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Herbert Behrens: Schluss mit Dobrindts Verkehrsplanung nach Gutsherrenart

Rede von Herbert Behrens,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer heute über Verkehrspolitik spricht, der kann über den angeblichen Kompromiss bei der Pkw-Maut nicht schweigen. Wir müssen feststellen, dass ein weiterer Vorhang aufgegangen ist für die Fortsetzung einer unendlichen Geschichte, einer ungeheuerlichen Geschichte. Sie hatte ihren Anfang genommen, als der CSU-Stammtisch meinte, mit der österreichischen Pkw-Maut ein Ärgernis zu haben, und sich deshalb überlegt hat, wie man es hinbekommt, dass auch die Österreicher zahlen müssen. Das hat der damalige Generalsekretär der CSU – Dobrindt mit Namen – in ein parteipolitisches und wahlkampfpolitisches Konzept umgesetzt; dieses hat er in den Bundestag hineingetragen. Es wurde Bestandteil des Koalitionsvertrages von CDU, CSU und SPD. Es hat nach einem über Jahre dauernden unsäglichen und quälenden Prozess das Ergebnis, dass am Ende keiner zufrieden ist: weder die, die es richtig wollten, noch die, die es schon immer abgelehnt haben.

Wenn jetzt die Nachricht kommt, man habe sich in Brüssel geeinigt, dann müssen wir sehr genau hinschauen, auf was man sich da wirklich geeinigt hat. Wir haben gesehen, dass wir weiterhin ein Bürokratiemonster vor uns haben. Dieses Bürokratiemonster wächst sogar noch. Es wird künftig nicht nur drei Staffelungen bei der Maut geben, sondern fünf. Es wird weiteren Bearbeitungsaufwand geben, um genau abwickeln zu können, wer eigentlich welche Vignette kaufen muss. Der Ertrag wird noch kleiner.

(Gustav Herzog [SPD]: Ich dachte, Sie sind für Vielfalt!)

– Ja, die Vielfalt muss aber bewirken, dass die Leute mehr davon haben und möglicherweise auch der Staat mehr davon hat. – Wir haben nichts davon. Wir haben Belastungen für die Bürger, und wir haben weniger Einnahmen für den Staat. Wer in der Koalition kann eigentlich damit zufrieden sein? Das ist mir völlig unverständlich.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Beziehung zu unseren Nachbarstaaten in Europa schwer gefährdet ist. Es hat großen Schaden angerichtet, so brachial vorzugehen. Das wird sicherlich noch Folgen haben, die wir alle nicht wollen. Dieses Projekt muss sofort gestoppt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Forderung an die SPD lautet: Nehmen Sie sich selber ernst, und tun Sie jetzt im Zuge dieses Verfahrens wirklich etwas dafür, dass die Maut blockiert werden kann, so wie es der Verkehrsminister in Niedersachsen gefordert hat.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind dabei.

Zur Verkehrspolitik gehört Weitsicht. Die haben Sie bei der Pkw-Maut nicht gezeigt. Sie haben sie beim Bundesverkehrswegeplan nicht gezeigt. Sie haben sie auch bei den Ausbaugesetzen nicht gezeigt.

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Auch bei den übrigen nicht!)

Zur Weitsicht in der Verkehrspolitik gehört, dass wir uns darüber klar sein müssen: Ein Bundesverkehrswegeplan legt die Schwerpunkte für die nächsten 15 Jahre Verkehrspolitik fest. Was heute dort hineingeschrieben wird, wird uns, wird die Bürgerinnen und Bürger die nächsten 15 Jahre begleiten. Entweder sie bekommen versprochen, dass eine Entlastung gebaut wird, oder sie haben die Chance, dass es relativ schnell durchgesetzt wird.

Dieses Hinhängen an eine lange Frist – Leute, beruhigt euch, wir kommen mit dem Projekt in dem einen oder anderen Jahr zu euch – führt dazu, dass in der Zwischenzeit keine Alternative überlegt wird, nicht weiter geplant werden darf, immer mit dem Hinweis: Aber es steht doch im Bundesverkehrswegeplan, setzt euch wieder hin, wir lösen das schon. – Das ist keine Politik mit Blick auf die gegenwärtigen Probleme, und schon gar keine Verkehrspolitik mit Weitsicht, in die Zukunft.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gustav Herzog [SPD]: Die Leute lassen sich nicht vertrösten! Die suchen nach Alternativen!)

– Die Leute lassen sich nicht vertrösten, sagt der Kollege Herzog – in der Tat. Darum sind sie vielfach in Bürgerinitiativen aktiv geworden. Sie haben eingefordert, in diesen Verfahren beteiligt zu werden, und haben vor Ort ihre Alternativen eingebracht. Das hat nicht nur etwas mit Blockadepolitik zu tun, das hat etwas mit kreativen verkehrspolitischen Vorstellungen zu tun, die wir an allen Stellen gesehen haben.

Ich nenne das Beispiel A 39. Dort haben sich die Bürgerinnen und Bürger an verschiedenen Orten entlang der Trasse über Jahre zusammengesetzt und Pläne für Alternativen geschmiedet. Dabei kommt heraus: Die A 39 ist verzichtbar

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist sie mit Sicherheit nicht!)

durch kleine Maßnahmen, durch Ausbaumaßnahmen und teilweise durch Neubaumaßnahmen, wenn ein Ort dringend umgangen werden muss.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die A 39 ist dringend erforderlich!)

Das ist Planungsfantasie bei den Bürgerinnen und Bürgern. Sie ist aber nicht im Bundesverkehrsministerium zu finden. Das muss auf jeden Fall ein Ende haben.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)