsbezogene Impfpflicht zum Schutz von Risikogruppen muss man diskutieren – ja, das stimmt –, aber man muss erstens über die konkrete Ausgestaltung sorgsam diskutieren. Hier geht es nämlich größtenteils um die Beschäftigten, die in der Pandemie seit nunmehr vier Wellen ihren Kopf hinhalten. Sie waren schon vor der Pandemie am Limit, und sie sind jetzt bei Weitem darüber. Neben weiteren Verpflichtungen brauchen insbesondere die Pflegekräfte endlich das Signal, dass die Bundesregierung verstanden hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen: Gehen Sie endlich das Problem der Arbeitsbedingungen und der Personalbemessung an, und sorgen Sie für eine gute, tarifliche Bezahlung.

(Beifall bei der LINKEN – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie den Koalitionsvertrag!)

Es geht nicht nur um Prämien, die Sie in einem chaotischen Vorgang vorrübergehend aus dem Gesetzentwurf gestrichen haben; es geht um dauerhafte Lösungen.

Zweitens muss klar sein, dass die Regelung das Problem der vierten Welle nicht löst. Und statt ausschließlich über Impfpflichten sollten Sie auch über Impfrechte diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Es kann doch nicht angehen, dass 70- und 80-Jährige stundenlang in der Kälte Schlange stehen müssen, um sich boostern zu lassen. Es kann doch nicht sein, dass Hausärzte Termine zur Impfung erst im Februar vergeben können. Ordnen Sie endlich dieses Chaos!

(Beifall bei der LINKEN)

Das Impfrecht muss auch weltweit gelten. Deswegen fordern wir Sie erneut auf: Geben Sie endlich die Patente frei!

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist irrwitzig, von Impfzwang zu reden und bei der Freigabe der Patente zu schweigen. Die Pandemie kann nur solidarisch, mit entsprechendem Weitblick und weltweit besiegt werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)