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Haushaltssanierung auf Kosten der Krankenversicherten

Rede von Harald Weinberg,

Rede zum Haushalt 2016

Harald Weinberg (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen auf der Tribüne! Ich muss, obwohl es von meiner kurzen Redezeit abgeht, kurz etwas dazu sagen, was Sie, Herr Nüßlein, zum Thema Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen gesagt haben. Die Gesundheitsversorgung von Menschen ist ein Menschenrecht, und es ist nicht einzuschränken.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Mechthild Rawert (SPD))

Das System der Behandlungsscheine ist mit diesem Menschenrecht nicht vereinbar. Es ist bürokratisch, es ist teurer, und es führt dazu, dass Leute, die eine Behandlung brauchen, keine Behandlung bekommen. Das führt zu Folgekosten, zur Chronifizierung von Krankheiten, weil Fachfremde darüber entscheiden, wer einer Behandlung bedarf und wer keine Behandlung bekommen soll. Das hat bereits zu gravierenden Fehlentscheidungen geführt. Wir müssen in der Tat davon wegkommen und die Einführung der Gesundheitskarte voranbringen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt aber zum Haushalt. Schon die ganze Woche feiern Sie hier die schwarze Null, wie einst das goldene Kalb gefeiert wurde - kein Blick nach links oder rechts, nur Starren auf die schwarze Null, kein Blick darauf, wie die Infrastruktur dieser Gesellschaft auf Verschleiß fährt. Das gilt übrigens auch für den Krankenhausbereich, in dem es einen Investitionsstau von über 50 Milliarden Euro gibt. Sie verlieren kein Wort darüber, in welche Taschen Sie greifen, um das Ziel der schwarzen Null zu erreichen. Sie betreiben - und das nicht nur im Gesundheitsbereich, aber dort sehr systematisch - eine Haushaltssanierung auf Kosten der Beitragszahlerinnen und -zahler.

Ja, ich weiß: Sie haben den Bundeszuschuss zur GKV, den Sie in den letzten Jahren drastisch heruntergefahren haben, um den Haushalt zu sanieren, jetzt wieder auf 14 Milliarden Euro angehoben. Im Wahljahr 2017 wird er sogar auf 14,5 Milliarden Euro steigen. Sie feiern sich also dafür, dass Sie eine Kürzung zurückgenommen haben. Welch eine grandiose Leistung!

(Beifall bei der LINKEN)

Nun ist der Bundeszuschuss kein Almosen; er ist begründet. Er ist damit begründet, dass mit ihm gesamtgesellschaftliche Aufgaben der Gesundheitsversorgung finanziert werden sollen. Dazu zählt zum Beispiel die beitragsfreie Mitversicherung von nicht erwerbstätigen Ehegatten, Lebenspartnern, Kindern und Jugendlichen oder die Beitragsfreiheit während Mutterschutz und Elternzeit. Die Kassen rechnen da Kosten von fast 34 Milliarden Euro zusammen - mehr als das Doppelte von dem, was jetzt eingestellt wurde. Aber auch, wenn man die Rechnung der Kassen anzweifelt - was ich nicht tue -, ist festzuhalten: Schon im Jahre 2010 hielt man sogar 15,7 Milliarden Euro Bundeszuschuss für notwendig. Seitdem sind die allgemeinen Gesundheitsausgaben um mehr als 25 Prozent, also um mehr als ein Viertel, gestiegen. Also müsste der Bundeszuschuss ebenfalls um mindestens 25 Prozent ansteigen, also mindestens auf 17,5 Milliarden Euro im Jahr 2016 und auf 18 Milliarden Euro im Jahr 2017.

Dass er das nicht tut, bedeutet zweierlei: Erstens. Die Festlegung des Bundeszuschusses ist willkürlich, an keine Regel gebunden, außer vielleicht, Herrn Schäuble zu erfreuen. Es wird dringend Zeit, dass man über eine Regelbindung des Bundeszuschusses nachdenkt und sie auf den Weg bringt.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens bedeutet das, dass die genannten gesamtgesellschaftlichen Aufgaben zu einem übergroßen Teil von den Versicherten aus ihren Beitragsmitteln bezahlt werden, und das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit aber nicht genug. Sie haben in gleich drei Gesetzen Ausgabenposten vorgesehen, die sachfremd aus Beitragsmitteln der Versicherten finanziert werden sollen, obwohl es sich zweifelsfrei um gesamtgesellschaftliche Aufgaben handelt. Das betrifft das Versorgungsstärkungsgesetz und dort den Innovationsfonds. Für innovative Versorgungsformen und begleitende Versorgungsforschung sollen 300 Millionen Euro bereitgestellt werden. Schön, dass es den gibt, eine gute Sache! Das kommt hoffentlich allen zugute und sollte daher auch von allen also aus Steuermitteln finanziert werden und nicht von den Beitragszahlern.

