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Hightech-Strategie setzt Wachstum vor Nachhaltigkeit

Rede von Petra Sitte,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Im Jahr 2006 verkündete die Ministerin erstmals die Hightech-Strategie. Dieses Paket war genau genommen schon von der Vorgängerregierung geschnürt worden. Allerdings bekam das Ganze jetzt einen schicken und einprägsamen Aufkleber. Das reichte damals, weil sich an den Inhalten und Adressaten nicht sehr viel geändert hatte.

(Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU): Das ist falsch!)

Deutschland sollte Hightech-Wachstums-Wunderland werden.
Es war in dem Konzept ziemlich deutlich zu erkennen, dass die geförderten Technologien den Global Playern unter den deutschen Unternehmen auf den Leib geschneidert worden waren. Mit öffentlichen Geldern wurde klassische Industrieforschung massiv unterstützt, obgleich das eigentlich gerade für die Liberalen eine Kernaufgabe innovativer Unternehmensentwicklung sein müsste. Mancher Lobbyist dürfte sich heute noch die Hände reiben.
Aber man ging in dieser Strategie sogar noch einen Schritt weiter. Man bediente vor allem diejenigen, die schon länger der Kanzler Lieblinge gewesen sind. So geht nämlich mindestens ein Drittel der Fördergelder in Richtung Automobilindustrie, und das kann, wie wir gesehen haben, sehr schnell zur Sackgasse werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Man wollte mit dieser Strategie nicht nur neue Märkte beherrschen. Nein, Sie wollten mit dieser Strategie künstlich neue Leitmärkte schaffen, und zwar mit Steuergeldern. Insgesamt ging es um die Pole-Position Deutschlands im Kampf um die Exportweltmeisterschaft, wenn sich Europa laut Lissabon-Strategie zum wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt aufstellte.

2006 haben Sie große Ziele verkündet: 1,5 Millionen neue Arbeitsplätze sollten entstehen. Inzwischen ist die Innovationseuphorie etwas schaumgebremst. Dafür sorgte eine Krise, die Quittung ungerechter Reichtumsverteilung und einseitiger Reichtumsanhäufung war.

(Beifall bei der LINKEN)

Die riesigen Summen wurden nämlich in Finanzmarktspekulationen gepumpt, weil dort die Renditen höher sind als bei realen wirtschaftlichen Investitionen. Es ist völlig klar, dass diese Mittel dann fehlen, um den längst überfälligen Umbau der ressourcenfressenden und expansiven Wirtschaftsentwicklung zu vollziehen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Hightech-Strategie bis heute von dieser Logik geprägt ist. Übrigens konnte die Bundesregierung bis heute nicht nachweisen, wie viele Arbeitsplätze durch die Hightech-Strategie entstanden sind.

Die Linke hat bereits 2006 kritisiert, dass bei Ihnen Wachstum vor Nachhaltigkeit kommt. Trotz Konzentration auf wenige Themenfelder, wie Sie vorhin ausgeführt haben, und vielversprechender Titel in der neuen Strategie bleibt es dabei: Technologien allein so sehr sie auch als Hightech daherkommen mögen lösen viele globale Grundkonflikte nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie können bestenfalls befristet Symptome deckeln, und das auch nur dann, wenn sich die betreffenden Länder diese tollen Entwicklungen überhaupt leisten können. Ein gleichermaßen notwendiger Bestandteil einer Hightech-Strategie ist Forschung, die die sozialen, kulturellen und ökologischen Ursachen für Konflikte untersucht und gesellschaftliche Bedingungen zu deren Lösung konzipiert. Das können und müssen Sie dann verzahnen mit Anwendungsbedingungen für Technologien in diesen Ländern. Die Bedingungen unterscheiden sich eben beispielsweise zwischen Europa und Afrika deutlich. Dieser Ansatz fehlt in diesem Konzept gänzlich, genauso wie das gesamte Forschungsfeld nachhaltiges Wirtschaften.

