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Haushaltskonsolidierung über den Abbau von Arbeitslosigkeit, über zusätzliches Wachstum

Rede von Axel Troost,

Axel Troost in der Debatte zur Regierungserklärung über die Finanzpolitik der großen Koalition

"Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Koalitionsvertrag geht es im Bereich der Finanzpolitik insbesondere um zwei Ziele: die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Haushaltskonsolidierung. Ich sage Ihnen schon jetzt: In beiden Fällen werden Sie erneut scheitern.

Der Kollege Brüderle hat, was die Ausgabenseite des Haushalts angeht, erwähnt, hier könne man von einem Strohfeuer reden. Heute Morgen war sogar von einem Jahr Keynes die Rede. Ich denke aber, dieser Haushalt reicht nicht einmal für ein Strohfeuerchen. Er wird der Herausforderung der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit überhaupt nicht gerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen in einem ganz anderen Ausmaße und längerfristig ausgerichtete öffentliche Investitionen, um den Binnenmarkt bzw. die Binnennachfrage zu stärken. Wir müssen weg von der ausschließlichen Exportorientierung; dieser Wachstumstyp hat die letzten 15 Jahre in der Bundesrepublik beherrscht. Die Bundesrepublik ist das einzige Land, das eine solche Ausrichtung vornimmt, und das einzige Land, das, was Wachstum und Beschäftigung angeht, in den letzten Jahren so schlecht abgeschnitten hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich stimme Herrn Meister völlig zu, wenn er sagt, dass wir einen anderen Wachstumstyp brauchen. Aber wenn man von einem anderen Wachstumstyp spricht, heißt das nicht Bürokratieabbau oder Beschleunigung von Genehmigungsverfahren.

(Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Doch! Sicher!)

Ein anderer Wachstumstyp muss die Stärkung des Binnenmarktes zum Ziel haben. Wenn uns das nicht gelingt, werden wir auch die Arbeitslosigkeit nicht abbauen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum zweiten Punkt: der Haushaltskonsolidierung. Zwei Aspekte sind in diesem Zusammenhang schon genannt worden:

Erstens. Die Massenarbeitslosigkeit kostet bei 5 Millionen Arbeitslosen Jahr für Jahr circa 100 Milliarden Euro, die in den Sozialversicherungssystemen und bei den Steuereinnahmen fehlen.

Zweitens. Bedingt durch die Steuerreformen der letzten Jahre - auch das ist bereits angesprochen worden - betragen unsere Einnahmeausfälle inzwischen 60 Milliarden Euro jährlich, die in allen öffentlichen Haushalten - in dem des Bundes und in denen der Länder und Gemeinden - fehlen, wodurch jetzt natürlich ein Konsolidierungszwang hervorrufen wird, allerdings ein durch diese Steuerpolitik selbst verschuldeter. Von wenigen sinnvollen Maßnahmen im unteren Einkommensbereich abgesehen kam es zu massiven Steuersenkungen für Konzerne und Spitzenverdiener. Wenn jetzt versucht wird, den Haushalt durch einen massiven Verkauf von Bundesvermögen zu sanieren, dann kann ich dazu nur sagen: Das geht nach dem Motto "Nach mir die Sintflut". Das kann es nicht sein!

(Beifall bei der LINKEN)

Der Verkauf von Tafelsilber muss gestoppt werden. Dies ist eine Politik zulasten der Bürger und zulasten der dort Beschäftigten: weil anschließend ein entsprechender Personalabbau erfolgt.

Angesichts der fortgeschrittenen Zeit ein weiteres Thema nur knapp: Wir haben in die Debatte hier einen Antrag zur Abschaffung der Hedge-Fonds eingebracht. Diese Frage hat im Bundestagswahlkampf ja durchaus eine große Rolle gespielt; der Heuschreckenkapitalismus wurde von Herrn Müntefering in den Mittelpunkt gestellt. Die Frage ist, warum man jetzt nach der Wahl, warum man im Koalitionsvertrag dazu überhaupt nichts mehr hört bzw. liest.

(Zuruf von der CDU/CSU: Falsch!)

- Zumindest ich habe dort nichts in dieser Richtung gefunden. - Wenn wir dafür nicht hier im Parlament gemeinsam Lösungen finden, dann werden wir damit konfrontiert werden, dass DAX-Unternehmen zunehmend in Bedrängnis geraten. Über die Hälfte der 30 DAX-Unternehmen sind bereits von diesen so genannten Heuschrecken sozusagen "angefressen". Es ist ein Unding, dass Flaggschiffe der bundesdeutschen Wirtschaft wie Siemens oder Daimler-Benz Angst haben müssen, dass sich solche Hedge-Fonds bei ihnen einkaufen und sie zerlegen. Denn das sind die Konsequenzen: Filetierung und massiver Abbau von Arbeitsplätzen in diesen Bereichen. Das müssen wir hier gemeinsam diskutieren; dann erfährt auch dieses Hohe Haus für meine Begriffe einen Bedeutungszuwachs.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen dringend einen grundlegenden Wechsel in der Finanz- und Wirtschaftspolitik, wenn wir Haushaltskonsolidierung über den Abbau von Arbeitslosigkeit, über zusätzliches Wachstum erreichen wollen. Dafür gibt es ganz konkrete Konzepte: nicht nur bei der Partei der Linken, auch im Bereich der Gewerkschaften und bei einzelnen Vertretern des Sachverständigenrats. Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)"