(Beifall bei der LINKEN)

Präventionsgesetz: Hier ist insbesondere die sachfremde Finanzierung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu kritisieren. Ob deren Kampagnen nun gut sind oder nicht, darüber kann man streiten. Ganz sicher sind sie schon der Sache nach nicht auf die Versichertengemeinschaft zu reduzieren und folglich gesamtgesellschaftlich aus Steuermitteln zu finanzieren.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schließlich das Krankenhausstrukturgesetz: Auch über den Strukturfonds, der über den Gesundheitsfonds ebenfalls aus Beitragsmitteln finanziert wird, kann man unterschiedlicher Meinung sein. Er soll dazu dienen, Überkapazitäten im Krankenhaussektor durch Umwandlung in andere Einrichtungsformen abzubauen. Mit anderen Worten: Er soll dazu dienen, Krankenhäuser zu schließen, was ihm auch den despektierlichen Bei- oder Spitznamen „Abwrackprämie“ eingebracht hat. Interessant ist dabei, dass das Gesetz hier eine Kofinanzierung durch die Länder vorsieht; das nur am Rande tut unser Änderungsantrag zur Investitionsförderung im Krankenhausbereich auch, wird aber von der Mehrheit dieses Hauses - leider - immer abgelehnt. Es handelt sich aber um eine Art Investitionsförderung des Bundes für die Bundesländer, nur eben aus der Kasse der Beitragszahler. Da gehen 500 Millionen Euro raus, und das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der LINKEN)

Rechnen wir zusammen, so stellen wir fest, dass sich das auf mehrere Milliarden Euro summiert. Nach der faktischen Abschaffung der paritätischen Finanzierung schauen die Arbeitgeber dem relativ gelassen zu, denn ihr Beitragsanteil ist auf 7,3 Prozent eingefroren. Zahlen muss die Zeche der Beitragszahler allein   mittels Zusatzbeiträgen, und die steigen bekanntlich von durchschnittlich 0,9 Prozent im Jahre 2015 auf 1,1 Prozent im nächsten Jahr. Das hört sich nicht so gewaltig an, wenn man es in Prozent ausdrückt, aber 0,9 Prozent Zusatzbeitrag bedeuten 11,8 Milliarden Euro und 1,1 Prozent rund 14,5 Milliarden Euro. Das ist schon eine ordentliche Summe, die den Beitragszahlern einfach zusätzlich aufgebürdet wird. Das wird 2017 nicht aufhören, sondern weitergehen. Das heizt gleichzeitig den Wettbewerb zwischen den Kassen an, der schon jetzt merkwürdige Blüten treibt. Das Ganze, liebe SPD also der Griff in die Kassen und die Abschaffung der Parität  , geschieht mit Ihrer gefälligen Zustimmung. Erklären Sie das einmal Ihren Wählerinnen und Wählern! Oder umgekehrt: Es erklärt, warum Sie bei den Umfragen nicht aus dem 25-Prozent-Verließ herauskommen.

(Beifall bei der LINKEN   Dagmar Ziegler (SPD): Wie viel Prozent hatten Sie noch mal?)

Ich kann Ihnen nur raten: Bewegen Sie sich, bevor es zu spät ist, am besten durch die gemeinsame Einführung einer solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung!

(Beifall bei der LINKEN)

Unsere Änderungsanträge sind gut und sind gegenfinanziert.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege Weinberg.

Harald Weinberg (DIE LINKE):

Letzter Satz: Sie werden leider wie jedes Jahr überwiegend ungelesen abgelehnt werden. Das ist aber nicht schlimm, denn sie sind ja nicht für Sie geschrieben, sondern damit die Menschen in diesem Land sehen, dass es eine Alternative gibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Dagmar Ziegler (SPD): Wie viel hatten Sie nochmal bei der Wahl?)