(Beifall bei der LINKEN)

Wo Chancen vergeben werden das ist vorhin angeklungen , zeigt sich sehr deutlich im Bereich der Energieforschung. Dass Energieversorgung auf erneuerbare Energien umgestellt und Energieeffizienz drastisch und schnell verbessert werden muss, gehört zu den Grundbedingungen, um den Klimawandel zu verzögern. Wie aber reagiert diese Regierung? Sie gibt für die Erforschung fossiler und nuklearer Energieträger 290 Millionen Euro aus. Für erneuerbare Energien und Effizienztechnologien stellt sie nur 190 Millionen Euro bereit. Offensichtlich haben auch hier die Energiemonopolisten gewonnen. Das ist nun wahrlich keine Highperformance Ihres Zukunftsdenkens.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Im gleichen Licht spiegelt sich das Sicherheitsforschungsprogramm. Ihre Logik ist: Der demokratische Verfassungsstaat wird bedroht von Terror, Cyberkriminellen und näher kommenden Kriegsherden. Vor dieser Kulisse sollen Hochtechnologien zu Abwehr und Überwachung samt daraus entstehenden neuen Märkten aufgerüstet werden. So versprechen beispielsweise Körperscanner zwar leichtere Kontrollen auf Flughäfen. Aber wirklich sicherer wird es in dieser Welt nicht. Ganz abgesehen davon, dass die Italiener gerade diese Scanner als untauglich wieder abmontieren, wissen wir doch: Viele Wege führen nach Rom.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Hightech-Strategie bleibt so einseitig, weil in den Beratungsgremien wie der Forschungsunion „Wirtschaft Wissenschaft“, im Bio-Ökonomie-Rat, beim Innovationsdialog der Kanzlerin oder auch in der eben erst gegründeten Nationalen Plattform Elektromobilität zahlreiche Wirtschaftslobbyisten sitzen, und diese richten Wissenschaft nach ihren konkreten Interessen strategisch aus. Was fehlt, sind fast durchgängig Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft. So kommen beispielsweise von den 148 Mitgliedern der Arbeitsgruppe der Nationalen Plattform Elektromobilität 111 aus der Industrie. Umwelt- und Verbraucherverbände durften raten Sie einmal! lediglich drei Vertreterinnen und Vertreter entsenden.

Schließlich werden die Hightechlinien vor allem das verwundert uns nicht von Männern aufgelegt. In den genannten Beratungsgremien ist weniger als ein Drittel weiblich. Liegt da nicht der Gedanke nahe, dass die Technologiefixierung der Hightech-Strategie vor allem männlichen Denkmustern folgt? Frauen würden nachgewiesenermaßen viele gesellschaftliche Probleme anders angehen. Vielleicht wären es nicht zuerst Assistenzsysteme und Pflegeroboter, die Forscherinnen als Antwort auf die Alterung unserer Gesellschaft geben würden. Hightechentwicklung konsequent als Vereinfachung von Technologien zu denken, um diese so auch robuster sowie anwendungs- und alltagstauglicher zu machen, ist kein Ziel Ihrer Technologiepolitik.

„Demokratie heißt Entscheidung durch die Betroffenen.“ So jedenfalls hat es Carl Friedrich von Weizsäcker gesehen. Forschung in der Demokratie braucht demokratische Forschungspolitik. Da haben Sie noch verdammt viel nachzuholen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu gehören nun einmal auch die Träger der Forschungsleistungen. Deshalb muss ich Sie erneut daran erinnern, dass die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses eine von fünf Säulen der Hightech-Strategie von 2006 war. Ich habe mich in den letzten Monaten mehrfach mit Nachwuchsforschern und -forscherinnen getroffen. Deren Erfahrungsberichte, aber auch Statistiken belegen eindeutig, dass sich die Situation des Nachwuchses in den letzten Jahren deutlich verschlechtert hat. Der Trend, mehr Stipendien statt Stellen zu vergeben, muss endlich gestoppt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

So steuert nun beispielsweise die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit sinnvollen Änderungen in der Förderpraxis gegen diesen Trend. Kein Umdenken lässt sich dagegen aus der Neufassung der Hightech-Strategie erkennen; denn da wird der wissenschaftliche Nachwuchs noch nicht einmal erwähnt. Wer hier ständig von Fachkräftemangel redet und ihn beklagt, muss jungen, engagierten Menschen auch in diesem Bereich echte Chancen eröffnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Schließlich das darf nicht fehlen wird die innovative Forschung durch das Kooperationsverbot erheblich beschränkt. So gibt es in Deutschland beispielsweise 46 Ministerien, die sich in irgendeiner Weise mit Energieforschung auseinandersetzen. Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und Universitäten können eben nach Art. 91b des Grundgesetzes nicht direkt miteinander kooperieren. Sie müssen mühsam bürokratische, vertragliche Umwege gehen. Professor Jäckle, Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft, appellierte unlängst an uns Parlamentarier: Wissen muss der Anwendung vorausgehen.

Meine Damen und Herren, wir wissen, dass das Kooperationsverbot in der Anwendung völlig unnötige Barrieren baut. Deshalb lassen Sie mich das abschließend sagen muss es endlich auch im Interesse leistungsfähiger Forschung fallen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)